Herr Gluchowski, sind tatsächliche "goldene Zeiten" für Open Source-BI angebrochen?
Peter Gluchowski: Für die Anbieter auf alle Fälle - schlicht deshalb, weil das Thema derzeit in aller Munde ist. Jede Veröffentlichung hierzu ist für die Vendors kostenloses Marketing. Man muss in diesem Bereich einem Missverständnis vorbeugen. Mit "Open Source-Entwickler" sind hier nicht wie bei Betriebssystemen Mitglieder einer nichtkommerziellen Community gemeint, sondern Mitarbeiter von Produktanbietern, deren Tools auf einem quelloffenen Code basieren.
Goldene Zeiten auch für die Anwender?
Zumindest hat die Open Source-BI mittlerweile eine gewisse Reife erreicht. Unternehmen können guten Gewissens auf diese Angebote zurückgreifen, ohne beispielsweise eine Reihe von Systemabstürzen befürchten zu müssen.
"Funktionalität liegt bei etwa 80 bis 90 Prozent der Branchengrößen"
Wie gut sind diese Anwendungen in Sachen Sicherheit und Leistung?
Sie sind nur bedingt mit den Lösungen alteingesessener und großer kommerzieller Anbieter zu vergleichen. Über den Daumen gepeilt würde ich sagen, dass ihre Funktionalität bei etwa 80 bis 90 Prozent der Branchengrößen liegt. Allerdings brauchen viele Unternehmen dieses letzte Quäntchen an Funktionalität schlichtweg nicht.
Wer braucht sie und wer kommt gut mit Open Source zurecht?
Für die ganz großen Unternehmen mit einem zentralen System für verschiedene Anwendergruppen und oftmals tausend Anwender gleichzeitig reichen Open Source-Tools gewiss nicht aus. Bei Einsteigern aus dem Mittelstand, aber auch bei Großunternehmen mit einer dezentralen BI-Organisation sieht es anders aus. Auch für selbständige Anwender in einzelnen Fachabteilungen kann Open Source geeignet sein.
Klassische Angebote und Open Source lassen sich also auch kombinieren?
Das hängt immer vom Einzelfall ab. In der Regel können die großen Vendors ihren Kunden flächendeckende Lösungen offerieren. Es bietet sich meistens an, dieses Angebot wegen der besseren Integrationsleistung auch zu nutzen. Allerdings lässt sich beispielsweise SAP an bestimmten Punkten durchaus sinnvoll mit Open Source-Software ergänzen.
In Ihrer Studie stellen Sie fest, dass Open Source-BI in Sachen Anpassbarkeit und Offenheit sogar - jenseits der Kostengünstigkeit - spezifische Vorteile biete. Was meinen Sie damit?
Weil der Quellcode offen ist, können Unternehmen die Tools zumindest theoretisch genau an ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen und beliebige Schnittstellen kreieren. Ich weiß, dass das in einigen Fällen auch in der Praxis geschieht. Allerdings kommt das nur in Firmen mit eigener Entwicklungsabteilung und entsprechenden Programmierkapazitäten vor - und die sind ja seltener geworden.
Sie vergleichen in Ihrer Studie verschiedene Produkte. Können Sie Anbieter nennen, die besonders gut sind?
Zunächst einmal haben wir drei verschiedene Bereiche unterschieden: Front-End-Tools für das Reporting, das OLAP-Segment zur mehrdimensionalen Analyse und Data Mining. Überall haben wir spezifische Stärken und Schwächen festgestellt. Erfreulich finde ich, dass wir im Bereich Data Mining zwei besonders leistungsstarke Anbieter aus Deutschland herausfiltern konnten: Rapid-I aus Dortmund und die an der Universität Konstanz entwickelte Plattform KNIME. Deren Tools sind für das Gros der Anwender wunderbar geeignet. Mit Jedox aus Freiburg hat sich auch im OLAP-Bereich ein hervorragender deutscher Vendor herausgeschält.
Worin liegen noch die größten Defizite? Und arbeiten die Open Source-Anbieter daran, diese in Zukunft zu beheben?
Wie gesagt scheitern die Lösungen noch in sehr großen Umgebungen. Spielraum gibt es außerdem bei der Administration und dem Meta-Daten-Management. Die Aktivitäten der Anbieter sind zum Teil beträchtlich. Jaspersoft und Pentaho, die beiden Riesen aus den Vereinigten Staaten, haben jüngst massiv Risikokapital eingeworben. Da ist in naher Zukunft einiges zu erwarten.