Das Thema Cloud Computing haben viele Unternehmen bis dato opportunistisch vorangetrieben, beobachtet das Marktforschungs- und Beratungshaus IDC. 60 Prozent der deutschen Unternehmen befänden sich noch immer in einer frühen Phase, verfolgten Einzelprojekte oder hätten noch keine Cloud-Strategie entwickelt. Das aber werde sich in den kommenden 24 Monaten ändern. Die Auguren stützen sich auf eine Befragung von 317 IT- und Fachentscheidern aus deutschen Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern, die IDC im Dezember 2016 organisierte.
Knapp zwei Drittel der Unternehmen wollen Cloud Computing demnach künftig umfassend in ihrer Organisation nutzen und auf eine "Cloud-First-Strategie" hinarbeiten. Der Cloud-Einsatz ist nach Einschätzung der Marktforscher eine grundlegende Antwort auf die Digitalisierung, die 52 Prozent der Befragten als eine zentrale Herausforderung sähen. "Cloud Computing wird mittelfristig das De-facto-IT-Architektur-Modell und technologische Framework für die digitale Transformation in allen Unternehmen sein", prognostiziert Matthias Zacher, Senior Consultant und Projektleiter bei IDC. Die Trennung zwischen technologie-getriebenen IT-Services auf der einen und Business- sowie Prozess-Services auf der anderen Seite trete für die Fachbereiche immer stärker in den Hintergrund. Ihnen gehe es schlicht um einfach zu konsumierende Cloud-Services.
Cloud-Transition: Fachbereiche geben den Takt vor
"Die Cloud-Transition ist in vollem Gange", folgert IDC aus den Befragungsergebnissen. Unter diesem etwas sperrigen Begriff wollen die Analysten eine strukturierte Vorgehensweise zur Umsetzung von Cloud-Initiativen verstanden wissen, die neben einer technischen Sicht auf Cloud-Services und Cloud-Technologie auch Prozesse und organisatorische Aspekte berücksichtigt. Eigene Erfahrungen, das allgemein verfügbare Wissen über Cloud Computing sowie veränderte Rahmenbedingungen hätten vielerorts zu einem Perspektivwechsel geführt.
Erkennbar seien die Veränderungen zum Beispiel daran, dass die Fachabteilungen in Sachen Cloud-Einsatz inzwischen den Ton angäben. Fachbereiche evaluierten und budgetierten Cloud-Services heute mehrheitlich eigenständig oder innerhalb eines Entscheidergremiums. Ein weiterer Treiber der Entwicklung ist aus IDC-Sicht die zunehmende Vernetzung von Ökosystemen. Beispielsweise setzten 28 Prozent der Geschäftspartner von befragten Unternehmen verstärkt auf Cloud-Services und forderten diese auch aktiv ein.
Wer profitiert am meisten vom Cloud-Einsatz?
Gefragt nach den Funktionsbereichen im Unternehmen, die in den kommenden 24 Monaten den größten Nutzen aus Cloud-Services ziehen, nennt knapp die Hälfte der Entscheider den IT-Betrieb(siehe Grafik), ein Drittel den Vertrieb. Dahinter platzieren sich Logistik / Supply Chain und Marketing. Vorteile sehen viele Organisationen aber auch in anderen Bereichen wie Produktion, Kundendienst, Finanzabteilung sowie Forschung und Entwicklung.
Jobrollen in der IT verändern sich
Die wachsende Durchdringung mit Cloud-Diensten führt in den IT-Abteilungen zu veränderten Jobrollen. Laut der Studie sehen 50 Prozent der Unternehmen die Rollen von IT-Architekten, Systemadministratoren und Verantwortlichen für IT-Operations im Wandel. "Je mehr Cloud Services ein Unternehmen nutzt, desto tiefgreifender werden die Veränderungen sein", schreiben die Autoren. Das betreffe das Fachwissen ebenso wie die Prozesse und die Unternehmenskultur. Hybride Cloud-Szenarien und Multi-Clouds stellten zudem völlig neue Anforderungen an die Integration von Technologie und Prozessen.
In den IT-Organisationen veränderten sich damit auch die Anwendungsentwicklung, das Testing und der IT-Betrieb selbst. Darauf seien viele Unternehmen schlecht vorbereitet. So ergab die IDC-Befragung, dass in mehr als der Hälfte der Organisationen nur geringe oder gar keine Kenntnisse über Konzepte wie DevOps und Continuous Integration vorhanden sind. IDC empfiehlt Unternehmen deshalb, insbesondere DevOps-Ansätze für eine verbesserte Anwendungsentwicklung zu prüfen.
Beziehungen zu IT-Anbietern sind im Umbruch
Mit ihren Cloud-Service-Providern sind die meisten Befragten bisher zufrieden. Das aber sei kein Freifahrtschein für die IT-Hersteller, warnt IDC. Geht es etwa um neue Cloud-Transformationsprojekte, sind 65 Prozent der deutschen Entscheider offen für neue Anbieter. "Klassische langfristige Lieferantenbeziehungen stehen zur Disposition", kommentieren die Marktforscher die Entwicklung. Große Funktionsblöcke ließen sich mithilfe von Cloud-Services in kleinere Services aufsplitten, die sich zudem immer besser integrieren oder über APIs miteinander verknüpfen lassen. Dies gelte auch für Dienste unterschiedlicher Anbieter.
Cloud-Hürden: Security und Verfügbarkeit
Die alten Bedenken gegen Cloud Computing gibt es noch, doch sie werden kleiner. Auch das ist eine Erkenntnis der IDC-Studie. Die Sicherheitsdiskussion rund um das Thema sei in Deutschland spürbar gereift. Dennoch spielten sicherheitsrelevante und rechtliche Aspekte für 47 Prozent der Befragten weiterhin eine zentrale Rolle. Das betreffe Unternehmen aller Größenklassenklassen; Befragte aus der Finanzbranche und der Öffentlichen Hand sind an diesem Punkt besonders sensibel.
Fast ein Drittel sorgt sich darüber hinaus um die Verfügbarkeit von Cloud-Services. Aus Sicht von IDC sind dabei zwei Aspekte ausschlaggebend: Einerseits die Zuverlässigkeit der Cloud-Rechenzentren selbst, andererseits die Highspeed-Datenverbindungen zu den Cloud-Ressourcen im Netz. Insbesondere der Mittelstand leide in vielen Gebieten Deutschlands noch unter einer mangelnden Netzverfügbarkeit. Das sei ein echter Wettbewerbsnachteil.