„Noch nie war Logistik so einfach.“ Mit dieser Botschaft werben das Fraunhofer Innovationscluster Cloud Computing für Logistik sowie die Logata GmbH für ihre „Logistics Mall“. Dabei sind die Anforderungen, die heute an moderne Lieferketten gestellt werden, alles andere als trivial: Regale müssen in den Läden zum richtigen Zeitpunkt passgenau mit den richtigen Waren befüllt werden und an den Fließbändern gilt es, in einem kontinuierlichen Prozess immer alle benötigten Teile anzuliefern, um die Produktion am Laufen und die Lagerhaltung möglichst schlank zu halten. Logistik muss heute agil, anpassungsfähig, leistungsstark und schnell sein, fordern deshalb die Experten.
Da die Prozesse in den Lieferketten teilweise sehr speziell auf bestimmte Branchen, Märkte und Unternehmen zugeschnitten sind, müssen auch die IT-Lösungen entsprechend individuell ausgestaltet sein, um die Abläufe möglichst effizient unterstützen zu können. Doch das macht die IT-Unterstützung oft komplex und aufwendig.
Das Einsatzszenario
Abhilfe soll an dieser Stelle die „Logistics Mall“ in der Cloud schaffen, versprechen die Fraunhofer-Experten. Während konventionelle Logistik-IT meist aus überdimensionierten Systemen bestehe, die laufend aktualisiert und angepasst werden müssten, seien Anwender in der Logistics Mall in der Lage ihre Anforderungen in den Lieferketten flexibel und passgenau abzudecken.
Die Cloud-Plattform adressiert Softwareentwickler wie Endanwender gleichermaßen. Fraunhofer beschreibt die Logistics Mall als ein virtuelles Einkaufszentrum, in dem Logistik-Software-as-a-Service angeboten wird. Softwarehersteller könnten hier ihre Produkte sowohl als komplette Anwendungen wie auch als einzelne Bausteine und Dienste anbieten. Anwenderunternehmen wiederum seien so in der Lage, das passende Softwarepaket individuell auszuwählen beziehungsweise sich einzelne Funktionen anbieterübergreifend zu einem Logistikprozess zusammenzustellen.
Die Cloud-Lösung
Die Cloud-Plattform geht auf das Fraunhofer Innovationscluster „Logistics Mall – Cloud Computing für Logistik“ zurück. Daran beteiligt sind die beiden Fraunhofer Institute für Materialfluss und Logistik IML sowie für Software und Systemtechnik ISST. Mit involviert sind auch das Land Nordrhein-Westfalen, das Fördermittel bereitgestellt hat, sowie die Logata GmbH. Gestartet wurde das Cloud-Projekt Anfang 2010, geplanter Abschluss ist Ende des Jahres. Nach Angaben der Verantwortlichen handelt es sich um das weltweit größte Cloud-Computing-Forschungsprojekt im Bereich Logistik. Drei Ausbaustufen machen dabei die Logistics Mall aus:
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In der ersten Ausbaustufe haben die Endanwender die Möglichkeit, in der Cloud Logistikanwendungen zu bestellen und als Software-as-a-Service (SaaS) zu nutzen.
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In der zweiten Stufe stellt die Cloud-Plattform darüber hinaus eine Infrastruktur bereit, mit deren Hilfe einzelne Logistikanwendungen auch unterschiedlicher Anbieter Daten austauschen sowie auf ein zentrales mandantenfähiges Repository zugreifen können.
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Die dritte Ausbaustufe schließlich soll den Anwendern erlauben, ganze Geschäftsprozesse aus einzelnen granularen Softwareservices zu modellieren.
Aktuell bieten zwölf Anbieter ihre Produkte in der Logistics Mall an. Unter den Nutzern finden sich bereits klangvolle Namen. Beispielsweise nutzt der Automobilhersteller Audi eine Lösung des Fraunhofer-Spinoffs LinogistiX GmbH, um das Tracking und Tracing von Lieferungen aus China nach Europa umzusetzen. Ziel dabei war es, die Transparenz der Lieferkette durch eine lückenlose Auftragsverfolgung und Dokumentation zu verbessern.
Die Technik
Betrieben wird die Logistics Mall von der Logata GmbH, einem Logistikdienstleister und Rechenzentrumsbetreiber. Um die Akzeptanz der Cloud-Plattform zu erhöhen, sollte die Einstiegshürden für Softwareanbieter möglichst niedrig gehalten werden, so das Ziel der Projektverantwortlichen. Nach Angaben der Betreiber ließen sich bereits bestehende Web-Anwendungen mit geringem Aufwand für die Nutzung auf der Cloud-Plattform anpassen.
Das betreffe in erster Linie die Implementierung einer Schnittstelle, um Transaktionen beispielsweise für die nutzungsbasierte Abrechnung zu erfassen sowie die Anbindung eines Authentifizierungssystems. Weitergehende Anpassungen seien notwendig, um die Logistikanwendungen aus der Cloud für die höheren Ausbaustufen vorzubereiten. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Kompatibilität in Sachen Datenaustausch, der notwendigen Prozessstabilität sowie einer einheitlichen Benutzerführung gewährleistet sein. Die Plattformbetreiber bieten den Softwareanbietern dafür Vorlagen und Programmierbeispiele, anhand derer ersichtlich sein soll, welche Anforderungen erfüllt werden müssen.
Die Interaktion zwischen den Anwendungen und Diensten erfolgt über einheitliche Geschäftsobjekte, sogenannten Business Objects. Alle öffentlichen Schnittstellen müssen die benötigten Daten in Form von Geschäftsobjekten entgegennehmen und zurücksenden können, lautet die Anforderung. Damit das Zusammenspiel auf der Cloud-Plattform funktioniert, müssen Anwendungen und Services einen Zertifizierungsprozess durchlaufen.
Sämtliche Daten werden in einem Rechenzentrum der Logata GmbH in Deutschland vorgehalten – ein wichtiger Aspekt in Sachen Einhaltung von Compliance-Vorgaben. Für den Betrieb der Logistikplattform werden darüber hinaus keine weiteren externen Cloud-Ressourcen genutzt. Die Logistics Mall stellt Betreiberangaben zufolge vielmehr selbst eine Betriebs- und Laufzeitumgebung für die Softwareservices bereit.
Der Business-Nutzen
Im Vorfeld des Projekts hat das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik die Chancen der geplanten Cloud-Plattform abgeklopft. Eine Umfrage hatte ergeben, dass sich 60 Prozent der befragten Unternehmen vorstellen konnten, Logistiksoftware aus der Cloud zu nutzen.
Zu den Vorteilen für die Anwender zählt der Betreiber die schnelle Bereitstellung von Software, individuell kombinierbare Services sowie eine nutzungsabhängige Abrechnung. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die genauso wie Großunternehmen auf flexible IT-Lösungen angewiesen sind, sich diese aber bis dato nicht leisten konnten, seien nun mit der Cloud in der Lage, eine konkurrenzfähige Software-Unterstützung zu beziehen. Softwareanbieter müssten sich in der Logistics Mall nicht um den Vertrieb und Betrieb ihrer eigenen Lösungen kümmern.
Darüber hinaus hat der Cloud-Betreiber eigenen Angaben zufolge auch das Verhältnis zwischen Software-Anbieter und -Anwender im Blick. Dafür gibt es beispielsweise fest definierte Service Level Agreements (SLAs). Im Umfeld komplexerer Cloud-Strukturen, wie sie in der dritten Ausbaustufe bei der Orchestrierung verschiedener Cloud-Services zu beobachten sind, kooperieren die Betreiber mit juristischen Lehrstühlen, die an belastbaren Vertragsentwürfen arbeiten. Wenn einmal etwas nicht funktioniert, soll schließlich nicht der Kunde den Schwarzen Peter in der Hand halten, wenn sich die Anbieter gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. (Computerwoche)