Digitalisierungssparte im Aufwind

Gegenwind für Siemens nimmt zu

10.05.2022
Siemens konnte trotz eines schwierigen Umfeldes mit einer robusten Geschäftslage überzeugen. Dabei liefen zuletzt die Digitalisierungssparte und auch das Geschäft mit intelligenter Infrastruktur rund.
Auf Drei-Jahressicht ist die Bilanz der Siemens-Aktie mit einem Plus von knapp 18 Prozent durchweg positiv.
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Die Medizintechniktochter Siemens Healthineers liefert seit Quartalen zuverlässig positive Nachrichten. Doch der Gegenwind nimmt zu. Sorgenkind bleibt außerdem die Beteiligung Siemens Energy. Was bei Siemens los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

So ist die Lage bei Siemens

Das Unternehmen erlebte jüngst einen massiven Auftragsboom. Kunden zogen angesichts der Lieferengpässe sowie in Erwartung steigender Preise ihre Bestellungen vor. Dies galt besonders für das Automatisierungsgeschäft. Doch Siemens-Chef Roland Busch warnte bei der Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal (per Ende Dezember) bereits vor zu viel Euphorie. "Der Einfluss der Pandemie, steigende Kosten, angespannte Lieferketten und Teilemangel begleiten uns weiter", erklärte er Mitte Februar - vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Seitdem hat sich das inflationäre Umfeld nochmals verschärft, insbesondere für Energie zogen die Preise an.

Seit Anfang März hat der Konzern wegen des Ukraine-Krieges sein Neugeschäft in Russland sowie die internationalen Lieferungen nach Russland eingestellt. Letzten Angaben zufolge entfällt etwa ein Prozent des Umsatzes auf das Geschäft mit Russland, die Zahl der Mitarbeiter liege im niedrigen vierstelligen Bereich.

Lichtblick bleibt die Medizintechniktochter Siemens Healthineers. Diese hat bereits Zahlen für das zweite Geschäftsquartal vorgelegt und auch in diesem dank des anhaltend brummenden Geschäfts mit Corona-Schnelltests besser abgeschnitten als erwartet. Die Erlanger erhöhten ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2021/22 zum zweiten Mal. Weiter nicht zufrieden kann Siemens hingegen mit der Entwicklung seiner Beteiligung Siemens Energy sein, die mit anhaltenden Schwierigkeiten bei der Windkrafttochter Siemens Gamesa zu kämpfen hat. Nach steigenden Verlusten im zweiten Quartal hat Gamesa die Prognose für das Geschäftsjahr ausgesetzt, Siemens Energy zog daraufhin nach. Siemens selbst will seine Zahlen am Donnerstag vorlegen.

Das Siemens-Management hatte sich trotz des guten ersten Quartals wegen des Umfeldes vorsichtig gezeigt und die Prognosen lediglich bekräftigt. Das Unternehmen erwartet weitere Zuwächse bei Umsatz und Gewinn je Aktie. Dabei sah Siemens zuletzt aber noch das Potenzial, das obere Ende des Zielkorridors beim bereinigten Ergebnis je Aktie (EPS) zu erreichen oder sogar zu überschreiten.

Auch schraubt Siemens weiter an seinem Portfolio. Zwar sind weder große Akquisitionen noch große Ausgliederungen mehr geplant, Verkäufe von Randbereichen oder kleinere Ausgliederungen sollen dagegen zum Gewinn nach Steuern mit etwa 1,5 Milliarden Euro so viel beitragen wie im Vorjahr. Im Blick steht dabei aktuell das Geschäft mit großen Antrieben etwa für den Bergbau oder die Chemie-Industrie, das verselbstständigt werden soll. Über einen möglichen Verkauf ist noch nicht entschieden.

Das sagen Analysten

Analysten rechnen im zweiten Geschäftsquartal mit deutlichen Zuwächsen bei Umsatz und Auftragseingang sowie operativem Ergebnis. Als Wachstumstreiber sehen die Experten dabei erneut die Digitalisierungssparte sowie Healthineers. Die bereinigte operative Marge vor Personalrestrukturierung dürfte hingegen von den höheren Kosten belastet werden.

Siemens habe mit den Zahlen im ersten Geschäftsquartal im Investitionsgütersektor herausgeragt, schrieb Analyst Andreas Willi von der US-Bank JPMorgan. Die Aufträge hätten die Markterwartung um gut ein Drittel übertroffen, im Digitalgeschäft sogar um gut zwei Drittel. Damit hätten sich die Münchener von der Konkurrenz abgesetzt.

Seitdem habe der Gegenwind jedoch zugenommen, notierte er Anfang Mai. So habe sich die Lieferkettensituation nicht entspannt, sondern dürfte sich mit den Teillockdowns in China im Zusammenhang mit dem Wiederaufflammen der Corona-Pandemie weiter verschärft haben. Die Materialkosten seien zudem weiter gestiegen, womit sich eine Erholung bei Preisen und Kosten auf 2023 verschiebe. Zudem könnte es Abschreibungsbedarf beim Russland-Engagement geben, etwa für einen milliardenschweren Zug-Auftrag.

Eine Reihe von Investoren befürchte daher, dass der Technologiekonzern zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht seine Unternehmensprognosen nach oben korrigieren werde, so Willi. Angesichts des zunehmenden externen Gegenwindes seit dem letzten Quartalsbericht reiche es seiner Meinung nach aber aus, wenn Siemens seine operativen Ziele bestätige.

Das macht die Aktie

Die Aktie läuft in diesem Jahr bislang durchwachsen. Zwar erreichte der Kurs Anfang Januar mit fast 158 Euro einen Rekord - danach ging es jedoch deutlich abwärts. Dies war zum einen der insgesamt schwächeren Marktlage mit Zins- und Inflationsängsten geschuldet. Die Gewinnwarnungen von den Beteiligungen Energy und Gamesa setzten dem Kurs zusätzlich zu. Nach den Erstquartalszahlen konnte Siemens im Februar den Abwärtstrend kurzfristig verlassen, sackte Anfang März jedoch wieder ab. Nach einem weiteren Erholungsversuch fiel das Papier bis Anfang Mai auf weniger als 112 Euro, und notierte damit wieder auf dem Niveau von Ende 2020.

Im laufenden Jahr kommt das Siemens-Papier damit bislang auf ein Minus von gut 25 Prozent. Und auch für die vergangenen zwölf Monate sieht die Bilanz insgesamt mit einem Minus von mehr als einem Fünftel mau aus.

Dabei hatte sich das Papier im Zuge des Konzernumbaus und dem Abbau der Konglomeratsstrukturen zwischenzeitlich in immer neue Höhen bewegt. Im vergangenen Jahr erklomm die Aktie eine Rekordmarke nach der anderen. Dabei trieb den Kurs auch die gute Entwicklung bei der Tochter Healthineers an. Jedoch folgten auch immer mal wieder erhebliche Dämpfer. Auf Drei-Jahressicht ist die Bilanz mit einem Plus von knapp 18 Prozent dagegen etwas positiver.

An der Börse gehört Siemens trotz einer deutlich gesunkenen Marktkapitalisierung mit gut 92 Milliarden Euro weiterhin zu den Schwergewichten im Leitindex Dax. Mit Blick auf den Softwareriesen SAP (rund 108 Milliarden Euro) und den Industriegase-Konzern Linde (gut 147 Milliarden Euro) haben die Münchener jedoch an Boden verloren. (dpa/rs)