RECHENZENTRUM BAYERISCHER GENOSSENSCHAFTS BANKEN

Flotte Genossen

01.04.2002 von Andreas Schmitz
Für die Verbesserung der IT in den 477 Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern gibt das Rechenzentrum Bayerischer Genossenschaftsbanken jährlich 60 Millionen Euro aus. Das selbst entwickelte Java Banking Framework bringt neue Anwendungen doppelt so schnell zum Laufen wie bisher.

„EIN BISSCHEN VERRÜCKT sind wir schon“, sagt Klaus-Peter Bruns. Er ist Chef-Software-Entwickler im Münchener Rechenzentrum der Bayerischen Genossenschaftsbanken (RBG). Mag der eine oder andere Analyst über „monolithische Frameworks“ noch so schimpfen – die sechsköpfige Kernmannschaft lässt sich von ihrer Mission nicht abbringen: Standards einzubauen so weit wie möglich und individuelle Software zu entwickeln, wo nötig. Die Basis dafür bildet das Java Banking Framework (JBF) der Genossen.

 Mithilfe von Systemgrundbausteinen, den Frameworks, lassen sich individuelle und leicht bedienbare Software- Applikationen erstellen – mit einem minimalen Aufwand an spezieller Programmierung. Die Entwicklung von Lösungen wird auf diese Weise äußerst effizient, weil sich die Entwicklungsgeschwindigkeit mindestens verdoppelt, manchmal sogar verfünffacht. „Gerade bei einem Markt, der sich schnell ändert, ist es dringend nötig, dass wir ebenso schnell reagieren“, meint Bruns. „Mobile Anwendungen im Bankgeschäft oder der elektronische Wertpapierhandel sind existenzkritisch geworden.“

 Das alles ist inzwischen kein Problem mehr für die Programmierer des Rechenzentrums. „Während wir für unsere alten OS/2-Anwendungen noch rund vier Wochen Entwicklungszeit einplanen mussten, kommen die Entwickler heute mit einer Woche aus“, erläutert Klaus- Peter Bruns. Das IT-Team entwickelte beispielsweise innerhalb nur eines Jahres das Programm Genobroker, das im Wertpapierhandel zum Einsatz kommt. JBF als Entwicklungsumgebung mit einheitlicher Architektur machte das möglich.

 Eine ausgeprägte dezentrale Anwendungsstruktur war für die IT der RBG kennzeichnend – vor dem Einstieg der gläubigen Java-Anhänger vor drei Jahren. Allein in Bayern waren insgesamt 6000 Server für die 477 Volksund Raiffeisenbanken nötig, um Millionen von täglichen Transaktionen abwickeln zu können. Neben einem zentralen Rechner für das operative Bankgeschäft wurde damals eine Client-Server-Umgebung aufgebaut. Bruns: „Anwendungen wie Brokerage, Zahlungsverkehr und die Kreditsachbearbeitung liefen auf dem Betriebssystem OS/2 von IBM, das inzwischen fast nur noch Banken benutzten. Das OS/2-System erforderte eine Vielzahl von Servern für jede einzelne Bank, die die Clients vor Ort versorgten.“

 Das Framework soll nun bis 2005 nach und nach sämtliche alten, OS/2-basierten Anwendungen ablösen, zum Beispiel die in Cobol programmierte Vermögensfinanzanalyse. Bruns JBF-basierten Anwendungen ist es jedoch „völlig egal, ob sie auf einem OS/2-System oder einem Großrechner laufen – beides geht“. Die Anwendungen lassen sich zentral betreiben. Der Software- Entwickler hofft deshalb, dass bald nur noch etwa zehn Prozent der bislang in München aufgestellten Server für die Arbeit nötig sind.

 Neun von zehn Servern sind nun überflüssig

Framework-Strukturen sind manchmal außerordentlich komplex. „Superstrukturen“ frotzelt die Zeitschrift Information Week. Doch diese Analyse bringt den IT-Architekten Bruns nicht aus dem Konzept. Sein JBF weise lediglich einen Bruchteil der Komplexität des Framework beim Software-Riesen IBM auf – 1000 Software- Bausteine gegenüber 30000. „Wir belasten unser Framework nicht mit Komponenten, die wir nicht brauchen“, sagt Bruns. Anwendungsbezogen möchte er die Systembausteine ständig weiterentwickeln. „Im Fokus steht dabei immer der Kunde.“

 Klaus-Peter Bruns’ Ansatz zahlt sich nach einer Analyse der Giga Information Group aus: „Neue Anwendungen lassen sich jetzt doppelt so schnell entwickeln wie bisher“, urteilt Giga-Experte Jens Hoppermann, der das Java Banking Framework im Auftrag der Genossen untersuchte. Der Aufwand für die Einbindung der Endkunden habe sich vereinfacht. Beim Online-Handel mit Optionsscheinen etwa war das Basisprodukt mit dem Genobroker schon fertig. Die Anpassungen waren deshalb schnell und einfach zu erledigen. Für die Entwicklung gab die Rechenzentrale rund 200 Mannmonate, also etwa drei Millionen Euro aus. Die Übertragung ins Web oder auf mobile Geräte kostete dann nur noch zwischen vier und fünf Millionen Euro.

 Standard für alle Genossen-RZs

Auch bei Fiducia, dem zweiten der drei IT-Dienstleister bei den Genossenschaftsbanken, läuft die erste Anwendung inzwischen auf JBF. Fehlt als letzter IT-Spezialist der RBG nur die in Münster ansässige Gesellschaft für automatische Datenverarbeitung. „Es ist der ausdrückliche Wunsch der DZ-Bank als genossenschaftlicher Zentralbank, dass dort die gleichen bankfachlichen Funktionen zur Verfügung stehen wie bei Fiducia und dem Rechenzentrum Bayerischer Genossenschaftsbanken“, betont Ralf Bringmann, verantwortlich für Projekt- und Prozessmanagement bei der DZ-Bank. Dank einer einheitlichen Basis für alle IT-Dienstleister sollen künftig sämtliche Anwendungen der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken auf nur einem System laufen. Alles im Rahmen gewissermaßen.