Social, Mobile, Analytics und Cloud sind die Treiber für den Finanzdienstleister Western Union. Besonders für den deutschen Markt hält CTO John David Thompson zwei von diesen SMAC-Trends für ausschlaggebend: "Vor allem Social und Mobile sind entscheidend für uns."
Wer Geld über Grenzen hinweg verschicken muss, nutzt die Western Union Company - auch wenn er dafür hohe Gebühren in Kauf zu nehmen hat. Viele Migranten verlassen sich bei Geldtransfers in ihre Herkunftsländer auf das Unternehmen. Im Jahr 2015 hat Western Union im Durchschnitt 31 Transaktionen pro Sekunde durchgeführt und 250 Milliarden Dollar für seine Nutzer und Business-Kunden transferiert. Das Unternehmen verfügt über mehr als 500.000 Vertriebsstandorte weltweit. In Deutschland ist der größte Partner die Postbank.
Geldtransfer im Social Web
Western Union würde gerne auf allen Plattformen mitspielen. Seit Oktober 2015 stellt der Finanzdienstleister deshalb seine "Connect Platform" zur Verfügung. Andere Anbieter können über das Application Programming Interface (API) in sozialen Netzen globale Geldtransfers offerieren. Plattformen wie "WeChat", das chinesische Pendant zu WhatsApp, bieten zwar schon seit Langem Bezahlfunktionen an.
In China nutzen die mehr als 760 Millionen User den unkomplizierten Service auch schon rege - nur eben nicht grenzüberschreitend. Für die WeChat-User in den USA springt deshalb seit Ende letzten Jahres Western Union ein. Der amerikanische Anbieter unterstützt 16.000 Korridore, also Verbindungen von einem Land in ein anderes. Zu den Nutzerzahlen konnte sich Thompson allerdings nicht äußern.
Auch die Messaging-Plattform "Viber" nutzt seit Februar die Western-Schnittstelle. In einer ersten Version können Viber-Nutzer in den USA Dollar zur Abholung bei den weltweiten Western-Agenturen schicken. "Die Connect Platform bietet die Gelegenheit, verbindlichere Beziehungen auf sozialen Plattformen zu schaffen", findet Thompson. Wie viele Amerikaner tatsächlich den Service nutzen, sagte er jedoch nicht. Viber hat laut Statista.com weltweit schon mehr als 750 Millionen User, Branchenprimus WhatsApp mehr als eine Milliarde. Facebook und WhatsApp habe man die Dienste auch schon angeboten, erzählt Thompson, bislang ohne Erfolg.
Kunden wollen nur eine Wallet
Sind mobile Geldbörsen eine Bedrohung für Western Union? "Gar nicht", sagt Thompson. Er sieht die Apple oder Google Wallets als eine Ergänzung des eigenen Service. Kunden können Geld an eine Western-Filiale oder ein Bankkonto überweisen - oder, sofern vorhanden, eben auch auf eine elektronische Geldbörse. Die spannende Frage lautet für den CTO eher: "Wie viele Geldbörsen werden Sie in Zukunft in der Tasche haben? Wahrscheinlich nur eine", meint Thompson: "Wir glauben, dass das online genauso wie im echten Leben sein wird. Manchmal haben User zwei Geldbörsen, aber meistens nur eine." Und da man nicht wisse, welche sich bei den Nutzern durchsetzt, "müssen wir eben überall sein".
Zum Beispiel in Kenia: Die Mobilfunkfirma Safaricom hat dort in Kooperation mit Vodafone das Zahlungssystem "M-Pesa" entwickelt, für das User kein reguläres Bankkonto brauchen. Seit 2007 erfreut sich M-Pesa wachsender Nutzerzahlen. Mittlerweile gibt es nicht nur in Kenia Nachahmer. Thompson nennt als neuesten Partner "bKash" in Bangladesch. Auch dort werden kleinere Beträge über Handys abgewickelt.
Eine Herausforderung für alle Telkos weltweit bleiben dabei jedoch Überweisungen in fremde Länder. Die damit verbundenen Regularien wollen sich Telkos genauso wenig wie die meisten Banken antun. Ob es einfacher ist, mit Telkos als mit Banken zu verhandeln? "Das hängt wirklich von den Einzelfällen ab", sagt Thompson: "Einige sind herausfordernd, weil sie die Komplexität des grenzüberschreitenden Geldversands nicht verstehen."
Hadoop-Cluster mit 36 Knoten gegen Kriminelle
Neben den hohen Gebühren lautet eine immer wiederkehrende Kritik an Western Union, dass das internationale Überweisungssystem gerne auch von Kriminellen genutzt wird. Um diese unliebsamen Kunden abzuschütteln, setzt Thompson einen Hadoop-Cluster mit 36 Knoten ein.
Sie durchforsten regelmäßig 4 Petabyte Daten auf der Suche nach Betrugsmustern. Auf rund 1000 Rechenroutinen pro Transaktion schätzt Thompson den Aufwand, bevor Geld tatsächlich überwiesen wird. 2200 Spezialisten bei Western Union machen nichts anderes, als Betrugsmuster zu erkennen. Wie alle anderen Banken ist auch der Finanzdienstleister Western Union verpflichtet, auffällige Geldbewegungen zu melden. Fließen beispielsweise viele Beträge immer an nur eine Person, dann gehen die Alarmglocken an.
Cloud für Echtzeitanalyse
Cloud-Dienste bezeichnet Thompson als vielversprechend: "Wir nutzen das für unser Echtzeit-Risk-Assessment." Die regulativen Anforderungen an grenzüberschreitende Überweisungen sind hoch und die Gefahr groß, die falschen Kunden zu bedienen. Gleichzeitig ist keinem Nutzer zuzumuten, längere Checks für vergleichsweise geringe Beträge über sich ergehen zu lassen. "Die Customer-Experience ist eines meiner wichtigsten Themen", betont Thompson. Deswegen nutzt er eine hybride Cloud für die Risikoabschätzung.
"Cloud von Amazon nicht unsicher"
Western Union betreibt vier eigene Rechenzentren, zwei davon in den USA, eines in Irland und ein weiteres in Russland, weil die dortige Rechtsprechung das so verlangt. Die deutschen Gesetze seien auch sehr anspruchsvoll in puncto Datenschutz, meint der CTO. Sie erfordern aber kein Extra-Rechenzentrum im Land. "Wozu auch?", fragt Thompson: "Cloud-Angebote von Amazon oder Microsoft sind nicht unsicher." Thompson kennt die Security-Szene: Er stand als CIO bei Symantec, Oracle und Peoplesoft stets knietief in der Technik.
Drei Gründe für den deutschen Markt
Mittlerweile trägt der Western-Union-CTO auch den Titel "Executive Vice President of Global Operations" und kümmert sich stärker ums Kerngeschäft. Deutschland ist dabei für ihn aus drei Gründen wichtig:
Mehr als zehn Milliarden Euro schicken Menschen mit Migrationshintergrund jedes Jahr aus Deutschland in ihre Heimat. Damit ist Deutschland weltweit einer der größten der sogenannten Remittance-Märkte.
"Der Wettbewerb ist in Deutschland groß", betont Thompson. Immer mehr Finanzdienstleister und Banken bemühen sich um immer mehr Migranten beziehungsweise die entsprechenden Korridore. "Aber wir bedienen mit mehr als 130 Währungen die meisten", sagt Thompson.
Viele Migranten erleben in Deutschland das erste Mal, dass sie Geld in ihre alte Heimat überweisen können. "Selbst, wenn sie nicht in Deutschland bleiben, lernen sie hier, wie das geht", sagt Thompson, der Western Union dabei natürlich gerne in den Köpfen verankern möchte.
Deutschland ist herausfordernd
Interessante Koinzidenz: Während die Migranten sich in die Konditionen grenzüberschreitender Überweisungen hineinfuchsen und dabei zunehmend mobile Wallets nutzen, bleiben die Deutschen eher skeptisch. Mobile Geldbörsen sind hierzulande ähnlich unbeliebt wie Schecks oder Kreditkarten. Am liebsten zahlt der Deutsche bar. Für Thompson ergibt sich daraus die spannende Frage, ob sich durch neue Nachbarn vielleicht auch neue Services in einem ansonsten tradierten Markt etablieren lassen. "Sehr herausfordernd, was Deutschland da gerade macht", sagt Thompson: "Sehr vielversprechend."