Landwirte halten lieber ein Blatt Papier in der Hand als dass sie auf einen Bildschirm schauen. Jedenfalls wenn sie sich über Unkrautbekämpfungsmittel, Pilzvernichter und Insektizide informieren. Deswegen musste das Pflanzenschutzmittel-Vertriebsunternehmen Syngenta Agro darüber nachdenken, wie sie das Fax kostengünstig und effizient in die Unternehmensinfrastruktur und IT integriert.
Die rund 100 Außendienstmitarbeiter des Unternehmens aus Maintal in Hessen beraten landwirtschaftliche Betriebe in ganz Deutschland. Seit einigen Jahren bereits informiert Syngenta die deutschen Landwirte regelmäßig über Pflanzenschutzempfehlungen: In welchen Regionen sind welche Schadpilze aufgetreten? Ist mit einer weiteren Verbreitung zu rechnen? Welche Auswirkungen haben bestimmte lokale Witterungsbedingungen? Wie sind bestimmte Mittel anzuwenden? Empfehlungsfaxe gehören für Syngenta zu einem der effizientesten Werkzeuge, um die Kunden stärker und besser an das Unternehmen zu binden.
Tatsächlich stellen Faxverbindungen trotz zunehmender Verbreitung von Mail und Internet noch heute ein wichtiges Kommunikationsmittel in der Geschäftswelt dar. Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) zählte 2003 3,4 Millionen Faxgeräte in deutschen Büros und geht davon aus, das heute rund fünf Millionen Exemplare im Geschäftseinsatz sind. Weltweit werden heute mehr als 120 Millionen Faxgeräte betrieben. Schätzungen des US-Herstellers Brooktrout Technology zufolge kommen jedes Jahr weitere sechs Millionen neu hinzu.
Das Fax ist nicht kleinzukriegen
So sind so gut wie alle Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen heute noch immer mit Fernkopierern ausgestattet. Und die werden nach wie vor eifrig genutzt, sagt Markus Dittert, Sprecher von Sagem Communication in Wiesbaden, einem der Hersteller von Telekommunikationshardware. "Das Faxgeschäft ist allen Unkenrufen zum Trotz ausgesprochen lebendig", erklärt er.
Auch die Zahl der Faxe steigt weiter an, wie der Münchener Telekommunikationsdienstleister Retarus bemerkt. Das Retarus-Rechenzentrum verschickt gegenwärtig für seine Auftraggeber über 100 Millionen Faxe im Jahr. Im letzten Jahr ist die Zahl der versandten Faxe gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent gestiegen. Vom Aussterben bedroht ist allein das monofunktionale Fax. Die meisten heute verkauften Geräte sind Multifunktionsgeräte: Sie können drucken, scannen und kopieren.
Seinen Platz in der Geschäftskommunikation hat das Fax aus mehreren Gründen verteidigt: Zum einen sind die meisten Faxgeräte extrem robust und langlebig. Nur ein bis zwei Prozent des Anschaffungspreises werden laut dem Hersteller von Telekommunikationshardware Sagem Communication während der im Schnitt neunjährigen Lebensdauer eines Faxes für Reparaturen fällig. Des Weiteren können über das Fax Dokumente mit rechtsgültigen Unterschriften übermittelt werden. Damit eine E-Mail Gleiches leisten kann, müssen erst Verfahren für die Nutzung der Digitalen Signatur implementiert werden. Auch bei Bildern oder Konstruktionszeichnungen ist das Fax oft komfortabler. Sie werden beim Mail-Versand als große Anhänge in die Nachrichten eingebettet - oft in Formaten, mit denen der Empfänger dann doch nichts anfangen kann. Dazu kommt, dass Faxe mit größerer Wahrscheinlichkeit tatsächlich gelesen werden, denn Fax-Spam ist im Verhältnis zur Zahl der unerwünschten E-Mails ausgesprochen selten.
Deswegen setzen Kfz-Werkstätten, Apotheken und Friseure auf das Fax. Wer mit ihnen Geschäfte machen will, muss seine Kommunikationsinfrastruktur am Fax und nicht an anderen Medien ausrichten. "Fax klingt zwar antiquiert", sagt Peter Kopfmann, Marketing- Chef bei Retarus. "Es macht jedoch absolut Sinn, heute noch in die Faxkommunikation zu investieren."
Obwohl Bauern im Vergleich zu anderen Berufsgruppen wie Architekten, Anwälten oder Ärzten überdurchschnittlich oft E-Mail und Internet nutzen, möchte das Gros Neuigkeiten über Blattlauszüge und Knollenfäule schwarz auf weiß in der Hand halten. "87 Prozent der Mitteilungen gehen per Fax raus", berichtet Klaus Bassermann, Leiter Marketing Services bei Syngenta. "Sie werden dann oft beim Frühstück gelesen, wie die Morgenzeitung.´"
Je nach Region unterscheiden sich die Tipps. Ein drohender Pilzbefall erfordert etwa in Küstennähe andere Abwehrverfahren als in Ostdeutschland, wo das kontinentalere Klima größere Temperaturschwankungen verursacht. "Wir sind in vier Verkaufsgebiete aufgeteilt", erklärt Bassermann. "Dementsprechend werden die Empfehlungsfaxe in den jeweiligen Verkaufsgebietszentralen in Isernhagen, Madgeburg, Eibelstadt und Wien entworfen." Die Entwürfe bekommen die Außendienstler zur Verfügung gestellt, die sie an ihren eigenen Laptops noch um lokale Besonderheiten wie Wetterinformationen ergänzen können.
Zudem müssen Landwirte inzwischen auch in hohem Maße dokumentieren, wann sie welche Pflanzenschutzmittel gegen welchen Schädling eingesetzt haben. "Auch hier sind die Faxe extrem beliebt, weil man sie einfach im Ordner abheftet und so nachweisen kann, wann man was gespritzt hat", sagt Bassermann. Kompliziert wird das Faxversandverfahren für Syngenta allerdings dadurch, dass nicht alle Landwirte die gleichen Informationen auf den Frühstückstisch bekommen.
Wer das Fax wie Syngenta als strategisches Geschäftswerkzeug nutzt, merkt schnell, wie aufwendig der Betrieb einer Fernkopiererlandschaft ist. Zum einen musste das Unternehmen bei einem Telekommunikationsanbieter für viel Geld Standleitungen anmieten, um die vielen Faxe - Syngenta verschickt pro Jahr eine sechsstellige Zahl - zuverlässig aussenden zu können. Trotzdem kam es immer wieder zu Verzögerungen bei der Zustellung, weil die vorhandenen Datenleitungen verstopft waren.
Zum anderen ist auch die Wartung der Laptops mit den Faxkarten aufwendig. Als das Unternehmen sich am Ende des Lebenszyklus vieler Geräte Gedanken über die Neugestaltung dieser Infrastruktur machte, war den Syngenta-Managern deshalb klar, dass sie zum Jahreswechsel 2006 einen technologischen Neuanfang wagen wollten.
Fax im Multifunktionsgerät
Neue technologische Trends eröffneten den Systemverantwortlichen jedoch neue Perspektiven. Weil immer mehr Faxgeräte Teil von Multifunktionsgeräten sind, ist es einfacher geworden, sie in ein Unternehmensnetz einzubinden. Weil das Faxdokument über den in der Regel bereits vorhandenen Netzwerkanschluss des Multifunktionsgerätes an den zentralen Fax-Server weitergeleitet wird, benötigen die dezentralen Geräte keine eigene Nebenstelle und keine Faxleitung mehr.
Middleware wie beispielsweise ShareScan vom Anbieter eCopy hilft dabei, papierbasierende Faxaufträge in die digitalen Prozesse eines Unternehmens einzubinden, sie schneller zu bearbeiten, sie zu dokumentieren und revisionssicher zu archivieren. Das ist wichtig, da immer mehr Faxe auch direkt aus Geschäftsanwendungen wie Textverarbeitung, Groupware- und ERP-Lösungen verschickt werden.
Zudem nutzen inzwischen auch viele Faxhersteller das Internet-Protokoll (IP) als Lingua Franca für alle Kommunikationsdienste und die Vernetzung ihrer Geräte. Diese rein IP-basierte Anbindung auch der Faxgeräte spart einen erheblichen Teil der laufenden Infrastrukturkosten gegenüber herkömmlichen dezentralen Lösungen und ermöglicht es, die Fernkopierer auch in moderne Konvergenznetze, in denen Telefon- und Datendienste zusammengefasst werden, einzubinden.
Syngenta entschied sich allerdings gegen eine Modernisierung der eigenen Faxlandschaft auf IP-Basis. Bis Ende 2005 wurden Nachrichten über Fritzkarten in den Laptops an die Bauern gefaxt. Dafür hat das Unternehmen den Faxbetrieb komplett an den Anbieter Retarus ausgelagert. Seit dem Jahreswechsel 2006 verlassen sich die Pflanzenschutzmittelhersteller fast vollständig auf eine virtuelle Faxlandschaft auf Grundlage einer Software namens Faxolution für Windows.
Im Kern ist Faxolution für Windows ein Druckertreiber, mit dem Telefaxe aus beliebigen Windows-Anwendungen direkt über die Faxinfrastruktur von Retarus verschickt werden können. In seinem Rechenzentrum hält Retarus dazu 3000 Leitungen bereit, die eine Vielzahl von Firmen für Messaging-Services nutzen.
Keine Karten, kein Server
Außer dem neuen Druckertreiber brauchen die Syngenta-Außendienstler lediglich einen Internetzugang, um die Daten sicher und verschlüsselt per HTTPS ins Rechenzentrum zu übertragen. Auf zusätzliche Hardware wie Faxkarten für den Laptop können sie ebenso verzichten wie die Syngenta-Zentrale auf den Betrieb eines Fax-Servers. Die Abrechnung des Faxdienstes erfolgt je nach Verbrauch.
Für Syngenta hat dieses Modell laut Bassermann einige Vorteile. "In der Erntezeit geht unser Faxversand in der Regel gegen null", erklärt er. "Früher fielen das gesamte Jahr über Fixkosten für die Standleitungen an. Heute zahlen wir in so einer Phase auch entsprechend weniger." Auch die Kosten für die Gerätewartung entfallen. Die Außendienstlern versenden an ihre Kunden mehr Tipps als je zuvor. Laut Bassermann gingen im Jahr 2006 gut doppelt so viele Telefaxe an die Landwirte wie im Vorjahr. "Und jeder Kundenkontakt ist der erste Schritt für mehr Umsatz", sagt er.