Risiken gehören zum Managerdasein – auch für CIOs. Auf reine Lotterien will sich aber kaum einlassen, wer Verantwortung in einem Unternehmen übernommen hat. Mit einem Glücksspiel wiederum vergleichen die Analysten von Gartner Windows 8. Sie tun das aus der Perspektive des Anbieters: Microsoft müsse zocken, um in einer von mobilen Endgeräten geprägten Welt relevant zu bleiben. So mancher Vista-geprüfter CIO mag sich da denken, dass neue Betriebssysteme aus dem Hause von Bill Gates auch aus Anwendersicht manchmal sind wie Lottospielen.
Auch Gartner erinnert an das Vista-Fiasko. Selbst in Spitzenzeiten sei Vista niemals auf mehr als 8 Prozent der Rechner der Kunden gelaufen, so die Marktforscher. Im Unternehmensumfeld habe Windows Vista nie signifikanten Erfolg gehabt, worauf andere Anbieter schnell die Unterstützung dafür eingestellt hätten. Der Effekt davon: IT-Chefs fragten sich, ob Windows 8 ein ähnliches Schicksal beschieden sei, so Gartner.
Die Antwort „definitiv“ kann ein renommiertes Analystenhaus schwerlich geben. Gartner macht das auch nicht, lässt aber doch durchblicken: Es mag mit Windows 8 laufen wie mit Vista, vielleicht sogar noch schlimmer. Sicherheitshalber verweisen die Analysten darauf, dass bereits für 2014 ein Nachfolgeprodukt von Microsoft zu erwarten sei – es kann Windows 9 heißen oder auch anders.
Firmen noch mit Windows XP und Windows 7 vollauf beschäftigt
Jetzt im Oktober erfolgt erst einmal der formelle Launch von Windows 8. „Aber die Wirklichkeit sieht so aus, dass die meisten Firmen immer noch damit beschäftigt sind, Windows XP zu eliminieren und Windows 7 zum Einsatz zu bringen“, so Gartner-Analyst Michael Silver. „Die Unternehmen werden entscheiden müssen, ob sie mit Windows 7 weitermachen wollen oder Windows 8 in Erwägung ziehen.“
Die Skepsis kommt ausgerechnet daher, dass Gartner Windows 8 für die größte technologische Neuerung von Microsoft seit dem Übergang von DOS zu Windows XP zwischen 1993 und 2001 hält – deutlich gewagter also als seinerzeit Vista. Der Übergang von Windows New Technology (Windows NT) als Überbegriff für die vielen jüngeren Microsoft-Betriebssysteme zu Windows RT als Laufzeitumgebung für Anwendungen auf dem Metro-Desktop in Windows 8 markiere den Beginn eines neuen Zeitalters.
Windows 8 soll Befreiungsschlag werden
Für Microsoft stellt das nach Ansicht Gartners eine Art Befreiungsschlag dar, mit dem sich der Gigant langfristig aus den Fesseln des eigenen Erfolgs lösen könnte. Die Notwendigkeit, die Masse an eigenen PC-Applikationen beständig weiterzuentwickeln und Support für Legacy-Anwendungen anzubieten, habe es dem Software-Riesen in den vergangenen Jahren schwer gemacht, innovativ zu sein.
Die Analysten zeigen anhand einer eindrucksvollen Graphik, wie sehr die Konkurrenz durch innovative Apps aus dem Web einerseits und durch die mobile Revolution andererseits Microsoft zusetzt. Bis etwa zur Jahrhundertwende waren mehr als 90 Prozent aller Applikationen windows-spezifisch. Seither bröckelt die Dominanz zunehmend.
Momentan ist laut Gartner gerade der Punkt erreicht, an dem das Verhältnis zu Gunsten der betriebssystem-neutralen Anwendungen kippt. Ginge es so weiter, wären die Windows-Anwendungen bis 2020 auf einen Anteil von 10 bis 20 Prozent zusammengeschrumpft. Die Chance für Microsoft besteht darin, dass WinRT-Apps bald für einen Turnaround sorgen könnten – eine Entwicklung, die kaum vor 2014 einsetzen dürfte.
Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten von Tablets, PCs und Smartphones
Gefragt ist vor diesem Hintergrund vor allem eine Antwort auf den Umstand, dass Smartphones und Tablets die bisherige PC-Dominanz in Frage stellen. Im Gegensatz zu Apple und Google, die auf eine gemeinsame Basis für Smartphones und Tablets abzielten, suche der Microsoft-Ansatz nach Gemeinsamkeiten für Tablets und PCs, so Silver: „Das spielt Microsofts Stärke bei den PCs in die Karten und soll nicht nur den Durchbruch bei den Tablets bringen, sondern auch den Anteil auf dem Smartphone-Markt vergrößern.“
Die kontroverseste Entscheidung bei Windows 8 sei das User Interface im „Metro-Style“. Große Touch-Flächen machen dieses attraktiv für Geräte der neuen Generation wie Tablets und daran angelehnte Hardware. Zweifel gebe es hingegen an der Eignung für klassische Desktops und Notebooks – zumal das vertraute Windows Desktop nicht gebootet werden könne.
Gartner glaubt an Erfolg von Windows 8 für Tablets
Gartner glaubt vor diesem Hintergrund an einen Erfolg von Windows 8 für Tablets, was für die Anwender diverse Folgen habe. Die Vielfalt an Geräten und Betriebssystemen steige, was den Trend zur Konsumerisierung verstärke. Die IT-Abteilung verliere dadurch an Kontrolle über die Produkt-Umwelt. Es werde schwieriger, wie in den vergangenen 20 Jahren PCs und Support einzukaufen, was Programme für Bring-your-own-Device (BYOD) weiter attraktiv mache.
„Firmen müssen sich auch entscheiden, ob sie Apps ausdrücklich für Windows 8 und Metro gestalten wollen, ob sie iOS-Apps schreiben wollen oder ob sie es gerne neutraler angehen würden“, so Gartner. Ein wichtiges Thema sei überdies die Lizenzierung, die im Falle Microsoft ja oft einen erklecklichen Batzen des IT-Budgets ausmache. Jedes Unternehmen müsse sich überlegen, ob Software Assurance oder eine Enterprise Agreement sinnvoll seien. Gegebenenfalls müssten vergangene Entscheidungen neu überdacht werden.
Tückisch ist Windows 8 auch im Hinblick auf die IT-Sicherheit. Gartner verweist darauf, dass es hier im Vergleich zu älteren Versionen vielfältige Verbesserungen gebe. Aus Sicht der Unternehmens-IT sei aber auch zu durchdenken, inwieweit Windows 8 mit bestehenden Security-Lösungen harmoniere.
Gartner setzt sich derzeit in einer Reihe von Studien mit Windows 8 auseinander. Einen Überblick liefert das Dokument „Is Windows 8 in Your Future?“.