56 Prozent der Beschäftigten in der Bundesrepublik sehen sich einer starken oder sehr starken Arbeitshetze ausgesetzt. Das ist ein Kernergebnis einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), für die 5000 Bürger befragt wurden. Gegenüber dem Vorjahr ist der gefühlte Zeitdruck am Arbeitsplatz demnach um 4 Prozentpunkte gestiegen. Gleichzeitig geben 80 Prozent der Beschäftigten an, dass sie seit Jahren immer mehr in der gleichen Zeit leisten müssen.
44 Prozent der Beschäftigten fühlen sich sehr häufig oder oft nach der Arbeit „leer und ausgebrannt“. Dort, wo die Arbeitsintensität gestiegen ist, leiden sogar 71 Prozent der Arbeitnehmer unter Burnout-Symptomen. Unter den gehetzt Arbeitenden sind es 75 Prozent.
Offenbar hängt der empfundene Psychostress aber nicht allein damit zusammen, dass ständig das Telefon klingelt oder das E-Mail-Postfach überquillt. Die repräsentative DGB-Umfrage legt jedenfalls nahe, dass sich die Lage für IT-Spezialisten keineswegs schlimmer darstellt als für andere Berufsgruppen. Allerdings steigt das Ausmaß an Druck offenbar mit Führungsverantwortung an.
Arbeitspensum in IT-Berufen steigt
In der Informations- und Kommunikationsbranche berichten 55 Prozent der Befragten, dass immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit erledigt werden müsse; bei wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern sind es 49 Prozent. In diesen beiden Kategorien dürfte das Gros der IT-Profis zu finden sein; der Befund weicht jeweils nicht weit ab vom Gesamtmittelwert 54 Prozent.
Deutlicher stressiger hat sich das Arbeitsleben laut Studie für Finanzdienstleister und Versicherer mit 70 Prozent sowie in der Energiewirtschaft mit 69 Prozent entwickelt. Nur 33 Prozent der Beschäftigten im Gastgewerbe beklagen demgegenüber eine Arbeitsintensivierung – was aber auch bedeuten kann, dass die Arbeitsintensität in der Branche schon immer am Limit war.
Arbeitsintensivierung in allen Branchen
Jedenfalls berichten 60 Prozent der Beschäftigten in Restaurants und Hotels, oft oder sehr häufig bei der Arbeit unter Zeitdruck zu stehen. Das liegt über dem Durchschnittswert von 56 Prozent. Von einem ähnlichen Niveau ist laut Studie bei Informatikern auszugehen. Noch lauter ist die Klage indes bei Lehrern, Bauarbeitern und Mitarbeitern aus dem Gesundheits- und Sozialwesen. Hier stehen zwei Drittel der Beschäftigten nach eigenen Angaben ständig unter Zeitstress.
„Unter den Branchen gibt es keine, in der weniger als 46 Prozent der Beschäftigten sehr häufig oder oft hetzen müssen“, heißt es in der DGB-Studie. Wer mehr als 45 Stunden in der Woche arbeitet, fühlt sich zu 73 Prozent gehetzt. „Überdurchschnittlich stark sind mit 64 Prozent auch die Gruppe der Vorgesetzten und im Altersgruppen-Vergleich die 26- bis 35-Jährigen mit 63 Prozent betroffen“, stellt die Studie fest.
"Entgrenzt" Arbeitende stark betroffen
Stark betroffen seien auch "entgrenzt"“ Arbeitende: Mit 74 Prozent Gehetzter ist der Anteil unter Beschäftigten besonders hoch, von denen erwartet wird, dass sie für ihren Arbeitgeber auch außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit ständig erreichbar zu sein haben.
"Die Index-Zahlen lesen sich wie ein Alarmsignal", kommentiert DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Botschaft sei eindeutig: "Der Druck am Arbeitsplatz nimmt zu, doch es wird zu wenig dagegen getan."
Der DGB moniert insbesondere, dass die Arbeitgeber ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu einem Sicherheits-Check der Arbeitsplätze nur unzureichend nachkämen. Nur bei 28 Prozent der Beschäftigten sei eine solche Gefährdungsbeurteilung, wie sie vom Arbeitsschutzgesetz gefordert wird, überhaupt durchgeführt worden.
Mitarbeiter vermissen Anerkennung
Dabei wurde nur bei einem Drittel nach psychischen Stressfaktoren gefragt. Insgesamt wurden nur neun Prozent aller Beschäftigten nach psychischen Stressfaktoren befragt. „Diese mangelhafte Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes seitens der Arbeitgeber ist ein Armutszeugnis“, wettert der DGB.
Zum Teil beklagen die befragten Beschäftigten auch Arbeitsanforderungen und Mitarbeiterführung. Jeweils ein Drittel prangert an, nur schwer miteinander zu vereinbarende Anforderungen erfüllen zu müssen oder nicht alle benötigten Informationen für ihre Aufgaben zu erhalten. 34 Prozent vermissen überdies persönliche Wertschätzung durch ihre Vorgesetzten.
Die Studie „Psycho-Stress am Arbeitsplatz“ ist beim DGB erhältlich.