Die Hälfte unserer künftigen Facebook-Freunde kann vorhergesagt werden, sagt Jure Leskovec von der Stanford University. Er hat eines der acht diesjährigen Microsoft Research Faculty Fellowships gewonnen.
Leskovec arbeitet an der Hochschule im kalifornischen Palo Alto als "Assistant Professor" für Informatik. Der 31-Jährige untersucht die Spuren, die Menschen auf ihrem Weg durchs Internet hinterlassen. Ob jemand einen Artikel auf einer Nachrichten-Website liest, einen Blog-Post schreibt oder den Tweet eines anderen weiterleitet: Es sind Daten wie diese, die Leskovec sammelt, um menschliches Verhalten im Internet zu analysieren - und vorherzusagen. Dasselbe macht er mit Daten aus sozialen Netzwerken.
Lernfähige Analyse-Methoden
"Solche Daten zeigen, dass es nicht so zufallsgesteuert ist, wie wir oft denken, wer unser nächster Freund auf Facebook sein wird", sagt Leskovec. Er hat unlängst ein Projekt mit den Betreibern des Netzwerks abgeschlossen. Basierend auf Informationen über die persönlichen Netzwerke von Benutzern und deren Kommunikation konnte der Informatiker im Voraus die Hälfte der neuen Kontakte ermitteln, die sie wenig später als Freunde hinzufügten.
Das heißt allerdings auch: Die andere Hälfte konnte Leskovec nicht durch seine Analysen vorhersagen. In Zukunft soll die Rate der korrekt vorhergesagten neuen Freunde aber höher sein. "Wir sind in der Lage, die Analyse-Methoden zu trainieren", sagt er.
Erkenntnisse wie diese könnten verwendet werden, um Modelle zu entwickeln, wie Online-Gruppen im Laufe der Zeit wachsen. "Damit werden wir bald diagnostizieren können, wie gesund ein soziales Netzwerk ist", sagt Leskovec. Gemäß seiner bisherigen Analysen darf ein soziales Netzwerk weder zu dünn noch zu dicht gewebt sein. "Unsere Forschungsergebnisse legen nahe, dass es schlecht sein kann, ein Netzwerk zu sättigen", berichtet er. Das heißt, zu viele Kontakte und zu viel Kommunikation könnten eines Tages Vitalität und Wachstum in einem Netzwerk behindern.
Instant-Messenger-Nutzer kennen sich über 6,6 Ecken
Ein weiteres Projekt, das Leskovec gerade abgeschlossen hat, war eine Analyse der User-Community des Microsoft Instant Messenger. Das Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit Microsoft belegte die Hypothese der "Six Degrees of Separation". Leskovec fand heraus, dass Menschen, die den Messenger nutzen, sich über durchschnittlich 6,6 Ecken alle kennen. Diese Analyse war zwar nur Grundlagenforschung, die nicht in konkrete Anwendungen münden wird. Sich mit derlei Fragen zu befassen, könne allerdings auch zu praktischen Lösungen führen, sagt Leskovec.
"Die interessante Frage ist, wie man die richtigen Verbindungen findet, zum Beispiel, wenn Sie wissen wollen, wen Sie fragen müssen, um der Königin von England vorgestellt zu werden", veranschaulicht Leskovec. Eine Antwort auf Fragen nach diesem Muster könnte bei der Suche nach den kürzesten Wegstrecken im Internet helfen, fügt er hinzu - sinnvoll etwa für die Verbindung zwischen zwei Computern im Netz.
Computer wühlt sich durch 30 Millionen Nachrichten täglich
Außer sozialen Netzwerken analysiert Leskovec auch die Nutzung von Online-Medien. Jeden Tag lässt er seine Computer sich durch mehr als 30 Millionen Artikel wühlen. Eines seiner Ziele ist, Algorithmen zu entwerfen, die Muster aufzeigen, was mit diesen Nachrichten passiert. Sie könnten zum Beispiel deutlich machen, wie sich Informationen allmählich ändern. "Das könnte aufdecken, dass Ihre politische Haltung Einfluss darauf hat, wie Sie bestimmte Informationen behandeln. Vielleicht leiten Sie einen Text weiter mit einem sehr langen Obama-Statement, kürzen aber die Aussagen von anderen Politikern", sagt Leskovec.
Kürzlich hat er in einer Studie herausgefunden, dass Nachrichten sich ganz unterschiedlich ausbreiten je nach der Plattform, auf der sie zuerst veröffentlicht werden. Ein Ergebnis war, dass Material von Nachrichtenagenturen die höchste Aufmerksamkeit direkt nach Veröffentlichung erfährt, während Blog-Beiträge oft über längere Zeit mehrere Aufmerksamkeitsspitzen erfahren.
Mit dem Microsoft Research Faculty Fellowship erhält Leskovec dieses und nächstes Jahr jeweils 100.000 US-Dollar zur freien Verfügung. Er hat schon einige Ideen, wofür er es verwenden will. Ein Teil werde in "riskante Projekte oder Start-ups" gehen, die ohne Zuschuss nicht möglich gewesen wären. Dass er das Geld nach eigenem Gutdünken verwenden könne, schätze er besonders, sagt Leskovec: "Es ist ein Geschenk, das nicht an Bedingungen geknüpft ist. Wir haben im Gegenzug nichts versprechen müssen."
Studenten forschen bei Microsoft
Leskovec will auch neue IT-Ausrüstung kaufen und Seminare organisieren. Außerdem plant er, einige seiner Studenten für einige Zeit zum Arbeiten zu Microsoft zu entsenden. "Das ist eine gute Gelegenheit für sie, neue Forschungsfelder kennenzulernen", sagte er.
Leskovec hat 2008 an der Carnegie Mellon University (Pittsburgh/Pennsylvania) im Gebiet maschinelles Lernen promoviert und danach ein Jahr als Postdoktorand an der Cornell University (Ithaca/New York) gearbeitet. Sein Informatikstudium hat er an der Universität Ljubljana in Slowenien absolviert.
Microsoft zeichnet mit den Research Faculty Fellowships Wissenschaftler aus, die ihr Fachgebiet innerhalb der Informatik nach Ansicht des Unternehmens wesentlich voranbringen und deren Forschung Lösungen für drängende Fragen der Gesellschaft verspricht. Für das Programm stellt Microsoft jährlich 1,4 Millionen US-Dollar zur Verfügung, jeder Stipendiat erhält bis zu 200.000 Dollar. Die ausgewählten Forscher können das Geld nach eigenem Ermessen verwenden, etwa um Mitarbeiter einzustellen oder neue Projekte anzuschieben.
Bewerber werden von ihren Universitäten nominiert. Jede Hochschule darf nur einen Informatiker ins Rennen schicken. Zugelassen sind Kandidaten, die dem Lehrkörper noch nicht länger als drei Jahre angehören. In dem mehrstufigen Auswahlverfahren sichten mehr als 100 Fachexperten und Mitarbeiter von Microsoft Research ihre Unterlagen. Zur Endrunde mit persönlichen Interviews lud Microsoft dieses Jahr 18 Bewerber ein. Acht bekamen ein Fellowship.