Neue Karstadt-Chefin

Frau Sjöstedts Gespür für die Kunden

21.02.2014
Der hartumkämpfte deutsche Markt ist Neuland für die ehemalige Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt. Dennoch gilt die 47-jährige Schwedin als große Hoffnung für den traditionsreichen Warenhauskonzern Karstadt.

Es ist der wahrscheinlich schwierigste Job, der zurzeit im deutschen Einzelhandel zu vergeben ist: Am kommenden Montag übernimmt Eva-Lotta Sjöstedt offiziell die Leitung der Warenhauskette Karstadt. Es ist eine Art fliegender Start für die 47-jährige Schwedin. Denn schon in den vergangenen Wochen hat sich die frühere Ikea-Managerin zahlreiche der 83 Karstadt-Warenhäuser angeschaut, hat an den Kassen gestanden und mitverkauft - sich also aus erster Hand einen Einblick in das Unternehmen verschafft.

"Ich kann nicht nur im Büro sitzen und darüber nachdenken, was jetzt zu tun ist. Hier auf der Fläche erfahre ich jeden Tag etwas Neues, das uns helfen kann", begründete sie in einem Interview ihre ausführliche Tour durch die Filialen.

Mehr Einarbeitungszeit bleibt der Managerin allerdings wohl auch nicht. Der Aufsichtsratschef der Karstadt Warenhaus GmbH, Stephan Fanderl, drängte schon Ende Januar aufs Tempo. Alle 83 Warenhäuser müssten auf den Prüfstand gestellt werden, forderte er und schloss auch Filialschließungen nicht aus. "Wir haben wenig Zeit. In zwei bis drei Monaten sollte der Plan stehen", schrieb er der neuen Chefin ins Auftragsbuch. Denn nach wie vor steckt Karstadt in den roten Zahlen.

Die bisherigen Sanierungsbemühungen scheinen beim Essener Handelsriesen wenig gefruchtet zu haben. "Die Häuser, die wir saniert haben, funktionieren nicht besser als die Häuser, die wir nicht saniert haben", klagte kürzlich der Eigentümer der Warenhauskette, der Investor Nicolas Berggruen.

Ob die Schwedin, die bisher mit Billy-Regalen und Klippan-Sofas befasst war, die Richtige ist, Karstadt zu retten, ist durchaus umstritten. Sie hat zwar für den schwedischen Konzern schon in Japan und den Niederlanden gearbeitet. Erfahrung mit dem hartumkämpften deutschen Markt, auf dem sich Karstadt nicht nur gegen den Rivalen Kaufhof, sondern auch gegen Otto und H&M oder Internet-Anbieter wie Zalando behaupten muss, hat sie aber nicht.

Allerdings bringt sie von Ikea etwas mit, was den Karstadt-Warenhäusern zuletzt fehlte: Den unbedingten Willen, sich an den Wünschen der Kunden zu orientieren. Das schwedische Möbelhaus gilt als Meister in dieser Disziplin. Frau Sjöstedts Gespür für den Kunden könnte am Ende mit darüber entscheiden, ob Karstadt eine Zukunft hat.

Schon nach einigen Tagen in den Filialen setzte die Managerin jedenfalls ein Fragezeichen hinter die Strategie ihres Vorgängers Andrew Jennings, der vor allem auf Mode setzte und die Karstadt-Kunden mit einer Vielzahl neuer britischer, amerikanischer und skandinavischer Modelabels verwirrte. "Es geht bei Karstadt nicht nur um Mode. Die Menschen erwarten, bei uns auch Dinge des täglichen Bedarfs zu finden. Das macht ein Warenhaus aus", sagte sie dem Fachblatt "TextilWirtschaft".

Wertvoll für Karstadt könnten auch die Erfahrungen der Managerin im sogenannten Multi-Channel-Geschäft werden - der immer wichtiger werdenden Verbindung von stationärem Handel und Internet-Handel. Dass ihr nicht viel Zeit bleibt, den angeschlagenen Warenhausriesen wieder auf stabile Beine zu stellen, weiß sie genau.

Die schwierige Geschäftslage ist dabei allerdings nur ein Unsicherheitsfaktor. Ungewiss sind auch die Pläne, die Eigentümer Berggruen für das Unternehmen hat. Zwar beteuerte er in der Vergangenheit immer wieder, er kämpfe für Karstadt. Doch hinderte ihn dies nicht daran, bereits im vergangenen Jahr die Mehrheit an den lukrativen Premium- und Sporthäusern an den österreichischen Immobilieninvestor Rene Benko abzugeben. Berggruens Unberechenbarkeit ist ein Risiko, mit dem Sjöstedt jetzt leben muss. (dpa/rs)