Über einen Mangel an qualifiziertem Personal klagen 38 Prozent der Hochleistungsunternehmen (zweistelliger Gewinn, 15 Prozent des Gesamtanteils) sowie 83 Prozent aller anderen Firmen. Die Analysten des Münchner Beratungsunternehmens Bain & Company bewerten die Führungskräfte- und Nachwuchskrise häufig als hausgemacht. Oft werde hochqualifiziertes Personal nicht dort eingesetzt, wo es den größten Wert für das Unternehmen schaffe. Der Grund: Laut Studie werten die Hälfte aller Top-Performer und 91 Prozent aller anderen Unternehmen Einzelleistungen weder effektiv aus noch reagieren sie individuell.
Damit Firmen wettbewerbsfähig bleiben, brauchen sie qualifiziertes Personal. Da ist effizientes Talent-Management eine erfolgskritische Größe. Die demografische Entwicklung lässt erwarten, dass sich die Situation in Zukunft verschärfen wird.
61 Prozent der Unternehmen bestätigen die Bedeutung gezielter Personalentwicklung. Doch bei den wenigsten gibt es gleichermaßen standardisierte und effiziente Prozesse. Bain hat fünf kritische Bereiche für ein ausgefeiltes Talent-Management-System identifiziert, die alle über Erfolg und Misserfolg entscheiden.
1. Fokus auf erfolgskritische Positionen
Der Auswahlprozess für den Führungskräftenachwuchs lässt sich vereinfachen, indem Firmen die Anzahl von Schlüsselpositionen reduzieren. Das erreichen Unternehmen beispielsweise durch richtiges Jobdesign und die Verwendung standardisierter Stellenbeschreibungen.
2. Talententwicklung im unternehmensweiten Talentpool
In lediglich neun Prozent der Firmen existiert ein unternehmensweiter Talentpool. 46 Prozent gaben zu Protokoll, "überhaupt nicht" oder "eher nicht" über eine zentrale unternehmensweit geführte Talent-Datenbank zu verfügen. Besser ist die Situation in den einzelnen Divisionen beziehungsweise Business Units. Dort sehen sich 48 Prozent der Unternehmen "eher" oder sogar "voll und ganz" in der Lage, innerhalb bestehender Talentpool-Strukturen ein Ranking von Einzelmitarbeitern aufzubauen.
3. Transparenter, disziplinierter Besetzungsprozess
Bei der Besetzung erfolgskritischer Positionen ist es wichtig zu klären, wer wen einstellt oder welches Mitspracherecht hat. Aus einem unternehmensweiten Talentpool lässt sich eine Liste mit den am besten geeigneten Kandidaten erstellen, auf deren Basis entschieden wird, ob nur intern oder auch extern rekrutiert wird.
4. Langfristige Nachfolgeplanung
Idealerweise gibt es für erfolgskritische Positionen einen Planungshorizont von bis zu zwei Jahren sowie zwei bis vier Nachfolgekandidaten. Häufig werden Unternehmen allerdings kalt erwischt, wenn Leistungsträger gehen. Ihnen fehlt die langfristige Nachfolgeplanung, zu der auch entsprechende Fördermaßnahmen für Top-Talente gehören. Die gibt es allerdings in knapp der Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) "eher nicht" oder "überhaupt nicht".
Besser schneiden die Top-Performer ab. Sie investieren fast doppelt so viel in die Entwicklung ihrer Führungskräfte von morgen wie Durchschnittsunternehmen. Trotzdem beurteilen 50 Prozent der Hochleistungsunternehmen ihre Förderprogramme mit Job-Rotationen, Mentoring und Coaching als nicht effizient. Bei allen befragten Unternehmen lag der Mittelwert allerdings bei 85 Prozent.
5. Andauernde Messung des Erfolgs
Personalverantwortliche sollten regelmäßig kalkulieren, ob im Unternehmen eine Führungskräftelücke besteht oder droht. Lediglich vier Prozent bestätigen "voll und ganz", dass sie regelmäßig solche Messungen durchführen.
Fazit: die Grenzen der eigenen Struktur erkennen
Die Folgen einer Fehlentwicklung im Besetzungsprozess können für Unternehmen gravierend sein, folgern die Analysten. Denn der Kampf um knappe Talente sei bereits voll entbrannt. Dabei steigen die Ansprüche der Arbeitnehmer bei Einkommen, Freizeit, Weiterbildung und Aufstiegschancen. Gleichzeitig sinke die Loyalität zum Arbeitgeber und auch die Hemmschwelle, das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder zu wechseln.
Für die Studie "Leadership Supply" befragte die Strategieberatung Bain & Company 90 Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz.