Freiberufler schauen mitunter neidisch auf ihren festangestellten Berufsgenossen: bezahlter Urlaub, bezahltes Krankfeiern und manchmal bezahltes Nichtstun sind Dinge, die man als Selbständiger nicht kennt. Aber auch umgekehrt gibt es schon mal Anlass für Missgunst: Sich Arbeitstage und Freizeit selbst einteilen zu können, keine Chefs, die auf Anwesenheit pochen, dafür mal ein Latte Macchiato im Lieblingscafé um die Ecke sind Privilegien, die festangestellte Kollegen in der Regel nicht in Anspruch nehmen können.
Was es sonst noch zu berichten gibt vom Binnenverhältnis fester und freier Mitarbeiter, hat eine Online-Umfrage des Projektdienstleisters Solcom unter den mehr als 6600 Abonnenten seines Magazins in Deutschland ermittelt - 365 von ihnen nahmen letztlich teil. Dabei gaben satte 71,2 Prozent an, dass sie es als Freiberufler schon einmal mit Festangestellten zu tun hatten, die neidisch auf sie gewesen sind.
Freiraum beim Arbeiten lässt fest Angestellte neidisch werden
"Neid seitens festangestellter Kollegen", da lassen die Autoren der Studie keinen Zweifel, "scheint steter Begleiter eines Freiberuflers zu sein". Dieser Schluss mag auch deshalb zulässig sein, weil sich gerade einmal 8,2 Prozent der befragten Freelancer sicher sind, noch keinen Neid zu spüren bekommen zu haben. Jeder Fünfte ist sich darob unsicher.
Nach dem Anlass für die Missgunst befragt, gaben 68,5 Prozent die vermeintlich bessere Bezahlung der freien Kräfte an. Weitere 18,9 Prozent glauben, dass es der größere Freiraum beim Arbeiten ist, der beim Angestellten Bitterkeit hervorruft. Eine eher kleine Minderheit von 7,7 Prozent ist überzeugt, als Freiberufler eine qualitativ höherwertige Tätigkeit auszuführen, "die im IT- und Engineering-Umfeld meist so speziell ist, dass das Know-How dafür intern nicht vorgehalten werden kann". Daher müsse man dafür auf externe Spezialisten zurückgreifen.
Zu spüren ist der Neid der Beschäftigten nach Aussagen der Freiberufler oft nur unterschwellig: Nur rund vier von zehn Befragten haben sich ein oder mehrmals offen für die freiberufliche Tätigkeit rechtfertigen müssen. Die übrigen sechs von zehn (57,5 Prozent) mussten das dagegen noch nie tun, können also mit den Neidgefühlen allenfalls indirekt in Kontakt gekommen sein.
In den IT-Abteilungen sind Freiberufler in der Minderheit
In den IT-Abteilungen der Betriebe selber spielen Freiberufler allenfalls eine untergeordnete Rolle, wie die Umfrage herausgefunden hat: Die Mehrheit der Befragten (58,9 Prozent) weist den Freien einen Anteil zwischen 0 und 30 Prozent zu, weitere 38,9 Prozent einen Anteil von 30 bis 60 Prozent. Dass Freiberufler die meiste Arbeit in der IT erledigen, kommt fast nie vor (nur 2,2 Prozent der Befragten sagen, sie verrichteten 60 bis 90 Prozent der Arbeiten, keiner kreuzte die Antwortmöglichkeit 100 Prozent an).
Wechsel in der Beschäftigungsform funktionieren in beide Richtungen
Der Wechsel von der einen in die andere Form der Beschäftigung scheint auf beiden Seiten machbar: So glauben 38,4 Prozent, dass es leichter sei, von einem Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit zu wechseln. Ein paar mehr, 39,7 Prozent, hält den umgekehrten Weg für einfacher. Da jeder Fünfte sich zu dieser Frage überhaupt kein Urteil erlauben mag, fällt die Gesamtbilanz der Antworten also eher indifferent aus.
Dabei gibt es gewichtige Gründe - zumindest aus Sicht der befragten Freiberufler -, die gegen einen Wechsel sprechen: das finanzielle Risiko bei Arbeit auf eigene Rechnung (für 43,8 Prozent), Schwierigkeiten beim Halten der Work-Life-Balance (für 19,2 Prozent) und Nachteile durch fehlenden Kündigungsschutz (für elf Prozent). Der administrative Aufwand, die fehlenden Weiterbildungsmöglichkeiten sowie häufige Reisetätigkeiten und Mehrarbeiten werden dagegen eher weniger gewichtet.
Tatsächlich auszurechnen, ob ein Freiberufler bei vergleichbaren Tätigkeiten mehr oder weniger verdient als ein Angestellter, ist nicht so leicht. Das IT-Freiberuflernetzwerk GULP versucht sich daran mit folgender Faustformel: Bruttogehalt als Angestellter x 2 = Jahresumsatz eines Freiberuflers, erwirtschaftet in zehn Monaten (also 12 Monate minus Urlaub, Weiterbildung und ein paar Krankheitstagen).
In einem Rechenbeispiel des Vergleichs Angestellter mit 50.000 Euro Jahresgehalt heißt das: 100.000 Euro Jahresumsatz beim Freiberufler, durch 10 Monate pro Jahr Projektarbeit (=1600 Projektstunden) geteilt, ergibt einen Mindeststundenlohn von 62,50 Euro.
Gute Honoraraussichten für IT-Freelancer
Für Software-Entwickler hat GULP unter seinen Mitgliedern einen tatsächlichen Stundenlohn von 65 Euro ermittelt, also 2,50 Euro pro Stunde mehr. Ein Blick auf die Stundensatzauswertung von Gulp für den Februar 2012 zeigt zudem, dass die durchschnittlichen Sätze von IT-Freiberuflern seit 2005 stetig steigend über diesem Satz liegen.
Gute Zeiten also für IT-Freelancer. Der Neid scheint berechtigt, bezieht sich allerdings nicht auf die Honorare und Gehälter allein, wie die Umfrage der Solcom zeigt.