Microsoft hat vor kurzem sein neues Client-Betriebssystem Windows 8 auf den Markt gebracht, das mit der Kacheloberfläche ein neues Bedienkonzept wie auch funktionelle Änderungen mitbringt. Doch sowohl Privatanwender als auch Unternehmen, die frühere Windows-Versionen einsetzen, zögern noch mit der Umstellung.
Windows 8: Konsumenten und CIOs zögern
70 Prozent der Microsoft-Windows-User wollen in der näheren Zukunft nicht auf die aktuelle Betriebssystemversion wechseln. Das ergab eine Umfrage des US-Antivirensoftwareherstellers Avast unter weltweit 350.000 Kunden. 65 Prozent der Umfrageteilnehmer setzen derzeit Windows 7 ein, acht Prozent Windows Vista und immerhin 22 Prozent vertrauen noch auf Windows XP.
Auch CIOs in Unternehmen springen noch nicht auf den Windows-8-Zug auf. David Johnson, Analyst beim US-Marktforscher Forrester Research, listet in seinem Blog sieben Gründe auf, warum sich in Firmen Windows 8 in den nächsten zwei Jahren nicht durchsetzen wird.
Erstens: Nur vier Prozent wollen in den nächsten zwölf Monaten auf das aktuelle Betriebssystem umsteigen. Die meisten IT-Abteilungen sind laut David Johnson derzeit noch mit der Migration der Desktops von Windows XP auf Windows 7 beschäftigt, was arbeitsintensiv und teuer ist.
Der Analyst geht davon aus, dass - legt man einen Drei-Jahres-Lebenszyklus für PC-Hardware zugrunde - nur wenige Firmen in den nächsten Jahren scharf darauf sind, viel Geld in ein weiteres Projekt zur Betriebssystem-Migration zu stecken.
Windows 7 reicht in vielen Fällen aus
Zweitens: Für die meisten Unternehmen sind die Sicherheitsfunktionen, die Windows 7 bietet, völlig ausreichend, obwohl Windows 8 hier mit Features wie "Trusted Boot", einer dynamischen Zugangskontrolle und Verbesserungen beim Bitlocker deutliche Fortschritte gemacht hat. Bei der Betriebssystem-Verwaltung ist der Zusatznutzen nur minimal, denn diese unterscheidet sich kaum von der in Windows 7.
Drittens: Viele Anwender arbeiten nach der Devise, dass IT-Tools einfach und verständlich sein müssen, um Arbeitsaufgaben angemessen erledigen zu können. Der Forrester-Analyst glaubt, dass für die meisten Angestellten, die so denken, Windows 7 die adäquate Lösung ist. Bei Windows 8 würden die User durch den Wegfall vertrauter Attribute, etwa des Start-Buttons für die Navigation, verwirrt und benötigten zusätzliche Schulungen und mehr Support.
Windows 8 oder RT: Anwender sind verwirrt
Viertens: Geschäftsanwender, die Arbeitsaufgaben nach der Devise "Bring your own Device (ByoD) mit dem eigenen Mobilgerät erledigen, werden durch die Editionen Windows RT und Windows 8 verwirrt. Der Unterschied zwischen Windows 8 und RT ist laut Johnson nicht ersichtlich, weil sich die Oberflächen äußerlich nicht unterscheiden. Allerdings seien nicht alle Windows-8-Applikationen auch mit RT kompatibel. Sie müssten neu programmiert und umgeschrieben werden, damit User sie auf einem RT-Gerät installieren können. Die RT-Edition des Windows-Betriebssystems basiere nämlich auf der ARM-Prozessorarchitektur, wie sie bei Tablet-Computern eingesetzt wird. Sie werde zudem ausschließlich vorinstalliert auf neuen Geräten ausgeliefert.
Bisher nur 10.000 Apps für Windows 8
Fünftens: Ein Nachteil ist aus Sicht des Analysten auch, dass im Windows-8-Appstore derzeit nur rund 10.000 Apps zur Auswahl stehen - für RT gibt es nur 4000 Apps. Das wird die Nachfrage nach Windows-Tablets stark abkühlen. Zum Vergleich: Im Applestore werden über 275.000 Apps für iOS angeboten. Bis das Ökosystem der Microsoft-Entwickler diesen Vorsprung aufholt, wird mindestens ein Jahr vergehen, obwohl die berührungsempfindlichen Features eine Hauptattraktion für Kunden sind.
Sechstens: Im Vergleich zu anderen mobilen Betriebssystemen verschlingt Windows 8 auf einem Tablet wesentlich mehr Ressourcen. Es handelt sich, so David Johnson, um ein komplettes Desktop-Betriebssystem. Die Möglichkeit, ein Windows 8 sowohl am Tablet wie auch am PC zu nutzen ist zwar verführerisch, allerdings noch nicht ausgereift. So kann die Batterieleistung der Windows-8-Tablethardware, die auf Intel-Core-i5- oder -i7-Prozessoren basiert, nicht mit den Konkurrenzprodukten von Apple (iPad)oder Samsung (Galaxy Tab) mithalten.
Hardware-Hersteller als Hindernis
Siebtens: Last but not least könnte sich auch das stark fragmentierte Ökosystem der Hardware-Hersteller als Hindernis erweisen. Unternehmen kaufen Hardware primär nach Kriterien wie Verlässlichkeit und Preis ein, während Konsumenten beim Kauf auf den Preis und die Features achten. Diese Preissensibilität könnte es Herstellern von Tablet-PCs schwierig machen, sich durch einzigartige Produkte zu differenzieren. Hinzu kommt, dass Anwender durch die Vielfalt an Geräten mit Windows-8- und Windows-RT-fähiger Hardware verwirrt werden.
Johnson rät Firmen daher, zunächst ihre Migrationsprojekte auf Windows 7 zu beschleunigen, sich gleichzeitig aber für kurzfristige Anforderungen der Business-Anwender vorzubereiten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Integration Windows-8-basierter Geräte, die nach dem ByoD-Prinzip genutzt werden.