Im Leben eines Top-Managers gibt es schöne und es gibt schwierige Tage. Der 10. November 2006 war für Post-Chef Klaus Zumwinkel ein besonders schöner Tag. Auf einen Schlag verkaufte er 200.640 Aktien zum Kurs von 21,78 Euro - Papiere, die er über sein Aktienoptionsprogramm zu einem Ausübungspreis von 14,10 Euro zugeteilt bekommen hatte. Macht einen Gewinn von rund 1,5 Millionen Euro.
Zahltage dieser Art dürfte es künftig deutlich seltener geben. Aktienoptionen - in den 90er Jahren die Motivationswunderwaffe schlechthin - gelten inzwischen als Auslaufmodell. Alfred Rappaport, emeritierter Professor an der Kellogg School of Management und geistiger Vater der Shareholder-Value-Bewegung, würde die Optionspläne lieber heute als morgen abgeschafft sehen. Denn sie hätten das Gegenteil dessen erreicht, was ursprünglich mit ihnen bezweckt worden sei.
Die Gründe kennt Ernst & Young-Vergütungsexperte Jens Maßmann (40) auch aus der Praxis: "Aktienoptionen sind häufig so kompliziert konstruiert, dass sie etwa ein technisch ausgebildeter Bereichsleiter kaum verstehen kann. Und sie verschaffen Managern über branchenbedingt steigende Aktienkurse oft Windfall Profits, die wenig mit deren individueller Leistung zu tun haben." Kurz: "Aktienoptionen sind ein ineffizientes Vergütungsinstrument, weil sie nur funktionieren, wenn die Kurse steigen."
Das potenzielle Missverhältnis zwischen Leistung und Bezahlung hat nach einer Studie von Maßmann inzwischen dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Optionspläne durch Entlohnungssysteme ersetzen, die stärker die individuelle Leistung eines Managers belohnen und statt kurzfristiger Kursanstiege die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens zum Erfolgskriterium machen.
Auf die folgenden Punkte müssen sich Führungskräfte einstellen. Die Gehaltstrends für 2007:
Individuelle Leistung zählt. Die Unternehmen führen zunehmend Vergütungsinstrumente ein, denen anstelle des Aktienkurses individuell messbare Leistungsziele zugrunde liegen.
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Langfristige Ziele dominieren. Die Fristen bis zur Zuteilung von Prämien und Boni erhöhen sich im Schnitt auf fünf Jahre und mehr.
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Verdienstchancen sind begrenzt. Die Unternehmen deckeln den möglichen Zusatzverdienst der kapitalmarktabhängigen Gehaltsbestandteile auf das Zwei- bis Dreifache der potenziellen Bonushöhe.
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Die Zahl der Topverdiener sinkt. Der Kreis der Manager, die überhaupt in den Genuss erfolgsorientierter Vergütungsprogramme kommen, schrumpft zusehends. Viele Unternehmen gewähren nur dem Vorstand und den beiden Ebenen darunter mittel- und langfristige Vergütungselemente.
Die neuen Spielregeln verhindern den Lotterieeffekt der bislang üblichen Aktienoptionspläne. Gleichzeitig sinkt das Risiko, trotz guter Leistung leer auszugehen. Die Zeiten, zu denen mit den Aktienkursen auch die Werte der Optionen fielen, ohne dass der einzelne Manager dagegen etwas tun konnte, sind vorbei.
Aktienoptionspläne sind out
Auf dem Vormarsch sind nach einer Erhebung der Unternehmensberatung Towers Perrin Einkommenssysteme mit Barkomponenten, deren Höhen zunehmend auf Basis individueller Leistungskriterien ermittelt werden. Reine Aktienoptionspläne werden zum Auslaufmodell. Seit dem Jahr 2000 hat sich deren Verbreitung in den Dax-Unternehmen von 52 auf 27 Prozent nahezu halbiert.
In den neuen Vergütungsprogrammen bestimmen nicht mehr vorrangig die externen Effekte des Kapitalmarktes die monetäre Belohnung oder Bestrafung eines Managers. Stattdessen verwenden die Firmen interne Kennzahlen sowie den Vergleich mit Konkurrenzunternehmen als Basis für die Berechnung der Boni.
DaimlerChrysler, vor zehn Jahren Vorreiter mit einem Aktienoptionsprogramm, hat sein Vergütungssystem schon vor zwei Jahren neu ausgerichtet. "Unser Cash-Plan basiert auf virtuellen Aktien. Im Gegensatz zu Stock Options, bei denen je nach festgelegtem Kurs gar nichts oder möglicherweise sehr viel gezahlt wird, können wir mit unserem aktienorientierten Programm starke Schwankungen ausgleichen", sagt Lutz Wittig (44), Leiter der Vergütungspolitik des Autokonzerns.
Ob ein Manager seinen Bonus verdient hat, wird nach drei Jahren anhand individueller Zielvereinbarungen sowie externer Kennzahlen ermittelt. Gefordert werden eine Mindestkapitalrendite sowie eine Umsatzrendite, die dem Vergleich mit der der wichtigsten Wettbewerber standhalten kann.
Aber selbst wenn klar ist, dass ein Bonus gezahlt wird, kommt der Manager nicht umgehend an sein Geld. Seine virtuellen Papiere bleiben ein weiteres Jahr für den Verkauf gesperrt. Anschließend kauft ihm das Unternehmen die Phantomaktien zum aktuellen Kurs ab.
Für alle Führungskräfte sowie die Mitglieder des Vorstands gilt eine zusätzliche Restriktion: Sie müssen ein Viertel des Bruttoerlöses in reale DaimlerChrysler-Aktien investieren. "Dieses Modell erlaubt eine genauere Orientierung an den Zielgrößen und hält unsere Führungskräfte dazu an, langfristig zu handeln", sagt Wittig.
Wartezeiten bei Bonusprogrammen
Nicht nur das Beispiel DaimlerChrysler zeigt, dass es oft lange dauert, bis das Geld auf dem Konto landet. Bei knapp der Hälfte der Dax-Unternehmen müssen sich die Manager bis zu drei Jahre gedulden, ehe sie ihre Boni in Bargeld tauschen können, wie eine Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) zeigt.
So hat auch der Energiekonzern Eon die Wartezeiten seines jüngsten Incentive-Programms von zwei Jahren auf drei Jahre verlängert. Je nach Programm erhalten die Manager ihre Leistungsprämien in anderen Unternehmen sogar erst nach über zehn Jahren.
Zum Einkommensmillionär aufzusteigen dauert mit den neuen Vergütungsmodellen nicht nur länger, es wird auch schwieriger. Rekorde an der Börse sollen künftig keine Rekordvergütungen mehr auslösen.
Bei mehr als der Hälfte der Firmen darf der variable Teil des Gehalts nur zwischen 100 und maximal 300 Prozent des ursprünglich vereinbarten Bonus betragen, wie eine Umfrage des Unternehmensberatung Kienbaum unter deutschen Großunternehmen ergab.
Ein Fünftel aller Unternehmen ermächtigt den Aufsichtsrat gar, bei unerwarteten Entwicklungen eine solche Begrenzung nachträglich einzuführen. "Es gibt einen Trend, die als unanständig empfundenen Spitzen zu kappen, die mit den alten Programmen möglich waren", sagt Kienbaum-Vergütungsexperte Alexander von Preen.
Neben den falschen Anreizen gibt es auch einen ganz handfesten Grund für das langsame Aussterben der Optionsprogramme. Gemäß den neuen Bilanzierungsvorschriften nach IFRS 2 müssen Aktienoptionspläne seit 2005 in den Bilanzen als Personalaufwand ausgewiesen werden. Weil dies extrem teuer werden kann, suchen die Unternehmen nach Alternativen - und verringern bei dieser Gelegenheit gleichzeitig den Kreis der Manager, die überhaupt in den Genuss der lukrativen Vergütungsprogramme kommen.
"Unsere Untersuchungen zeigen eine Tendenz, die Zahl der Teilnehmer für mittel- und langfristige Incentivepläne auf den Vorstand und die zwei Ebenen darunter zu beschränken", sagt PwC-Vergütungsexperte Michael Bursee. Ein- und Aufsteiger, die sich für eine Karriere bei einem Börsenunternehmen entschieden, weil sie hofften, über Aktienzuteilungen schnell reich werden zu können, werden also enttäuscht.
Wer an die großen Fleischtöpfe herankommen will, muss sich wieder - ganz klassisch - Stufe um Stufe auf der Hierarchieleiter emporarbeiten.