Über das Kürzel VMD/PAISY wird weder in der IT- noch in der Personalabteilung bei Daimler-Chrysler in Zukunft jemand stolpern. Dieses Großrechnersystem, dessen Abkürzung ausgeschrieben "Verarbeitung Mitarbeiter Daten/Personal Abrechnung Informations-System bedeutet, ist heute, nach mittlerweile 20 Jahren, hoffnungslos veraltet.
Abgelöst wird der Mix aus Eigenentwicklungen und zugekauften Anwendungen durch eines der weltweit größten Projekte im Bereich Human Resources Management - das Projekt ePeople. Neben der Plattform von Peoplesoft sind Anwendungen des Entgeltabrechnungsspezialisten ADP Bausteine des Systems, das bis November 2004 in allen 15 Standorten und 35 Niederlassungen des Fahrzeuggeschäfts arbeiten soll. Die ePeople-Architektur ist rein webbasiert. "So können wir die Software zentral verwalten, und Mitarbeiter in aller Welt können von verschiedenen PCs in verschiedenen Netzwerken darauf zugreifen", sagt Rupert Felder, Leiter Personalprozesse Daimler-Chrysler.
Mit insgesamt fast 170 000 betroffenen Mitarbeitern ist es die größte Peoplesoft-Installation in Deutschland. Mehr als 200 Geschäftsprozesse für Personal- und Entgeltrechner, 150 automatische Workflows und 22 Auswertungswerkzeuge für Führungskräfte sind Teil der neuen Lösung.
Das Projekt startete vor knapp vier Jahren mit der Vorgabe der kompletten Neugestaltung der Personalprozesse. "Ziel war es, Standardprozesse einzuführen und sie mit Standardsoftware abzubilden", sagt Felder. "Wir haben die Software bis jetzt an der Hälfte der Standorte eingeführt. Bis November soll der gesamte Roll-out abgeschlossen sein."
Mit der Einführung verfolgt das Unternehmen zwei Ziele: Zum einen soll ePeople helfen, durch Konsolidierung der Systeme Geld zu sparen. Durch die Umstellung von papierbasierten auf digitale Prozesse werde die Mitarbeiterverwaltung zwischen zehn und 15 Prozent effektiver, heißt es im Unternehmen. Peoplesoft geht sogar von zwölf bis zwanzig Prozent Effizienzsteigerung aus. Doch auch die IT-Abteilung dürfte sparen, auch wenn dort niemand Zahlen nennen will. Immerhin werden durch die Zentralisierung 156 dezentrale Anwendungen in einem einzigen System zusammengefasst. Die neu aufgesetzte Verwaltung der Stammdaten, die Entgeltabrechnung, aber auch neue Prozesse wie beispielsweise die Bewerbungsabwicklung, die Mitarbeiterbörse und das Kompetenzmanagement werden jetzt, nach einer sechsmonatigen Pilotphase, auf der Einheitsplattform abgewickelt. Besonders von den letztgenannten drei Anwendungen erwartet Daimler-Chrysler Vorteile im Wettbewerb um die Besten. Das Unternehmen will - und das ist das zweite Projektziel - als Arbeitgeber weiter an Attraktivität gewinnen. "Es geht nicht allein um die Einführung einer Software, sondern um einen Veränderungsprozess im Personalbereich", sagt Daimler-Chrysler-Personaler Felder.
Die Personalbetreuer des Unternehmens sollen durch ePeople mehr Zeit für die Betreuung der Beschäftigten bekommen. Vielerorts ist die Personalakte in bisheriger Papierform bereits verschwunden. Manager können dafür online auf ein Bewerbermanagement, eine Mitarbeiterbörse und ein Kompetenzmanagement zum Verfolgen der individuellen Qualifikationen ihrer Mitarbeiter zurückgreifen. Und sie können selber das System füttern: mit Anforderungsprofilen für Projektmitarbeiter, die sie suchen, und mit Karrierechancen, die sie anbieten. 32 verschiedene so genannte Self Services, die durch die Manager genutzt werden, beinhaltet das ePeople-System.
Mitarbeiter werden zu Mitspielern
Mit Hilfe der neuen, webbasierten Technologien werden aber auch die Mitarbeiter in die Personalarbeit eingebunden. "Die Mitarbeiter sind jetzt Mitspieler", sagt Felder. Zu den 15 Self Services für die Beschäftigten gehören zum Beispiel die Pflege eigener Adressdaten, die Pflege und Aktualisierung des eigenen Qualifikationsprofils, das als Datensatz hinterlegt ist, die Erstellung von Bescheinigungen oder das Zeitkonten-Management.
Dieses Mehr an Verantwortung für die Beschäftigten ist für Deutschlands Personalverwaltungen eine neue Idee, von der sich erst zeigen muss, ob die Mitarbeiter sie annehmen. Verschlafen sie es, ihre Daten zu aktualisieren, hat Daimler-Chrysler das Problem, dass alle schönen neuen Auswertungswerkzeuge, mit denen die Entscheider geeignete Kräfte aus den hinterlegten Profilen herausfiltern sollen, ins Leere greifen.
Um die Akzeptanz des neuen Systems sorgt sich das Projektteam allerdings nicht. Das neue Personalmanagement-System ist Teil des Daimler-Chrysler-Mitarbeiterportals, mit dem schon jetzt etliche Beschäftigte arbeiten. Nach einem Single Sign On Dienstwagen zu reservieren, Belegschaftsaktien zu kaufen oder die eigene Altersvorsorge zu berechnen, ist im Intranet des Automobilherstellers seit drei Jahren möglich. Dass nun die Personalinhalte mit dem Portal verknüpft werden, erleichtert ihnen das Leben, glaubt Felder. "Vorher waren die Leute eine Stunde unterwegs, um eine Bescheinigung aus dem Personalbüro zu besorgen. Heute können sie das meiste online regeln." Mitarbeiter können über einen beliebigen Browser beispielsweise nach einem Umzug ihre neue Adresse eingeben oder ihren Gehaltsauszug checken - sowohl am Arbeitsplatz, als auch zu Hause, in einem Internet-Café oder an einem Kiosk-Terminal im Aufenthaltsraum eines Werkes.
Damit wird der Umgang mit dem PC aber endgültig auch für Mitarbeiter Pflicht, die bislang ohne Rechner ausgekommen sind, beispielsweise Beschäftige an den Fertigungsbändern. Dass dies eine besondere Anforderung für die Schulung der Digitalneulinge bedeutete, war Personaler Felder von Anfang an klar: "Wir sind keine Bank, wo jeder einen PC vor der Nase hat, sondern ein Produktionsbetrieb." Junge, computeraffine Auszubildende wurden deshalb mit Hilfe markanter T-Shirts zu E-Scouts erklärt, die im Gespräch unter vier Augen am Terminal alten Fabrikhasen die neueste Technik erklärten.
Computer-affine Jobkandidaten werden durch die ePeople-Architektur gleichzeitig enger denn je an das Unternehmen gebunden. Ein Besucher, der sich heute auf der Homepage von Daimler-Chrysler Deutschland bewirbt, wird unmerklich in das ePeople-Netz geleitet. Wer Angaben hinterlässt, erzeugt damit einen Datensatz, der ihn, falls er zum Konzern stößt, sein Berufsleben lang begleitet.
Geeignete Bewerber selber suchen
Die Projektverantwortlichen können sich anhand dieser Daten für ihre Arbeitsgruppen geeignete Bewerber im Firmennetz suchen. Die Mitarbeiter selbst sollen ihre Angaben fortlaufend aktuell halten und beispielsweise zusätzlich vorhandene Qualifikationen wie beispielweise einen Spanisch-Kurs vermerken. In einer Mitarbeiterbörse können sie - anonym - Interesse an einem Positionswechsel oder an der Mitarbeit an einem bestimmten Projekt bekunden. Darüber hinaus sind zurzeit 900 betriebsinterne Stellen im Intranet ausgeschrieben. "Dadurch haben die Mitarbeiter mehr Chancen denn je. Vorher konnte man, wenn man nicht in Sindelfingen arbeitete, nicht dort auf das Schwarze Brett schauen, um von interessanten Projekten zu erfahren", erklärt Felder.
Felder selbst hat auf diese Weise bereits einige Ausschreibungen für seine Projekte gestaltet und im Pool der Initiativbewerbungen und der Diplomanden nach Mitarbeitern geforscht. Die ersten helfen ihm nun, die im März in der Metallindustrie durchgesetzten Tariferhöhungen auf der Plattform abzubilden.