Fast eine halbe Dekade lang hat Gartner den Unternehmen geraten, unbedingt einen Chief Digital Officer (CDO) zu installieren. Mittlerweile ist etwa ein Drittel der Angesprochenen diesem Rat gefolgt. Mission also erfüllt? - Nicht ganz. Auf der diesjährigen Großveranstaltung des Research- und Consulting-Unternehmens in Barcelona war der CDO jedenfalls kein Thema mehr. Statt dessen will Gartner den CIO vermehrt in die Digitalisierungspflicht nehmen.
Digitalisierung steuert ins Tal der Desillusion
"Wir müssen unsere Kunden darauf vorbereiten, dass die Digitalisierung auf das Tal der Desillusion zusteuert", konstatierte Peter Sondergaard, Executive Vice President Research bei Gartner. Das klingt befremdlich, wenn man den Digitalisierungs-Hype noch direkt vor Augen hat. Aber auf den Höhepunkt der Euphorie folgt nach der - in der Praxis meist bestätigten - Gartner-Lesart unweigerlich der jähe Absturz. Die Analysten prognostizieren ihn für das übernächste Jahr.
Ist damit auch die Zukunft des CDO besiegelt? Wie Gartner betont, habe man den CDO "immer als zeitlich begrenzte Rolle" gesehen. Jetzt, wo die Digitalisierung fast alle Branchen erfasst habe, seien wieder die Fähigkeiten des CIO gefragt. Also weniger Disruption, mehr Skalierung - sowohl in Bezug auf die schiere Größe der Projekte und Programme, aber auch auf den Funktionsumfang und die Integration externer Partner - in der Gartner-Diktion: "scale up - scale across - scale out".
CIO-Job wird sich massiv verändern
Für etwas mehr als ein Viertel der CIOs im Raum EMEA (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) orientiert sich ihr Job denn auch deutlich mehr in Richtung Business als noch vor einem Jahr. "Mir erscheinen diese 26 Prozent fast zu wenig", merkte Gartner-Vice-President Andy Rowsell-Jones an, der die aktuelle Ausgabe der alljährlichen CIO-Umfrage vorstellte. Laut Gartner wird sich der CIO-Job mit der Digitalisierung erheblich verändern.
Dabei unterscheidet Gartner drei Typen von CIOs: Der "Partner" ist ein CIO eher konventioneller Machart: Er konzentriert sich auf Service-Management, Kern-IT und ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis. Der "Builder" hat vor allem den Entwurf und die Einführung neuer Produkte beziehungsweise Services, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen im Sinn. Diese beiden Gruppen machen laut Rowsell-Jones jeweils knapp 50 Prozent der CIO-Gesamtheit aus.
Digitalisierung braucht Pioniere
Nur etwa fünf Prozent der CIOs agieren als "Pioniere"; sie denken wie Unternehmer, nutzen Technik, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, und schaffen "digitale Werte". Dieser Typ entspricht wohl am ehesten dem, was die Analysten im Sinn hatten, als sie den Chief Digital Officer propagierten. Wie Gartner heute betont, können aber alle drei Spielarten des CIO einen wertvollen Beitrag zur dauerhaften Digitalisierung des jeweiligen Unternehmens leisten.