Gedächtnis in Zeiten moderner Datenspeicherung ist out. Auf diese kurze Formel lassen sich Phänomene bringen, die Anwender moderner Speichertechnologien alle schon an sich beobachtet haben: Telefonnummern von Verwandten, Freunden und Geschäftspartnern – von der eigenen ganz zu schweigen – kann sich kaum jemand noch merken. Warum auch, man hat sie ja im Smartphone. Und den Inhalt wichtiger Dokumente muss auch niemand mehr auf der lokalen Festplatte, gemeinhin „Gehirn" genannt, ablegen; Google findet das alles viel besser wieder – und viel schneller.
Allerdings: Ganz ohne eigenes Wissen kommt auch in Zukunft niemand aus, der Smartphones und Internet zur Datenspeicherung nutzt, meint Gedächtnistrainer Hofmann: „Wer keine Informationen als Grundwissen abgespeichert hat, wird nicht in der Lage sein, Transferwissen zu bilden". Zudem wäre das Auslagern des Gedächtnisses an moderne Technik die reine Ressourcenverschwendung: Das Gehirn sei nicht nur „der größte Computer der Welt", sondern auch der schnellste und leistungsfähigste.
Grund genug also, sich der Pflege und den nötigen Updates nicht zu verweigern. „Gehirnjogging" heißt das bei Markus Hoffmann, aber es geht weniger um sportliche Höchstleistungen als darum, sich auf eine kindliche Art des Denkens zu besinnen.
Wer schon einmal regelmäßig gegen Kinder im Memory verlieren durfte, weiß, wovon der Experte spricht: Kinder scheinen sehr viel leichter in der Lage zu sein, sich die Position doppelter Bilder zu merken, als das Erwachsene können. Warum das so ist? Kinder machen sich weniger ein Kopf darüber, wo genau die Karten liegen („dritte Reihe von oben, vierte Karte von links"), sondern merken sich einfach die Bilder. „Emotionales Lernen", nennt Hofmann das. Erwachsene, meint Hofmann, speicherten Informationen dagegen rational und damit viel zu kompliziert. Und sie scheitern mit dieser Strategie schon an vergleichsweise harmlosen Aufgaben wie der genauen Lage von Memory-Karten.
Bauch, Beine und Po
Was leicht klingt, ist dennoch nicht einfach zu realisieren. „Denken und vor allem fühlen wie ein siebenjähriges Kind" ist Markus Hofmann zufolge eine gute Übung dafür. Wie das praktisch aussieht, sehen Sie in den Bildern dieses Artikels: locker sein, sich ungewöhnliche Berührungen trauen. Solche Übungen dienen dazu, sich in die richtige Stimmung, genauer: das richtige Alter zu transportieren, um gut merken zu können. Wobei der Experte Wert auf die Unterscheidung von „kindlich" und „kindisch" legt. Wer kindlich denkt, ist von kindischen Verhalten weit entfernt, dass da keine Missverständnisse aufkommen.
Und dann gibt es von Markus Hofmann noch einen Ausflug in die Technik – für Teilnehmer der IT-Strategietage eine vertraute Vokabel, wenn auch mit anderem Sinn. Die Technik beim Gedächtnistrainer heißt an diesem Tag „Die Körperliste" und besteht, wenn der Autor dieses Beitrags sich das richtig gemerkt hat, aus zehn Teilen: Zehen, Knie, Oberschenkel, Po, Bauch, Brust, Schulter, Hals, Gesicht und – wer hat – Haare. Wer diesen Körperteilen Merksätze (Mnemos) sinnvoll zuordnet, wird sich später leichter merken können, was zu merken er sich vorgenommen hat.
Beispiel? Die zehn Weltwunder der Moderne, das Taj Mahal etwa, die Chinesische Mauer oder die Christusstatue in Rio de Janeiro. „Stellen Sie sich vor", so Markus Hofmann im schönsten Gleichnis seines Vortrags, „auf Ihren Oberschenkel sitzt der Macho Dieter Bohlen". Von Macho zu Machu und von dort zur Inkastadt Machu Pichu sei es gedanklich nur ein kurzer Weg, aber, so Hofmann, wer ihn einmal beschritten hat, wird ihn wahrscheinlich nie wieder vergessen.
Und wer bei den Gedächtnisübungen, wie bei den Teilnehmern der IT-Strategietage zu sehen, die dazu gehörigen Körperpartien berührt, wird sich diese Zusammenhänge noch besser merken können. „Je mehr Reize damit verbunden sind, umso besser", so Hofmann. Was zusätzlich hilft ist, sich nicht alle zehn betroffenen Körperteile zu merken, sondern ein paar Haltepunkte zu definieren. Wenn zum Beispiel „drei" der Oberschenkel, „fünf" der Bauch und „sieben" die Schulter ist, findet man von dort schneller zu Hintern, Hals und Haar zurück, als ohne diese Haltepunkte.
Wer dann diese Übungen noch zwei-, dreimal wiederholt, wird schnell merken, wie gut diese Methoden funktionieren. Und das war es, was der Gedächtnistrainer seinen Zuhörern vermitteln wollte. Es ist ihm geglückt, und so lautet sein Fazit: „Geist ist geil". Stimmt!