DAS EHEMALIGE Computerzentrum der Firma Philips in Kassel ist voll von Schnüfflern. Rund tausend PCs der Firma Cobion (www.cobion.de) spähen von dort aus im Internet nach optischen Inhalten. Ein Teil der Rechenaufgaben stammt dabei von der Polizei. Sie lässt im Netz nach verschwundenen Kindern suchen. Das Brot-und- Butter-Geschäft sind allerdings Aufträge aus der Industrie. Die will wissen, wo und wie oft ihre Logos und Markenzeichen im Netz auftauchen. Die "International Chamber of Commerce" (ICC) schätzt, dass Online-Markenfälscher jedes Jahr für Umsatzeinbußen in Höhe von 25 Milliarden Mark verantwortlich sind. Da lassen es sich Kunden wie Adidas, Bayer, Daimler-Chrysler oder Carl Zeiss schon etwas kosten, über den Verbleib ihrer Logos informiert zu sein.
25 Milliarden Mark Verlust durch Fälscher
95 Prozent des Firmenwertes liegen im Wert seiner Markennamen, sagt Tan Siekmann von Biodata, der Sicherheitsfirma, die Cobion im Mai gekauft hat. "Jeder, der etwas von Chemie versteht, kann ein Waschmittel selbst herstellen", meint der Vorstandsvorsitzende. "Der Milliardenwert von Persil liegt allein im Namen." Um diese Werte zu schützen, wühlen sich die Cobion-Computer mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Millionen Bildern pro Tag durchs Netz. Die verwendeten Programme sind nach Angaben der Firma intelligent genug, um auch leicht verzerrte Bilder wieder zu finden. Etwa wenn das Logo einer Automarke auf dem Sweatshirt eines Tennisspielers auftaucht. Dazu wird das zu suchende Bild oder Symbol zunächst in Sektoren unterteilt und hinsichtlich charakteristischer Punkte ausgewertet. Bei einem Gesicht erfassen die Computer die Lage von Mund, Nase und Augen und wandeln die Koordinaten in eine Zahlenreihe um. Diese Zahlenreihe vergleichen die Rechner dann mit den charakteristischen Eigenschaften aller Bilder, die im Internet gefunden wurden. Bei bestmöglicher Übereinstimmung mit einem Kandidaten gilt das Objekt als identifiziert.
Anfang der neunziger Jahre legten Forscher in Deutschland und den USA die wissenschaftlichen Grundlagen zur Bilderkennung. "Mal eben alle Bilder von Marilyn Monroe im Internet zu suchen, ist mit schnellen Suchalgorithmen nach wie vor kaum möglich", umreißt Rolf Würtz vom Institut für Neuroinformatik der Universität Bochum die Möglichkeiten der kommerziellen Software. Computer können in vertretbarer Zeit nur identische Bilder suchen. Ändert sich der Hintergrund oder die Körperhaltung zwischen zwei Aufnahmen, steigt die Fehlerrate. Leichte Zerrungen oder Stauchungen wie bei der Automarke auf dem Sweatshirt sind aber auch heute schon zu bewältigen.
Die Cobion-Rechner arbeiten als so genannte Web- Crawler. Sie wühlen sich selbständig durch alle Seiten, die bei einem Suchdienst gemeldet sind. 700 Millionen Seiten haben die Kasseler Rechner inzwischen besucht. Rund ein Drittel des Internets.