Der Grund für einen Provider-Wechsel liegt für Patrick Heiliger auf der Hand: geringere Kosten. Auf 30 bis 35 Prozent beziffert der Abteilungsleiter für das Provider-Management die Einsparungen nach dem fliegenden Wechsel der Provider. "Provider-Wechsel waren vor wenigen Jahren auch für die Provider noch Neuland", betont der Physiker Heiliger, der einst über Elementarteilchen promoviert hat und weiß, dass die kleinsten Bausteine der Materie berechenbaren Wechselwirkungen unterliegen. Er weiß auch, dass diese Gesetze nicht unbedingt auf das Zusammentreffen von Provider und Ex-Provider zu übertragen sind. Denn längst nicht alles ist absehbar. Deshalb plädiert Heiliger für durchdachte Verträge, die ein Beendigungs-Management beinhalten.
Ein Drittel der auslagernden Unternehmen vernachlässigen es nach Angaben einer etwas veralteten Studie von TechConsult und Lünendonk aus dem Jahr 2004, das Beendigungs-Management im Vertragswerk zu berücksichtigen. "Der Anteil liegt eher noch höher", meint Markus Sengpiel aus der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft in Köln heute, "und wenn Regeln zur Beendigung berücksichtigt sind, dann oft rudimentär - hier gibt es einen erheblichen Nachholbedarf.“ Anscheinend hat sich an der Einstellung der CIOs in Hinblick auf die Bedeutung des Vertragswerks in der Zwischenzeit wenig getan. So ist es etwa nicht unüblich, dass der Vertrag noch verhandelt wird, obwohl die Implementierung schon begonnen hat. "Etwa 50 Prozent der Unternehmen haben den Vertrag bei Beginn der Zusammenarbeit noch nicht mal unterschrieben“, schätzt Sengpiel, der aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Ernst & Young viel mit IT-Kunden zu tun hat.
Dienstleistungen voneinander trennen
Der geschasste Outsourcer erfüllt seine Pflichten nur so weit, wie er muss. Auch wenn Sengpiel beschwichtigt, dass es "meist zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen Kunde und Outsourcer kommt - man könnte ja noch einmal miteinander zu tun bekommen“. Seine Forderung: in Klauseln die Übergabe exakt regeln und die einzelnen Dienstleistungen im Vertrag exakt voneinander trennen. Der Vorteil: Neue Provider können später einzelne Dienstleistungen aus einem bestehenden Vertrag heraus übernehmen, ohne dass es juristische Probleme gibt.
Besonders pikant ist nach den Erfahrungen der Union Investment die Übergabephase zwischen dem alten und dem neuen Dienstleister. In der sogenannten Shadowing-Phase sitzt der Neue dem Alten wie ein Schatten im Nacken. "Vorbehalte auf der einen Seite, Zurückhaltung auf der anderen sind nicht abzustreiten“, meint Heiliger, der aus den Erfahrungen des Übergangs eine Art Leitfaden für weitere "Übergänge“ entwickelt hat.
Ein besonderes Augenmerk auf den Know-how-Übergang legen, lautet die erste Erkenntnis. Die Shadowing-Phase ist entscheidend in der ersten Phase des Übergangs, von dem zudem der Anwender möglichst nichts mit bekommen soll. Wichtig - Erkenntnis 2 - ist es, eine Option für den Fall in der Hinterhand zu haben, dass der Betriebsübergang nicht so funktioniert. So ließe sich etwa vertraglich regeln, dass eine Weiterführung des bestehenden Vertrags zu definierten Kosten möglich ist. "Diese Regelung ist wichtig, sonst schießen die Preise für den Weiterbetrieb mit dem alten Dienstleister in die Höhe", ist sich Heiliger sicher.
Neuer Partner mit Prozess-Know-How
Dritte Erkenntnis: Die Stringenz der Betriebsprozesse hat einen Einfluss auf die Prozesse des Betreibers. Wenn der Dienstleister nicht prozessorientiert aufgestellt ist, also das von der Union Investment aufgestellte Betreibermodell nicht erfüllen kann, macht eine Zusammenarbeit keinen Sinn. "Der Fokus der Partnerauswahl richtet sich auf diejenigen, die in der Lage sind, geschäftsprozessbezogene Service-Levels, etwa auf die Fondpreisberechnung, zu gewährleisten anstatt nur die Verfügbarkeit von Hardware“, erläutert Heiliger.
Seit 2000 kein IT-Betrieb mehr inhouse
Union Investment bezeichnet sich selbst als erfahren im Outsourcing. "Seit 2000 wird kein IT-Betrieb mehr im Haus erledigt“ , sagt Heiliger. Heute übernimmt die GAD für den Investmentprozess den Infrastrukturservice, den Systembetrieb und die Anwendungsbetreuung bis zum "2nd Level“. Für den "3rd Level“ und die Applikationsentwicklung setzen die Frankfurter ebenfalls auf spezialisierte Dienstleister, die schon seit Jahren für das Investmenthaus arbeiten. Der Prozess ist also quasi vollständig ausgelagert. Das macht die Übertragung der Aufgaben auf einen anderen Dienstleister nicht einfacher. Eine Menge neuer Erfahrungswerte der IT-Tochter Union IT-Services ist entsprechend bei der Analyse des Übergangs 2004/05 auf T-Systems und die GAD herausgekommen. Von etwa 140 Mitarbeitern sind nach Gartner-Empfehlungen zwischen sieben und zwölf Prozent der Mitarbeiter mit der Abwicklung und Betreuung der externen Partner betraut. Die restlichen Aufgaben fungieren als Vermittler zwischen den Fachbereichen und der IT.
Für alle künftigen Verträge gilt ab sofort ein "Standardrahmenvertrag“, in dem das Beendigungs-Management noch detaillierter als bisher berücksichtigt ist. "Derart detaillierte Regelungen haben die meisten potenziellen Partner noch nicht gesehen“, meint Heiliger. Darin ist dann etwa festgelegt, dass die Service-Level-Vereinbarungen gegenüber den Fachbereichen auch während des Outsourcer-Wechsels einzuhalten sind.
Schon anderthalb Jahre sind seit der Unterschrift unter die neuen Outsourcing-Verträge mit T-Systems und der GAD vergangen - unter Drei-Jahres-Verträge. "Ich persönliche tendiere zu Fünf-Jahres-Verträgen“, bekennt Heiliger selbstkritisch, "natürlich unter Beachtung jeweils spezifischer Besonderheiten.“ Nach den Erfahrungen von Union IT-Services dauert es ein Jahr, bis die Prozesse geglättet sind, ein weiteres Jahr, bis sie sauber laufen. Und im dritten Jahr ist dann bereits wieder die neue Ausschreibung für den neuen Dienstleister nötig, der natürlich auch der alte sein kann.
Doch auch durch Fünf-Jahres-Pläne ist ein Auftraggeber nicht vor Überraschungen gefeit: "Im Bereich des Hard- und Software-Asset-Managements scheint die oft proklamierte Industrialisierung der IT noch weit weg zu sein - die Datenqualität könnte ein ums andere Mal besser sein“, sagt Heiliger erstaunt. Er vermutet, dass die Ursache in der fehlenden Prozesstreue von Dienstleistern liegt. Besonders in Hinsicht auf IFRS-Reports ist es allerdings nötig zu wissen, wo Hard- und Software betrieben werden.
Weitere Überraschungen bot das Ausland. So ist Luxemburg als Standort für die Investmentbank sehr wichtig. Die dortigen Gesetze verlangen von Providern, die für Banken arbeiten, dass diese über eine "ortsansässige Gesellschaft mit Geschäftsführung verfügen und dort Eigenkapital aufbauen“. "Das bedeutet oft einen großen Aufwand, die Provider dorthin zu bringen“, konstatiert Heiliger von Union Investment. Auch wenn ein Provider seine eigenen Geschäfte aus dem günstigeren Ausland, etwa aus Osteueropa, erbringen lässt, muss dies vom Auftraggeber beim Bundesaufsichtsamt gemeldet werden.