BI-Anwendungen versuchen, Spreadsheets zu integrieren

Feldzug gegen Excel gekämpft und verloren

27.07.2010 von Werner Kurzlechner
CIOs müssten es eigentlich besser wissen. Aber auch sie vertrauen beim Management der IT-Kosten oft weiter auf Excel-Tabellen, anstatt BI-Tools zu nutzen. Die Spreadsheets werden Teil der Unternehmens-IT bleiben. Umso mehr kommt es auf einen klugen Umgang damit an.
Ungeziefer-Alarm: BI-Experte Thomas Wailgum vergleicht die Verbreitung von Excel mit der von Kakerlaken.

Excel-Spreadsheets führen oft genug zu Fehlern und Inkonsistenzen – etwa im Reporting, bei dem Verstöße gegen rechtliche Vorgaben teuer werden können. Wegen der Vorlieb der Anwender für das manuelle Erstellen von Tabellen lässt sich das Tool aber aus der Unternehmenswirklichkeit nicht eliminieren. Wie man inzwischen bei Analystenhäusern wie Forrester weiß, ist der Feldzug gegen Excel gescheitert. Umso wichtiger sind Vorgaben, die Wildwuchs vermeiden helfen und Risiken ausschalten.

„Spreadsheets sind das technologische Äquivalent von Küchenschaben“, schrieb Kolumnist Thomas Wailgum kürzlich auf unserer Schwesterpublikation CIO.com. Wie Kakerlaken vermehren sie sich umso mehr, wenn man drauftritt. Boris Evelson, Principal Analyst bei Forrester Research, bekennt im hauseigenen Blog: „Wir alle wissen, das der Krieg oder der Kampf gegen die Ausbreitung von Spreadsheets in Unternehmen geführt und verloren wurde.“ Business Intelligence (BI) und Performance Management sollten lange Zeit die Alternative zum Spreadsheet-Gewurstele sein und jenseits davon für ein konsistentes und korrektes Datenmanagement sorgen. Der neue Ansatz ist es, die Vorlieb der Anwender für Excel in BI-Systeme zu integrieren. „Die Spreadsheets für BI sind hier, um für lange, lange, lange Zeit zu bleiben“, weiß Evelson.

Die BI-Anbieter tragen dem Problem längst Rechnung. Oracle beispielsweise bietet für seine BI-Anwendungen Spreadsheet Add-Ins an. Die Anwender können damit über Excel Daten aus dem Oracle OLAP suchen und ansehen. Damit kann die beliebte Aufbereitung von Information wie gewohnt stattfinden, ohne dass in der unternehmensweiten Datenbank etwas durcheinander gerät. Es gibt also technologische Entwicklungen, um das Problem abzufedern – das kann aber nur Teil der Lösung sein. „Es sind die Menschen, die alle Schwierigkeiten verursachen“, meint dazu BI-Experte Wailgum.

Welche Ausmaße diese in der Praxis haben, verdeutlicht eine Umfrage des Worldwide Executive Council (WEC) unter 50 CIOs US-amerikanischer Großunternehmen. Demnach ist unter anderem die Spreadsheet-basierte Arbeitsweise vieler IT-Chefs dafür verantwortlich, dass keine Echtzeit-Transparenz über Total Cost of Ownership (TCO) und Return on Investment (ROI) von IT-Dienstleistungen herrscht.

Fast die Hälfte der befragten CIOs nutzt Spreadsheets, um millionenschwere IT-Budgets zu managen und die Ausgaben der Fachbereiche nachzuvollziehen. Das führe zu einer „alarmierenden Disparität“ stellt die Studie fest – und zwar zwischen dem Verständnis für die realen Kosten von IT-Services pro Business-Einheit und dem Durchblick für den Wert der bereitgestellten Information.

Forrester-Analyst kennt Best Practices

Konkret heißt das, dass es beim TCO-Reporting für IT-Services an Genauigkeit und Häufigkeit fehlt. Die Hälfte der CIOs bringt die TCO-Kalkulation nur einmal jährlich auf den neuesten Stand. Keiner tut das mehr als einmal pro Monat. 60 Prozent wären so nach eigener Einschätzung kaum in der Lage, beispielsweise dem für die IT verantwortlichen CFO innerhalb von 24 Stunden eine genaue Aufstellung der jährlichen Ausgabenniveaus für IT-Services wie Enterprise Resource Planning (ERP), E-Mail- oder Desktop-Systeme zu geben.

Die Ursache ist selbstverständlich nicht allein die Vorliebe für Spreadsheets – insgesamt fehlt es an strategischer Kommunikation zwischen Business und IT. Dennoch zeigt das Beispiel, dass Regeln für den Einsatz von Excel im Unternehmen hilfreich sein können. Forrester-Analyst Evelson schlägt drei Best Practices vor, um Spreadsheets als BI-Tools zu kontrollieren und zu managen.

1. Eine Governance-Policy schaffen: Diese sollte flexibel sein, damit sie von widerspenstigen Anwendern nicht ausgehebelt wird, rät Evelson. Bedenkenlos können Spreadsheets erlaubt werden für Berichte und Analyse, die auf einzelne Personen oder kleine Gruppen von Mitarbeitern bezogene Prozesse unterstützen. Für unternehmensweite oder mehrere Funktionen umfassende Prozesse empfiehlt sich demgegenüber eine rigide Linie. Großzügig geregelt werden kann der Spreadsheet-Einsatz bei Berichten und Analysen, die keinen kritischen Prozesse berühren. Eine harte Linie hingegen ist ratsam, wenn regulatorisches Reporting oder Archivierungssysteme betroffen sind. Besonders sensibel und riskant sind Excel-Tabellen als Datenquellen, Listen, Hierarchien etc. – also im Bereich der Stammdaten. Evelson rät, hier analytische Masterdata-Management-Tools der führenden BI-Anbieter einzusetzen. Falls es in diesem Bereich wirklich nicht ohne Spreadsheets gehen sollte, sollten sie wenigstens genau beobachtet und kontrolliert werden.

2. Compliance mit den genannten Regeln beobachten: Im Falle von Spreadsheet-basierten BI-Anwendungen, die nicht unter strenge Regeln fallen, sind möglicherweise keine intensive Kontrolle und Steuerung notwendig. Für die kritischen Bereiche empfiehlt sich nach Ansicht des Forrester-Experten der Einsatz spezieller Spreadsheet-Management-Tools. Diese Werkzeuge helfen bei der Risikokontrolle, indem sie beispielsweise Aufzeichnungen und Audit-Trails ermöglichen sowie Backup und Recovery garantieren. So lässt sich etwa erkennen und nachverfolgen, wenn jemand das Standardformular für die Kalkulation der Brutto-Marge verändert hat.

3. Aufgepasst bei der Wahl von BI-Anbietern: BI-Plattformen und –Anwendungen sollten in der Lage sein, Berichte in die gängigen Spreadsheet-Formate exportieren zu können. Der Export der Rohdaten ist dabei der einfachste Teil. Anspruchsvoller ist das Beibehalten von Formularen, Verbindungen, Abhängigkeiten und Formaten. Deshalb sollten Anwender laut Evelson speziell auf diese Dinge achten. Das gleiche gilt insgesamt für den Datentransfer von BI-Applikationen nach Excel. Der Zugang zu den BI-Datenquellen sei der simple Part, so Evelson. Komplexer sei die Übertragung von Metadaten und das Hinzufügen von BI-Funktionalitäten, die in der Spreadsheet-Anwendung nicht vorhanden sind.

Nur 15 Prozent sind BI-tauglich

Entscheider sollten auch bedenken, dass nicht jeder Mitarbeiter mit Excel und BI-Anwendungen umgehen kann – auch wenn die Führungskräfte das selber kaum glauben mögen. Nach Einschätzung des Softwareanbieters Information Builders sind durchschnittlich 85 Prozent der Belegschaft mit derartigen Applikationen überfordert.

CFOs sollten sich auf Excel ohnehin nicht mehr als nötig verlassen. Auf die Risiken im Compliance-Bereich machte unlängst die Financial Times Deutschland aufmerksam. Wer Fehlbuchungen erst zum Jahresende beim Erstellen einer Tabelle entdecke, kann einen Compliance-Verstoß kaum mehr vermeiden. Es sei essentiell, mögliche Unregelmäßigkeiten in Echtzeit aufzudecken, heißt es in der Zeitung – auch weil Rating-Agenturen darauf verstärkt achten. Wenn sich die Küchenschabe schon nicht ausrotten lässt, sollte sie sich zumindest nicht mehr als nötig verbreiten.