"Frau'n regier'n die Welt", trällerte Roger Cicero 2006, angetan mit exakt getrimmtem Bärtchen und schickem Hütchen. Ob der Barde dabei an die IT-Welt dachte, ist nicht überliefert. Sicher ist: schon zum zweiten Mal in Folge ergibt eine weltweite Studie des US-Marktforschers Gartner, dass weibliche CIOs mehr Budget aushandeln als ihre männlichen Kollegen. Die Analyse "CIO Agenda 2015: A gender perspective" basiert auf Angaben von knapp 3.000 IT-Verantwortlichen aus 84 Ländern. Knapp vierzehn Prozent davon sind Frauen.
In Zahlen: Während IT-Chefinnen für das laufende Jahr eine Etatsteigerung von 2,4 Prozent herausholen, erreichen Männer nur ein Plus von 0,8 Prozent. "Diese Zahlen entsprechen ziemlich genau denen vom Vorjahr", sagt Tina Nunno, Vice President und Gartner Fellow, gegenüber cio.de.
Bei Gartner hat man sich auf Ursachensuche begeben und folgende Thesen entwickelt:
1. Das Klischee von den höheren kommunikativen Skills der Frauen mag einen Bart haben, aber im Kern trifft es zu. Denn auf Nachfragen der Analysten zeigt sich, dass Frauen mit unterschiedlichen Value-Metriken argumentieren. Je nachdem, ob sie an den CFO (Chief Financial Officer), den COO (Chief Operation Officer) oder den CEO berichten, stellen sie den Return on Investment (ROI), den Net Present Value oder andere Kennzahlen heraus.
Männer dagegen argumentieren gegenüber jedem Gesprächspartner, als hätten sie den CEO vor sich. Ein genauerer Blick in die Studie zeigt denn auch, dass männliche CIOs, die an den CEO berichten, die Frauen leicht überflügeln. Diese Männer holen 2,8 Prozent mehr Budget heraus. Im Durchschnitt sinken alle Männer zusammengerechnet aber auf die erwähnten 0,8 Prozent zurück, eben weil nicht jeder an den CEO berichtet.
"Zu diesem Punkt habe ich einige Männer gesondert befragt", berichtet Nunno. Jeder habe ihr bestätigt, Männer erzählten immer nur eine Geschichte. Frauen seien "die besseren Story-Teller."
Das mag mit der geschlechtsspezifischen Erziehung von Mädchen und Jungen zu tun haben, mutmaßt Nunno. Nach wie vor lernen Mädchen und Frauen stärker, sich bei einem Gespräch in ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Dadurch können sie besser aus dessen Sicht argumentieren - zum eigenen Vorteil.
2. Manche Frauen wissen ihre Sonderstellung als Außenseiterin zu nutzen. Sie habe mit einigen ausgewählten weiblichen CIOs gesprochen, berichtet Nunno. Diese hätten erzählt, ihr männlicher Vorgänger in diesem Job habe schlicht kein höheres Budget verlangt. Schließlich habe doch in der gesamten Firma Sparzwang geherrscht und das habe für jeden gegolten. "In dieser Situation haben sich die Frauen gesagt, sie seien in einem männlich-dominierten Umfeld ihres Unternehmens ohnehin Außenseiterinnen, also könnten sie auch nach mehr Geld fragen - und haben es bekommen", berichtet Nunno.
Weitere Ergebnisse der Studie:
IT-Chefinnen zeigen ein höheres Risiko-Bewusstsein als ihre männlichen Kollegen. 76 Prozent der Frauen äußern die Sorge, Investitionen in Risk-Management könnten nicht ausreichen. Unter den Männern sagen es 67 Prozent.
19 Prozent der Studienteilnehmerinnen schreiben Social und Multimedia wachsende Bedeutung zu. Von den Männern sagen das dreizehn Prozent.
Auf die Frage nach den fünf wichtigsten Technologien antworten Frauen und Männer im Wesentlichen dasselbe. Sie nennen erstens Analytics, zweitens Infrastruktur/Rechenzentrum, drittens Cloud Computing, viertens Enterprise Ressource Planning (ERP) und fünftens Mobile.
Frauen wie Männer wollen an ihrem Führungsstil arbeiten
Einigkeit herrscht auch in einem weiteren Punkt: Rund drei von vier Befragten (Frauen: 79 Prozent, Männer: 74 Prozent) wollen in den kommenden drei Jahren an ihrem Führungsstil arbeiten. "Das sehen sie im Zusammenhang mit der Digitalisierung", sagt Nunno. "Sie sehen, wie stark sich die CIO-Rolle weiterentwickelt auf dem Weg vom Service-Provider zum Vordenker innerhalb des Unternehmens."
Nunno schließt nicht aus, dass Frauen in diesem Change einen kulturell bedingten Vorteil haben. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das weibliche Geschlecht viel Terrain erobert, sei es politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich. "Wir Frauen sind es gewohnt, Change voranzutreiben", sagt sie.
Letztlich will die Gartner-Analystin die Studienergebnisse auch als Argument für Diversity verstanden wissen. Ihr Credo: "Firmen vergeuden Potenzial, wenn immer nur Männer den Hut aufhaben."