Wie wichtig ist es noch, eine eigene Webseite zu haben? Dieser Frage widmet sich das auf Traffic-Analysen spezialisierte Unternehmen Webtrends in einem aktuellen Report. Eine Webseite, das weiß jeder, ist die Visitenkarte für Unternehmen, sich seinen Kunden zu präsentieren. Es ist das Medium der Wahl für die Kommunikation mit den Kunden. Und für immer mehr Firmen ist es auch Marktplatz Nummer Eins, besonders im B2B-Geschäft.
Aber es gibt Unternehmen, schreibt Webtrends in seinem Report, die erfolgreiche Kampagnen durchgeführt haben, bei denen sie den Traffic auf die Facebook-Seite statt auf Webseite geleitet haben. Was ursprünglich mal als Mittel zum Zweck gestartet wurde, den Traffic auf der Webseite zu erhöhen, ist damit zum Ziel geworden: bei Facebook möglichst viele Leute zu erreichen.
Das ist auch sinnvoll, meint Webtrends, denn Facebook ist mit seinen mehr als 600 Millionen Nutzern und einer ständig wachsenden Fan-Basis einfach eine gute Adresse. Nirgendwo anders kommt man, wenn man es richtig macht, so schnell seiner Zielgruppe so nah wie bei Facebook.
Um herauszufinden, ob die Basis-Webseite an Traffic einbüßt, wenn Unternehmen auf Facebook setzen, hat Webstrends die "unique visits" der Fortune-100-Unternehmen analysiert. Dabei kam zunächst einmal unabhängig von Facebook heraus, dass 68 Prozent im vergangenen Jahr bei den "unique visits" Einbußen hinnehmen mussten. Im Durchschnitt sank die Zahl der eindeutigen Besuche um 23 Prozent, in der Spitze sogar um bis zu 76 Prozent.
Für die Frage, ob Facebook daran eine "Mitschuld" trägt, hat Webtrends die unique visits einer Firmenwebseite mit denen einer Facebook-Fanpage verglichen. Und tatsächlich: Bei einer Probe von 44 Unternehmen haben 40 Prozent höheren Traffic auf ihrer Facebook-Seite feststellen können. Das ist noch kein eindeutiger Beweis, aber immerhin ein Indiz dafür, dass Facebook-Fanpages den regulären Webseiten der Unternehmen Traffic abnehmen.
Webseiten mit E-Commerce sind stabiler
Allerdings ist das nicht immer so: Ein Unternehmen mit einem erfolgreichen E-Commerce-Angebot war vom geringeren Website-Traffic nicht so sehr betroffen wie ein Firma, die keinen Handel über das Internet treibt. Die Frage, ob der elektronische Handel also so etwas wie eine Versicherung gegen mangelnden Traffic auf der Webseite ist, beantwortet Webtrends mit "Jein": Es könne durchaus sein, dass E-Commerce vorm Absturz gegenüber Facebook schütze.
Aber was passiert, wenn Firmen auf Facebook in den E-Commerce einsteigen? Um darauf eine Antwort zu finden, hat Webtrends sich bei der US-Fluggesellschaft Delta Airlines umgeschaut, die kürzlich ihren Kunden auf Facebook die Möglichkeit gegeben hat, Tickets zu buchen. In der Folge davon sank der Anteil der unique visits auf der eigentlichen Webseite um 9,53 Prozent. In absoluten Zahlen: In nur drei Monaten verlor Delta eine Million unique visits auf der Webseite und gewann auf Facebook 1.000 Fans dazu. Dieses eine Beispiel mag noch nicht als Beweis der These gelten, gibt aber einen Hinweis auf Entwicklungen in der Zukunft, kommentiert Webtrends die eigenen, noch etwas dürftigen Erkenntnisse. Das ist umso wahrscheinlicher, als dass immer mehr Unternehmen dem Delta-Beispiel folgen.
Denn schließlich hat Webtrends noch den wachsenden Handel über Facebook analysiert, speziell die E-Commerce-Transaktionen in Läden mit Facebook-Seiten und Newsfeeds. Adgregate Markets, ein Anbieter solcher kommerziellen Facebook-Services, hat allein in den vergangenen Monaten 50 neue Retailer dazu gewonnen. Zu Recht, meint Webtrends, denn bei vergleichbarer Konvertierungsrate von Besuchern zu Kunden hat Facebook bei der Akquise einer großen Zahl neuer Besucher deutlich die Nase vorn.
Facebook, heißt es in der Studie, genießt bei seinen Anwendern derzeit eine riesige Aufmerksamkeit auch als Ort, um mit Marken und Firmen in Kontakt zu kommen. Logischerweise sieht das eine wachsende Zahl von Unternehmen genau so und entscheidet sich darum für eine Präsenz in Facebook.
Allerdings gibt es auch in Facebook-Zeiten Webseiten, die ihren Traffic halten oder vergrößern können. Das aber, schätzt Webtrends, werde nur so lange gut gehen, wie Facebook selber nicht groß in E-Commerce einsteigt. Ihre Erkenntnisse, verrät Webtrends, legten aber genau diesen Schluss nahe: Facebook wird seine kommerziellen Aktivitäten verstärken.
Immer mehr mobile Zugriffe aufs Internet
Aber es ist nicht Facebook alleine, das traditionelle Webseiten infrage stellt. Dafür ist auch das mobile Web verantwortlich, also der Zugriff auf Webseiten von mobilen Endgeräten aus. Auch das stellt neue Anforderungen an die Webpräsenz der Unternehmen: Was auf dem Desktop in Größe, Auflösung und Medienvielfalt wunderbar funktioniert, läuft auf einem Smartphone mit Minibildschirm und vergleichsweise langsamer Internetverbindung noch lange nicht.
Also ist es für Unternehmen wichtig, sich auf die Grenzen des Internets auf mobilen Geräten einzustellen. Denn der Zugriff von Smartphones & Co. aus nimmt tendenziell deutlich zu. So hat der Bezahldienst Paypal in einer Studie herausgefunden, dass es während der Urlaubssaison 2010 einen Anstieg von 300 Prozent beim mobilen Shopping gegeben habe. In fünf Jahren, prognostiziert Morgan Stanley, werde die Zahl der Menschen, die mobil ins Internet gehen, erstmals die Zahl der Desktop-Surfer überschreiten. Es scheint, dass die Unternehmen die Botschaft verstanden haben. Zumindest zeigt ein weiterer Report, dass die Zahl von für den mobilen Empfang optimierten Webseiten von 150.000 im Jahr 2008 auf mehr als drei Millionen im Jahr 2010 angestiegen ist. Das entspricht einer Wachstumsrate von 2000 Prozent.
Soziale Netzwerke und mobile Geräte, schließt Webtrends seinen Report, werden die Internet-Landschaft stark verändern. Die Zugriffszahlen auf normale Webseiten werden ebenso sinken, wie die auf traditionelle E-Commerce-Plattformen. Zeit also für Unternehmen, sich verschärft mit den Möglichkeiten und Herausforderungen neuer Webseiten und Geräte zu beschäftigen. Nicht für jede Firma werden Facebook & Co allerdings schon jetzt eine bessere Plattform sein, als die traditionelle Webseite, meint Webtrends. Aber wer nun damit anfängt, sich die neuen Plattformen anzueignen, wird zum richtigen Zeitpunkt in der Lage sein, sein Internet-Verhalten umzustellen.