Im Büro von Adrian Polaczek ist die Luftfahrt allgegenwärtig. Hinter dem Monitor hängt ein Bild der 728 von Fairchild-Dornier. Gegenüber steuert ein Airbus 340 auf den Betrachter zu. Selbst im Sekretariat dominieren die Flugzeuge an den Wänden. "Die Fotos hatte ich aber schon, bevor Herr Polaczek kam", sagt die Sekretärin, die offensichtlich den passenden Chef gefunden hat. Polaczek hat ihre Sammlung nur um die Dornier 328 ergänzt, ein Flugzeug, an der er selbst als Ingenieur der Luft- und Raumfahrttechnik mitgebaut hat.
Seit anderthalb Jahren arbeitet der Flugzeug-Fan nun als IT-Leiter in einem Unternehmen, das nichts mit Luftfahrt zu tun hat. Krauss-Maffei Kunststofftechnik stellt Maschinen her, die Kunststoff zu komplexen Bauteilen verarbeiten, CDs und DVDs pressen oder Rohre, Profile und Folien ziehen. Polaczek hat sich mit den Spritzgieß-, Reaktions- und Extrusionsmaschinen angefreundet: "Es ist zwar faszinierend, wenn Sie draußen beim Erstflug eines neuen Flugzeugs dabei sein können", resümiert der ehemalige Interims-CIO von Fairchild-Dornier, der bereits vor dem Konkurs zur Krauss-Maffei Kunststofftechnik wechselte. "Aber es ist nicht weniger spannend, wenn Sie in der Fertigung miterleben, wie Maschinen für komplexe Anforderungen entstehen und wie oft Ihnen die darauf hergestellten Bauteile im Alltag über den Weg laufen. Da betrachten Sie ein Auto mit ganz anderen Augen." Dass in seinem Zimmer bislang die Flugzeugbilder überwiegen, liegt daran, dass Doppelschneckenextruder oder Mischkopfmanipulatoren nicht so fotogen sind. Aber Polaczek ist sicher, demnächst auch in seinem neuen Unternehmen sehenswerte Exponate für sein Büro zu finden.
Lokomotiven, Panzer, Rechenzentren
Auf dem Werksgelände in München-Allach gibt es einige gute Motive: Ein paar Hallen hinter Polaczeks Büro entstehen Lokomotiven. Drüben, auf der anderen Seite der Krauss-Maffei-Straße, warten und entwickeln Mitarbeiter der Krauss-Maffei Wegmann GmbH und Co. KG Panzer. Historisch bedingt betreibt die Kunststofftechnik dort im Keller ihr Rechenzentrum. In den nächsten Monaten wird aber die Bindung an die Kollegen der Wehrtechnik weiter nachlassen. Die RZ-Mitarbeiter ziehen gerade bei Krauss-Maffei Wegmann aus, obwohl sie weiterhin IT-Dienste für das Rüstungsunternehmenerbringen. Polaczek will seine IT komplett in einemGebäude innerhalb des eigenen Geländes haben, um den Zusammenhalt mit der Kunststofftechnik zu fördern. Das Rechenzentrum soll mittelfristig ebenfalls in eigene Räumlichkeiten einziehen.
Wer für welche Firma entlang der Krauss-Maffei-Straße arbeitet, ist spätestens seit dem Auftreten von Siemens und Mannesmann in der 165-jährigen Firmengeschichte nicht einfach zu durchschauen. Die Krauss-Maffei Kunststofftechnik gehört zur Mannesmann Plastic Machinery GmbH (MPM), dem weltweit größten Hersteller von Kunststoff-Spritzgießmaschinen, und die wiederum zur Finanzholding Kohlberg, Kravis and Roberts (KKR). Für Polaczek heißt das, dass er gelegentlich in eine, wie er es nennt, Sandwich-Position gerät: "Als IT sitzen Sie immer dazwischen, wenn sich Holding und GmbH nicht einig sind."
Arbeiten ohne offizielle Strategie
Der Entwurf für eine einheitliche IT-Strategie des Konzerns steht zwar, bislang hat man sich jedoch noch nicht durchringen können, diese auch zu verabschieden.Solange der Konzern eine Mehrmarkenstrategie fährt und die sechs Marken der MPM gehalten sind, selbstständig am Markt zu operieren und auch ihr Ergebnis ohne fremde Hilfe zu erreichen, möchte sich keiner der operativ Verantwortlichen allzu sehr in das Tagesgeschäft hineinregieren lassen.
Standardisierung als oberstes Ziel
Polaczek hat diesen Wert unter anderem durch Standardisierung erreicht, was nicht bei allen Mitarbeitern gut ankam. Viele Programmierer neigen dazu, bei neuen Anforderungen eigene Lösungen zu bauen. Lösungen zu kaufen gilt als Kapitulation. Polaczek hegt Sympathie für diesen Ansatz: Als Ingenieur liebt er es, eigenständig Lösungen zu entwickeln, auch wenn es solche schon zu kaufen gibt. Aber als IT-Leiter hat er ein Budget mit 45 Prozent Personalkostenanteil zu verantworten: "Wir haben ein strukturelles Problem: Wir kommen von der Individualprogrammierung", sagt Polaczek, dessen Hauptaufgabe nächstes Jahr die Einführung eines neuen SAP-Release sein wird. Hier wird es dann auch heißen: "Zurück zum Standard, wo immer möglich", meint der IT-Leiter: "Viele Programmierer sind dabei allerdings in ihrer Persönlichkeitsstruktur überfordert."
Kündigung nur als letztes Mittel
Krauss-Maffei ist kein Unternehmen, das bei solchen Problemen nur mit Kündigungen reagiert. Zwar hat Polaczek sein Team mittlerweile von mehr als 40 Mitarbeitern auf 35 verkleinern müssen, allerdings sei dies in den meisten Fällen arbeitnehmerfreundlich verlaufen, zum Beispiel über Aufhebungsverträge oder durchfirmeninterne Versetzungen. Auch der Vorruhestand sei gangbar, meint Polaczek - wenn auch "nicht schön für den Steuerzahler". Grundsätzlich sei man bemüht, die Mitarbeiter möglichst lange im Unternehmen zu halten, was sich auch in der durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von rund 15 Jahren ausdrückt. "Ich finde, das spricht für das Unternehmen", lobt Polaczek, schränkt jedoch ein, dass 15 Jahre für einen Mitarbeiter in der Fertigung ein guter Wert sind, nicht aber für einen CIO.
Seinen eigenen Job vergleicht er mit dem eines Fußballtrainers in der Bundesliga, der bekanntlich selten 15 Jahre bei einem Club verweilt. Ein Trainer müsse ständig Spieler und Randbedingungen beobachten und Initiativen ändern. Das erfordere eine höhere Flexibilität als bei normalen Angestellten. Außerdem sieht Polaczek eine weitere Parallele zur Bundesliga: "Ein Trainer muss Fachleute zusammenbringen, er muss nicht selbst Fachmann sein. Um die Menschen in seinem Unternehmen kennen zu lernen, hat der IT-Leiter bei Krauss-Maffei zu Beginn seiner Amtszeit drei Monate Zeitbekommen, in der er nicht mehr erbringen musste, als Leute zu kontakten. "Das sind optimale Voraussetzungen für einen CIO, sagt Polaczek: "Es will ja nicht jeder gleich mit Ihnen diskutieren. Viele haben Angst, sich eine Blöße zu geben, wenn es zu technisch wird.
Der IT-Leiter schätzt diese Art der Unternehmenskultur, die Zeit zur Annährung an die Menschen bietet und ihre Bedürfnissse ernst nimmt. Bei FairchildDornier lag die durchschnittliche Betriebzugehörigkeit zum Schluss bei zirka drei Jahren. Gepaart mit derständigen Unsicherheit des Unternehmens in punctoFinanzen war dies ein Grund, warum der Flugzeugbauer Polaczek sein Metier gewechselt hat. Im Krisenjahr 1994, nach dem Kauf Dorniers durch den Daimler-Konzern, kam ihm dann die Erkenntnis: "Man kann ja auch im Flugzeugbau arbeiten, ohne sich zu sehr auf ihn zu fixieren." Was die IT betrifft, hatte er bis dahin gerade mal ein paar Erfahrungen im Bereich Fortran-Programmierung, CAD und PDM gesammelt.
"Ich habe nie geplant, mal in der IT zu landen", sagt Adrian Polaczek. Dass es schließlich doch so gekommen ist, liegt möglicherweise auch an "Leisure Larry". Der Held des gleichnamigen Abenteuerspiels betrat 1987 die Computerwelt - ein Jahr, bevor Polaczek dort landete. Auf seinem 286er hat Larry dem damaligen Projektingenieur dann eine Ahnung vermittelt, was in Zukunft auf den grauen Kisten alles möglich sein könnte. "Ich bin nicht der klassische Karrieretyp", sagt Polaczek über sich selbst: "Was ich heute vorweisen kann, ist auch über den Spaß an meiner Arbeit gekommen."
Zur Person: Adrian Polaczek (41)
Seit 2002 Leiter Informationstechnologie bei der Krauss-Maffei-Kunststofftechnik GmbH, 1999 - 2002 Leiter Engineering IT-Systeme und E-Business bei der Fairchild Dornier GmbH, 1994 - 1999 Verschiedene Managementaufgaben innerhalb des Technikbereichs bei der Dornier Luftfahrt GmbH, 1987 - 1994 Projektingenieur bei der Dornier GmbH, 1987 Abschluss zum Dipl.-Ing. Luft- und Raumfahrttechnik an der FH Aachen