Die Fachabteilungen sind in der Weiterentwicklung der BI (Business Intelligence) auf dem Vormarsch. Wurden eigene BI-Bemühungen - zumeist auf Excel-Basis - in der Vergangenheit von der IT belächelt und oft als Wildwuchs kritisiert, so stehen der Fachseite heute eine Vielzahl von ausgereiften Tools zur Verfügung.
Prominente Vertreter dieser neuen Werkzeuggeneration wie etwa QlikView, TM1 und Spotfire basieren auf In-Memory-Technologie. Sie ermöglichen die performante Analyse gewaltiger Datenmengen am Arbeitsplatz und stellen darüber hinaus einfach zu bedienende Mechanismen für die Integration von unternehmensinternen und -externen Daten zur Verfügung. Angesichts dieser neuen Möglichkeiten sowie der Bedeutung der BI für die Unternehmenssteuerung ist es kaum verwunderlich, wenn Gartner prognostiziert, dass 2014 mindestens 40 Prozent der BI-Budgets durch die Fachseiten kontrolliert werden.
Nur scheinbarer Vorteil des dezentralen Ansatzes
Die Erfahrung zeigt, dass rein technisch getriebene Projekte nur noch schwer durchzusetzen sind, vielmehr ist der Nachweis eines Mehrwertes für den Unternehmenserfolg zu erbringen. Hier punkten die für den fachseitigen, oft dezentralen Einsatz optimierten BI-Tools vordergründig mit einer großen Flexibilität, die eine extrem kurze "Time-2-Market" für neue Analyse- und Reporting-Anforderungen ermöglicht.
Die Verkaufsargumente dieser Tools erscheinen in der Tat überzeugend, eröffnen sie doch der Fachseite die lang ersehnte Freiheit, Daten aus unterschiedlichsten Quellen hochaggregiert in ansprechenden Dashboards zu berichten und zugleich in nahezu beliebiger Detailtiefe zu analysieren.
Eine BI-Autarkie der Fachseiten hieraus abzuleiten und den EDWH-Gedanken (Enterprise Data Warehouse) als obsolet zu erklären ist jedoch nicht gerechtfertigt. Stellt die neue Flexibilität für die Nutzer auch eine nicht zu unterschätzende Bereicherung dar, so zeigt sich doch, dass in dem Maße wie die Anzahl der Anwender, Datenquellen und Auswertungen steigt, die Sicherstellung der Datenqualität sowie die Konsistenz der Auswertungsergebnisse an Bedeutung gewinnen.
BI-Governance-Strukturen aufbauen
Somit kommt einer konsolidierten Datenbasis weiterhin eine kritische Rolle zu, wobei in einem ganzheitlichen Ansatz sowohl technische als auch fachliche und organisatorische Aspekte von Bedeutung sind.
Bestätigt wird dies durch die Vielzahl aktueller anwendergetriebener BI-Projekte, die eine Konsolidierung auf Basis fachseitiger BI-Governance-Strukturen anstreben. Typische Herausforderung ist dabei die Schaffung eines unternehmensweiten Verständnisses, welches Voraussetzung für gemeinsame Kennzahlen und Auswertungsdimensionen ist, denn erst so werden eine gemeinsame Nutzung und übergreifende Auswertungen ermöglicht.
Erforderlich ist ein Vorgehen, das nach der 80/20-Regel einerseits eine Standardisierung und Konsolidierung unterstützt und andererseits fachseitigen Power Usern ein hohes Maß an Flexibilität in einer definierten Komfortzone zugesteht. Eine auf den Unternehmenserfolg ausgerichtete BI-Strategie sollte unter diesen Umständen auf BI-Services, agile BI und die Etablierung eines BI Competence Centers (BICC) setzen.
BI-Services strukturieren das Leistungsangebot und schaffen die Möglichkeit, BI-Anwendern und -Projekten vorkonfektionierte Komponenten zur Verfügung zu stellen. Der Aufbau eines Service-Katalogs in Schichten unterstützt maßgeschneiderte BI-Angebote. Diese ermöglichen sowohl Entwicklung und Betrieb schlüsselfertiger Standardreportings als auch die Bereitstellung individueller Infrastruktur- und Datenservices - etwa als Sandbox für die Ad-hoc-Analyse externe Daten.
Während der beschriebene BI-Service-Ansatz auf den flexiblen Einsatz standardisierter Module abzielt, verspricht die agile BI verkürzte Entwicklungszyklen sowie einen gesteigerten Mehrwert. Agile BI besitzt drei Facetten, die zu einer Wertsteigerung der BI-Initiativen beitragen:
3 Facetten der agilen BI
-
Zum einen adressiert Agilität die vielfältige Art und Weise, wie Informationen ausgewertet und verteilt werden sollen. So müssen gleiche Daten je nach Anwendungsfall als Listen, aggregierte Summen oder Ausnahmelisten, im Zeitverlauf oder in Form von Graphen in Dashboards aufbereitet werden.
-
Zum anderen wird die Analyseagilität durch die vorhandene Datengranularität bestimmt. Nur wenn unabhängig von den gegenwärtigen Anforderungen atomare Daten gespeichert werden, können auch zukünftige Informationsbedarfe zuverlässig bedient werden.
-
Die dritte Facette agiler BI zielt auf eine größere Flexibilität und Anwenderorientierung im Entwicklungsprozess ab. Das traditionelle Wasserfallmodell mit Entwicklungszyklen im Bereich von Jahren oder bestenfalls Monaten ist in Zeiten hyperdynamischer Geschäftsumfelder nicht in der Lage, volatile Fachanforderungen befriedigend zu bedienen. Die geforderte Agilität begreift Änderungen in den Anforderungen als Chance und weniger als Risiko für eine effiziente Bedienung der Anwenderbedürfnisse.
Agile BI ist weniger eine feste Abfolge von Prozessschritten, als vielmehr ein Konzept bestehend aus Werten, Prinzipien und Vorgehensweisen, das eine kontinuierliche Ausrichtung an prioren Informationsbedürfnissen sicherstellen soll.
Kritische Erfolgsfaktoren für diesen Ansatz sind zum einen die enge Einbindung von (Power) Usern sowie zum anderen ein iteratives, evolutionäres Vorgehen in kleinen Schritten, welches die Möglichkeit auf schnelles Feedback und damit zum Nachsteuern eröffnet. Agile BI-Entwicklung steht damit dem verbreiteten Vorgehen zur Implementierung eines EDWH in einem langjährigen Großprojekt mit Fokus auf die Integration möglichst vieler Datenquellen entgegen. Vielmehr wird eine iterative, an priorisierten Anwendungsfällen ausgerichtete EDWH-Implementierung unterstützt.
Die Aufgaben des BI Competence Center (BICC)
Mit agilen Einzelprojekten entsteht jedoch naturgemäß keine homogene BI-Landschaft mit definierten BI-Services, vielmehr droht eine Fortsetzung des Wildwuchses der vergangenen Jahre. An dieser Stelle setzen fachseitige BI Competence Center (BICC) an.
BICC-Aufgabenfelder sind in erster Linie die konzertierte Vertretung fachseitiger BI-Interessen gegenüber der IT, die Anforderungskonsolidierung und -Priorisierung sowie die Herstellung von Transparenz über vorhandene DWH-Inhalte und BI-Funktionalitäten. Ein BICC ist damit ideal für fachliche Konsolidierungsvorhaben, das BI-Programm-Management sowie als zentraler Abstimmungspartner der IT geeignet.
Volker Oßendoth ist Senior Consultant bei Steria Mummert Consulting.