Mitarbeiterführung

"Geld spielt keine Rolle"

27.12.2006 von Karsten Langer
Gutes Personal in der IT zu finden ist schwierig. Edmund Küpper, Chef des IT-Dienstleisters SD&M, spricht über die Situation seiner Branche und die Kunst, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu halten.

Macht Ihnen die zunehmende Abwanderung von Akademikern aus Deutschland zu schaffen?

Küpper: Es wandern nicht nur Leute aus, sondern auch viele nach Deutschland ein. Der Saldo ist immer noch deutlich positiv, das wird schlechter dargestellt als es ist. IT-Absolventen mit guten Noten haben keinen Grund, nach Australien auszuwandern. Oft spielt bei Auswanderungen die persönliche Motivation eine große Rolle. Ich wäre schon froh, wenn die Bereitschaft, innerhalb Deutschlands für einen Arbeitsplatz umzuziehen größer wäre. Das würde vielen helfen.

Haben Sie denn Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden?

Küpper: Es ist nicht leicht, weil wir nicht einfach Fachkräfte suchen, sondern hoch qualifizierte und sehr gut ausgebildete Leute. Wir nehmen niemanden, der nicht eine bessere Abiturnote als 2,5 hat. Das gilt auch als Mindestanforderung für das Diplom.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Manager Magazin Online.
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2,5? Heute hat doch jeder mindestens eine Note zwei oder besser.

Küpper: Beim Abitur mag das noch sein, aber beim Diplom trennt sich dann schon die Spreu vom Weizen.

Und wie gelingt es Ihnen, die Richtigen zu finden?

Küpper: Wir versuchen, gute Kontakte zu den einschlägigen Hochschulen zu halten. Wir veranstalten Jobbörsen, ermöglichen Praktika und haben Werkstudenten bei uns im Betrieb.

Das machen andere Unternehmen auch.

Küpper: SD&M ist so etwas wie eine verlängerte Version des Campus. Wir arbeiten im Team und versuchen, dass sich Neueinsteiger nicht so schnell allein gelassen fühlen. Wir wollen, dass unsere Kollegen so viel wie möglich lernen. Deswegen kümmern sich die erfahrenen Kollegen besonders um unsere jüngeren Mitarbeiter.

Gibt es diese Fürsorge auch dann, wenn die Neuen potenzielle Konkurrenten sind?

Küpper: Bei uns werden die Bewerber nicht durch die Personalabteilung eingestellt. Das machen die Chefs aus den Abteilungen selbst. Die wichtigen Gespräche werden mit den Kollegen und späteren Vorgesetzten geführt, die suchen die Leute aus und tragen die Verantwortung. Da ist kein Platz für Starallüren.

Fehlt den Abteilungsleitern nicht die Kompetenz?

Küpper: Fachliche Kompetenz ist nur die eine Seite der Medaille. Genauso wichtig ist die Persönlichkeit des Menschen. Wenn wir Zweifel an einer dieser beiden Dimensionen haben, dann sagen wir Nein. Wir trauen unseren Führungskräften zu, dass sie eine solche Entscheidung treffen können.

Welche fachlichen Anforderungen stellen Sie?

Küpper: Unsere Maßstäbe sind eher generalistischer Natur, wir stellen ja auch Mathematiker und Physiker ein. Deswegen stehen nicht unbedingt IT-spezifische Anforderungen im Vordergrund. Wir suchen Informatiker, die sich generell auf dem Gebiet des Software-Engineering auskennen. Diese Generalisten erarbeiten sich die notwendigen Fertigkeiten dann in den Projekten, an denen sie mitarbeiten. Der intellektuelle Kopf, der analysieren und strukturieren kann, ist uns wichtiger als einer, der schmalspurig einen ungeheuren Tiefgang in einer Materie hat.

Ihr Unternehmen programmiert Individual-Software. Was wollen Sie da mit Generalisten?

Küpper: Die fachliche Expertise ist das, was wir unseren Mitarbeitern im Nachhinein beibringen. Etwa durch Kundenprojekte oder die Einarbeitung, die sie bei uns erfahren. Das kann man während der Arbeit lernen. Für die vorgenannten Fähigkeiten muss man dagegen ein Talent und eine gründliche Ausbildung mitbringen.

Software wird immer komplizierter. Werden nicht auch Sie in Zukunft auf Spezialisten ausweichen müssen?

Küpper: Ja, aber in anderer Richtung. Es wird zunehmend wichtiger, sich mit Produkten und den inhaltlichen Fragestellungen des Kunden auszukennen. Deswegen werden wir in Zukunft immer mehr Menschen einstellen, die auch Fertigkeiten aus dem industriellen Bereich haben.

Junge Akademiker haben einen Hang zum Verspielten. Wie lange geben Sie diesen Menschen Zeit, sich zu akklimatisieren?

Küpper: Keine Minute. Jeder neue Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin muss sofort an Projekten teilnehmen. Die hohe Kunst ist es, die Kollegen nicht zu überfordern und Schritt für Schritt an höher qualifizierte Aufgaben heranzuführen. Wir halten nicht viel von abstrakten Einführungsseminaren. Uns ist die Praxis wichtiger.

Gibt es Mentoren, die sich um die Neuen kümmern?

Küpper: Auf der einen Seite gibt es Mentoren, auf der anderen Seite das Team, das sich um die Neuen kümmert. Das vermittelt eine gewisse Geborgenheit, aber gleichzeitig eine höhere Intensität in Bezug auf die Lernkurve.

Ein Vorurteil Informatikern gegenüber besagt, dass diese nur bedingt sozialfähig seien. Was nützt vor diesem Hintergrund die ganze Bemutterung?

Küpper: Das ist in der Tat ein Vorurteil. Aber wer sich mit großer Freude naturwissenschaftlichen Fragen stellt, hat mit Sicherheit eine genetische Vorprägung. Und die sieht in der Regel nicht vor, dass man lieber einen sozialen Beruf ergriffen hätte.

Trotzdem sollte man in der Teamarbeit ein bisschen soziale Kompetenz besitzen.

Küpper: Wir werden wohl kaum einen Theologen aus einem Informatiker machen können. Aber wir können durch Vorleben schon eine gewisse Aufmerksamkeit auch auf diese sozialen Aspekte legen. Das ist nicht nur im internen Umgang, sondern vor allem im Umgang mit Kunden wichtig. Denn im Umgang mit den Kunden wirken solche Leute sonst sehr schnell arrogant und überheblich.

Wie bringen Sie Ihr Personal dazu, die geforderten Leistungen zu erbringen?

Küpper: Wir arbeiten nicht an den Schwächen unserer Leute, um daraus Stärken zu machen. Das hat noch nie funktioniert. Wir versuchen stattdessen, die Stärken zu entwickeln.

Wie konkret machen Sie das?

Küpper: Wir haben ein stringentes System der Leistungsbeurteilung. Bereits in dem Jahr, in dem sie einsteigen, werden die Kollegen in einem Ranking-Prozess, der auch zur Gehaltsfindung dient, beurteilt. In diesem Prozess werden die Aspiranten im Verhältnis zu ihren Kollegen und Kolleginnen bewertet.

Am Ende des Jahres droht also der Schlag ins Kontor?

Küpper: Nein, das ist natürlich ein offener Prozess. Das läuft absolut transparent ab.

Bedienen Sie sich spezieller Methoden, um junge, talentierte Mitarbeiter zu halten?

Küpper: In erster Linie setzen wir auf Selbstmotivation. Darüber hinaus bieten wir unseren Mitarbeitern an, Strategiegespräche zu führen. Da werden Erfolge und Potenziale analysiert, und es kann entschieden werden, welche Personalentwicklungsmaßnahmen geeignet sind. Daneben gibt es für jeden neuen Mitarbeiter eine Erfolgsbeteiligung.

Hat sich die Qualität der Bewerber verändert?

Küpper: Langsam setzt sich das Bewusstsein durch, das nicht nur technisch-fachliches Kow-how ausschlaggebend für den späteren Erfolg ist, sondern auch die Fähigkeit, dass eigene Wissen darstellen und vermitteln zu können. Das ist zwar ein zartes Pflänzchen, aber die Entwicklung geht in die richtige Richtung.

Welche Rolle spielt die Höhe des Gehalts bei der Einstellung?

Küpper: Bei den Hochschulabgängern gibt es bestimmte Spektren, in denen wir uns bewegen. Da entstehen aber überhaupt keine Probleme. Andere Aspekte sind wichtiger. Etwa die langfristige Perspektive, die Aufgabe und die Entwicklungsmöglichkeiten. Solange man sich nicht außerhalb eines gewissen Erwartungskorridors befindet, der in der Industrie allgemein gezahlt wird, spielt Geld keine Rolle.

Aber das bleibt ja nicht immer so.

Küpper: Bei älteren Mitarbeitern wird der Faktor Geld natürlich wichtiger. Ich weiß aber, dass wir bei SD&M in allen Hierarchiestufen nicht die höchsten Gehälter bezahlen. Wir offerieren vielmehr ein Leistungspaket. Das ist es, was unsere Mitarbeiter reizt. Deren Motivationen sind nicht nur geldgetrieben.

Empfinden Sie denn so etwas wie eine Fürsorgepflicht gegenüber Ihren Mitarbeitern?

Küpper: Die Mitarbeiter unseres Hauses sind unser Kapital. Ansonsten haben wir nichts. Die paar PCs und Schreibtische, die hier rumstehen, sind nichts wert.

Und das wissen die Mitarbeiter auch?

Küpper: Das sollten sie auf jeden Fall spüren. Wir versuchen, offen, ehrlich und fair zu sein. Diesem Wertekanon fühlt sich das Unternehmen seit nunmehr 25 Jahren verpflichtet. Wir sind organisch gewachsen, deswegen hat sich an der Unternehmenskultur auch nie viel geändert.

Und Sie selbst sind auch offen, ehrlich und fair?

Küpper: Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen einen Rahmen schaffen, in dem Sie sich erfolgreich weiterentwickeln können. Meine Tür ist immer offen, und meine E-Mails beantworte ich stets selbst. Es geht hier auch streng zu, aber immer sehr offen, ehrlich und fair.

Sie sind also unmissverständlich der Chef?

Küpper: Hier wird nichts in eine Konsenssoße eingerührt, und das hier ist auch keine Laisser-faire-Kommune. Hier läuft es nach bestimmten Regeln, und die werden auch relativ streng angewendet. Das Verrückte dabei ist, dass ich dabei auf der einen Seite zwar Respekt genieße, auf der anderen Seite aber nicht die Nähe entsteht, die ich mir als Rheinländer manchmal wünschen würde.

Welche Wettbewerber machen Ihnen die Fachkräfte streitig?

Küpper: Im Bezug auf die Hochschulabsolventen befinden wir uns im Wesentlichen im Wettbewerb mit IBM oder Accenture.

Sind das auch die Unternehmen, die bei Ihnen wildern?

Küpper: Nein, eigenartigerweise kommt es eher selten vor, dass unsere Mitarbeiter zu Wettbewerbern wechseln. Die machen sich, wenn sie bei uns ausscheiden, eher selbstständig oder arbeiten für unsere Kunden.

Und es ist keiner dabei, dem Sie nachweinen?

Küpper: Unsere Fluktuation liegt im niedrigen einstelligen Bereich, aber natürlich gibt es vereinzelt Fälle, die wehtun. Wir sind hier nicht im Paradies.