COMPUTERWOCHE-Roundtable Arbeitsplatz der Zukunft

Frag' die Lampe, stör' nicht den Kollegen

18.06.2018 von Christiane Pütter
Neue Mitarbeiter wollen als Erstes das WLAN-Passwort wissen und im Open Space zeigt die Lampe an, ob man den Kollegen stören darf: Für den Arbeitsplatz der Zukunft gibt es viele Szenarien – sicher ist nur: Kommunikation bleibt der wichtigste Enabler. Erfahrungen von sechs Experten.

Eine der ersten Fragen im Bewerbungsgespräch lautet: "Wie viele Home-Office-Tage kriege ich?" Der Kandidat unterschreibt. Seine erste Frage am ersten Arbeitstag, das Smartphone in der Hand: "Wie ist denn hier das WLAN-Password?" Kultur, Technologie und Innovation - der Arbeitsplatz der Zukunft ist ein Thema mit vielen Facetten. Auf Einladung der COMPUTERWOCHE diskutieren sechs Experten.

Neue Raumkonzepte rund um den Arbeitsplatz der Zukunft wie das Open Space haben ihre Vor- und Nachteile.
Foto: Monkey Business Images - shutterstock.com

Nils Becker-Birck, Client Solutions Commercial Business Lead Germany bei Dell, Oliver Hoffmann, Regional VP Sales DACH bei Unit4, Hans-Jürgen Jobst, Senior Product Marketing Manager bei Avaya, Michael Kelch, Regional Vice President of Sales bei ASG, sowie Carsten Mickeleit, CEO von Cortado und Manfred Stetz, Managing Director bei United Planet, kommen zu folgenden Ergebnissen:

Die Ansprüche der Mitarbeiter und die Anordnung des Betriebsrats

Erstens der Faktor Kultur: Der Arbeitsplatz der Zukunft berührt zunächst einmal Fragen der Unternehmenskultur. Und das heißt: Es gibt so viele Kulturen wie Unternehmen. So hat ein großer IT-Konzern auf Drängen des Betriebsrats die Zeiterfassung wieder eingeführt. Die Arbeitnehmer-Vertreter argumentierten mit der Gefahr der Selbstausbeutung. Andererseits erleben die Unternehmen insbesondere junge Bewerber, die um den Wert ihrer Arbeitskraft wissen und mit größter Selbstverständlichkeit flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Tage verlangen. "Hier stehen sich digitale Optimisten, wie etwa im Hause Dell, und Armageddon-Jünger gegenüber", so das Fazit von Dell-Manager Becker-Birck.

Kelch kennt die Work-Life-Balance-Diskussion aus dem eigenen Unternehmen. Bei ASG will die Belegschaft beides: Eine "vernünftige Arbeitsumgebung", in der man sich zu Meetings treffen kann, und die Flexibilität des Home Office. Wenn es um Stichworte wie die Entgrenzung der Arbeit oder drohende Selbstausbeutung geht, sieht Kelch den einzelnen Mitarbeiter selbst in der Pflicht. Jeder habe eine Eigenverantwortung, und dies sei eine der notwendigen Kernkompetenzen der Arbeitnehmer. Eine Haltung, der Avaya-Manager Jobst nur bedingt zustimmt: "Nicht jeder Mitarbeiter kann sich vor Selbstausbeutung schützen. Wir brauchen Rahmenbedingungen", sagt er. Solche Rahmenbedingungen können beispielsweise Kernzeiten für das Team sein.

Informationen zu den Partnerpaketen für die Arbeitsplatz-der-Zukunft-Studie

Ganz handfest zeigt sich Firmenkultur auch im Gebäude. Hier beobachten die Experten einen Trend zum sogenannten Open Space statt den herkömmlichen Betonklötzen mit Einzel- bis Vierer-Büros. "Auch Kunden aus traditioneller Umgebung bauen jetzt neue Gebäude nach dem Vorbild Open Space", sagt Jobst. Den Tischkicker sehe er überall. United Planet-Director Stetz hakt ein: "Das fördert Offenheit, aber man zahlt auch einen Preis dafür."

Nach rund zehn Jahren Erfahrung mit solchen Raumkonzepten weiß Stetz um Probleme wie etwa die Geräuschkulisse. Lösung bei United Planet: Zwischen neun und dreizehn Uhr wird kein Kollege am Arbeitsplatz gestört. Außerhalb dieser Regel helfen beispielsweise Lampen, die den Status des Mitarbeiters anzeigen: Ist er ansprechbar oder nicht?

Cortado-CEO Mickeleit will die Individualisierung am Arbeitsplatz gar nicht so weit treiben. "Das scheitert ja schon an der Frage, ob die Klimaanlage eingeschaltet wird", seufzt er. Besser sei es, das richtige Team aufzubauen und zu fördern, weniger den Einzelnen.

Der IT-Chef rennt der Entwicklung hinterher

Zweitens Faktor Technologie: Ein anderer Aspekt der Individualisierung ist die Technologie. Welche Chance hat der IT-Chef in Zeiten von Cloud Computing und Schatten-IT? Ist der Datenschutz-Beauftragte nur noch damit beschäftigt, den Geräten und ihren Nutzern hinterher zu rennen? These von ASG-Manager Kelch: "Das Unternehmen kann und wird in Zukunft keine Verantwortung für das Management der Devices mehr übernehmen.

Sondern nur noch für die Prozesse des Unternehmens!" Dementsprechend werde Security nur noch in den Applikationen liegen und nicht mehr auf Hardware-Ebene. Dell-Manager Becker-Birck widerspricht: "Die Hardware muss aber für die Anforderungen der Applikationen geeignet und idealerweise zertifiziert sein, und dieses Wissen haben die Mitarbeiter oft nicht."

Kelch sieht in puncto Devices eine Differenzierung kommen. Gelte heute das Motto "Any Device - any Application", ändere sich das zu "Any Device - any Location". Dabei hänge der Gerätetyp künftig vom Einsatzzweck ab. "Wer zum Beispiel routinemäßig einer Geschäftsreise seines Mitarbeiters zustimmen muss, nutzt dafür ein kleines Gerät. Wer Datenanalysen ansehen will, nutzt den größeren Monitor vom PC", erklärt Kelch.

Einen weiteren Punkt bringt Unit4-Manager Hoffmann ein. Er beobachtet, dass sich die technologische Ausstattung am Arbeitsplatz zum Status-Symbol entwickelt. "Ein stylischer Arbeitsplatz ist manchem schon lieber als ein Firmenwagen", sagt er.

Einig ist sich die Runde darin: Der Trend zu BYOD (kurz für "Bring your own device") hat sich nicht so stark durchgesetzt wie vor wenigen Jahren noch erwartet - aber er hat den Warenkorb der Unternehmen erweitert, aus dem die Mitarbeiter auswählen dürfen. Und mittlerweile gibt es einen Wunsch nach Konsolidierung. Zunehmend ist man das Jonglieren mit mehreren Devices leid. Schmunzelnd erinnert sich Cortado-CEO Mickeleit an einen Rat, den er schon vor Jahren gehört hat: "Ach, kaufen sie einfach allen ein iPhone, und dann ist Ruhe im Karton!"

Zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multiclient-Studie unter IT-Entscheidern durch. Die Studie soll zeigen, wie deutsche Manager das Thema Arbeitsplatz der Zukunft in ihren Unternehmen angehen. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, dann hilft Ihnen Frau Jessica Schmitz-Nellen (jschmitz-nellen@idg.de, Telefon: 089 36086 745) gerne weiter. Informationen zur Arbeitsplatz-der-Zukunft-Studie finden Sie auch hier zum Download.

Transformation für alle statt Digital Lab für Privilegierte

Drittens Faktor Innovation: In der medialen Diskussion um den Arbeitsplatz der Zukunft fällt oft das Stichwort vom Digital Lab oder vom Campus, in dem sich Innovative austoben dürfen. Die Runde sieht das skeptisch. Avaya-Manager Jobst: "Es ist schwierig, diese künstliche Welt rückwärts wieder hinein zu portieren." Besser sei, das ganze Unternehmen mitzunehmen. Auch, um Spannungen zwischen den - scheinbar oder faktisch - Privilegierten aus dem Lab und der übrigen Belegschaft zu vermeiden.

Wer das ganze Unternehmen transformieren will, braucht eines: Mitarbeiter, die bereit sind, lebenslang zu lernen. Das hat auch mit der Fähigkeit zu tun, die Menschen zu motivieren. "Führen nach Zielen" nennt das Stetz von United Planet. Er vereinbart mit seinen Leuten einmal jährlich Ziele. Jedes Vierteljahr überprüft er mit den Mitarbeitern, wo sie stehen und wie gut die Ziele passen. "Das schafft die Grundvoraussetzung für freies Arbeiten", so seine Erfahrung.

Beim COMPUTERWOCHE-Round-Table zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft diskutierten Fachleute von Lösungsanbietern und Beratungshäusern über die vielen Facetten des Themas.
Foto: Michaela Handrek-Rehle

Erstmal das Grundsätzliche klären

Fazit der Diskussion: Der Arbeitsplatz der Zukunft und alles, was damit zusammenhängt, fangen beim Grundsätzlichen an. Dell-Manager Becker-Birck formuliert es so: "Wie sieht mein Geschäftsmodell in fünf oder zehn Jahren aus? Daraus kann ich ableiten, welchen Arbeitsplatz ich brauche." Damit ist das Ganze auch kein CIO-Thema, sondern Sache des CEO.

Unternehmenslenker müssen also zunächst einmal eine strategische Planung aufstellen. Dann können sie pilotieren und ausprobieren - gerne mit dem Mut, auch Fehler zu machen. Zwischen all der Veränderung, die bereits stattfindet und die noch auf die Unternehmen zukommt, stellt Unit4-Manager Hoffmann aber auch klar: "Der persönliche Kontakt wird immer noch ein wichtiger Faktor bleiben, trotz aller Technologie!"