Ende vergangenen Jahres verzeichneten die großen IT-Anbieter des Subkontinents astronomische Wachstums-Raten: mehr als 40 Prozent die drei Alpha-Tiere TCS, Infosys und Wipro. Der etwas kleinere Anbieter Cognizant erzielte sogar 60 Prozent. Der stärkste Zuwachs speist sich laut Gartner aus dem Geschäft mit Europa: nicht nur mit Großbritannien, sondern immer mehr auch mit Firmen vom Festland.
Nach Einschätzung der Analysten bröckelt die Scheu vor dem Offshoring, die Kontinental-Europäer stets von den Anglo-Amerikanern unterschied. Und dennoch wirken Gründe für die traditionelle Zurückhaltung - die Sorge ums eigene Image in einer bei sozialen Fragen kritischen Öffentlichkeit - nach: Die Unternehmen lagern deshalb aus, ohne diesen Strategie-Wechsel in die Welt zu posaunen.
Die Provider vom Ganges reagieren darauf bereits, indem sie Personal in Europa rekrutieren: nicht nur Verkäufer, sondern auch Berater, Projekt-Manager und Mitarbeiter für Liefer-Zentren vor Ort.
Auf Augenhöhe mit eingesessenen Service-Anbietern befinden sich die indischen Dienstleister nach Einschätzung von Gartner noch nicht. Zunächst müssten sie drei Herausforderungen bewältigen:
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Verstehen lernen, wie ihre europäischen Kunden denken: Hier haben die lokalen und multinationalen Anbieter einen Vorteil durch langjährige Bindung, sie verfügen über eine ausgeprägt europäische Strategie. Demgegenüber erschienen die indischen Provider lange als opportunistische Billig-Anbieter. Es wird dauern, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Dabei ist hilfreich, was einige Anbieter schon begonnen haben: nicht nur auf niedrige Preise zu setzen, sondern auf besondere Fertigkeiten, Flexibilität oder Innovationen.
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Die Heimlichkeit von Seiten der Kunden überwinden: Noch lagern europäische Firmen oft heimlich aus. Dies widerspricht aber den strategischen Bedürfnissen der Provider aus Asien. Sie sind darauf angewiesen, ihre Erfolge auch öffentlich zu machen, um Anschluss-Aufträge an Land zu ziehen.
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Effizienz-Defizite beheben: Bislang reagieren indische Anbieter auf Auftrags-Zugewinne vor allem mit zusätzlichem Personal. Auf Dauer eine Sackgasse, meint Gartner. Wenn sich die Dienstleister nicht von ihren arbeits-intensiven Methoden in Richtung Prozess-Automation lösen, ersticken sie irgendwann an ihrem unüberschaubaren Mitarbeiter-Pool.
Nichtsdestotrotz zeigen die indischen Anbieter deutlich mehr Präsenz in Europa als jemals zuvor. Ihren Konkurrenten vom Kontinent rät Gartner deshalb zu Wachsamkeit - und zum Umbau ihrer Service- und Liefer-Strategie.
Gartner machte diese Analyse unter der Überschrift "Indian Offshore Service Providers Set Sights on Europe for Growth" öffentlich.