Facebook kauft die Kurznachrichten-App WhatsApp für 19 Milliarden Dollar und sichert sich einen weiteren Zugang zu den Smartphones von Millionen Nutzern. Zu den eigenen gut 1,2 Milliarden Mitgliedern gesellen sich die 450 Millionen Nutzer der populären Kurznachrichten-App.
"WhatsApp ist auf dem besten Weg, eine Milliarde Menschen miteinander zu verbinden", sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg. "Dienste, die eine Milliarde Nutzer haben, sind unglaublich wertvoll", begründete er den hohen Kaufpreis von umgerechnet 14 Milliarden Euro für ein Unternehmen mit gerade einmal 55 Mitarbeitern. Die Börsianer waren nicht überzeugt. Die Facebook-Aktie fiel am Donnerstag im frühen Handel um 2 Prozent.
Datenschützer sehen die Übernahme kritisch. Sie fürchten, dass Facebook Nutzerdaten von WhatsApp mit dem eigenen Bestand zusammenführen könnte. Die Firmen betonten allerdings, dass WhatsApp weiterhin eigenständig arbeiten werde. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar kündigte an, seine Behörde werde bei Facebook dazu nachfragen. Facebook hat ein Büro in Hamburg.
Auch Verbraucherschützer äußerten sich skeptisch. "Facebook ist ja nun keine Wohltätigkeitsorganisation", sondern verfolge wirtschaftliche Interessen mit dem Kauf, sagte Carola Elbrecht, Digitalexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin.
Mit dem Smartphone-Programm WhatsApp können Nutzer Text- und Sprachnachrichten, Fotos oder Videos austauschen. WhatsApp hat sich mit diesen Funktionen fest als SMS-Alternative etabliert - auch, weil der Dienst einfach zu benutzten ist und pro Jahr nur 1 Dollar Gebühr kostet. Allein in Deutschland nutzten zuletzt 30 Millionen Menschen WhatsApp. Weltweit kommen täglich eine Million Nutzer hinzu. Mithilfe von WhatsApp komme man der Vision näher "die ganze Welt zu vernetzen", sagte Zuckerberg denn auch am späten Mittwoch.
Der Zukauf folgt auf Medienberichte, dass Teenager Facebook den Rücken kehrten und zu alternativen Diensten wie WhatsApp abwanderten. Diese Sorge hatte zwischenzeitlich zu deutlichen Kursverlusten bei der Facebook-Aktie geführt.
Ob die Nutzer bei WhatsApp jünger seien, konnte Facebook-Finanzchef David Ebersmann nicht sagen: "Der Dienst fragt nicht nach dem Alter, wenn man sich anmeldet." Man wisse bisher auch nicht, wie groß die Überschneidung zwischen den Nutzergemeinden sei. Facebooks eigener Messaging-Dienst soll parallel weiterentwickelt werden.
WhatsApp versprach, durch die Übernahme ändere sich für die Nutzer nichts. Der Dienst werde weiterhin ohne Werbeunterbrechungen laufen, hieß es in einem Blogeintrag. "WhatsApp wird autonom bleiben und unabhängig agieren." Auch Zuckerberg versicherte, dass das WhatsApp-Team unabhängig bleibe. Ihnen sei ein außergewöhnliches Wachstum gelungen. "Es wäre dumm, uns da jetzt einzumischen."
Zuckerberg handelte die Übernahme in nicht einmal zwei Wochen aus. Nach einem Bericht des Technologie-Blogs "The Information" unter Berufung auf informierte Personen hatte auch Google ein Auge auf WhatsApp geworfen.
Facebook ist mit Abstand Marktführer, wenn es um die Vernetzung von Menschen im Internet geht. Die Wettbewerbshüter müssen sich nun anschauen, ob das Geschäft vor diesem Hintergrund durchgehen kann. Sagen sie ja, soll die Übernahme später im Jahr besiegelt werden.
Facebook überweist zunächst 4 Milliarden Dollar in bar sowie Aktien im Wert von 12 Milliarden Dollar an die WhatsApp-Besitzer. In den kommenden Jahren sollen weitere Aktien im Wert von aktuell 3 Milliarden Dollar an Gründer und Mitarbeiter fließen. WhatsApp-Gründer Koum zieht in den Verwaltungsrat von Facebook ein.
Wie sich der hohe Kaufpreis letztlich allerdings rechnen soll, ließ Facebook-Chef Zuckerberg offen. Zunächst gehe es darum, dass der Dienst weiter wachse auf "eins, zwei oder drei Milliarden Mitglieder", sagte Zuckerberg. "Es gibt es mehrere Wege, wie wir damit Geld verdienen können." Werbung zähle nicht dazu.
Für Ekkehard Stadie von der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners ist das Geschäft "eher ein Schnäppchen. Vor allem, da WhatsApp eine der größten verblieben echten Sillicon-Valley-Erfolgsgeschichten ist. Da musste Facebook zugreifen."
Zuvor kaufte Zuckerberg schon für knapp 1 Milliarde Dollar die Fotoplattform Instagram. Auch die derzeit populäre Foto-App Snapchat, bei der Bilder von alleine verschwinden, wollte Facebook dem Vernehmen nach vor kurzem für drei Milliarden Dollar kaufen. Die Gründer lehnten demnach jedoch ab. (dpa/rs)