Im Zuge der Digitalisierung unterscheiden Forscher zwischen "Digital Natives", jungen Leuten, die mit Informationstechnologie aufgewachsen sind, und "Digital Migrants", Älteren, die sich den Umgang mit IT erschließen mussten. Das US-Analystenhaus Gartner fügt einen neuen Begriff an: den der "AI-Natives". Gemeint sind die Jahrgänge ab 2010, für die Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) Alltag sein wird. In dem Thesenpapier "Gen AI - Artificial intelligence empowers a generation of radical thinkers" geht es um die Auswirkungen auf Arbeit und Konsum.
Gartner zeichnet das Bild von Menschen, die Apps mit Elementen von Künstlicher Intelligenz ab dem Alter von zwei oder drei über mobile Endgeräte nutzen. Augmented Reality und Virtual Reality wird für sie so selbstverständlich sein wie der PC als Arbeitsgerät für die Jahrgänge ab 1980. Dabei wird es "die" Generation AI nicht geben. Gartner erwartet eine grobe Unterteilung in fünf Idealtypen: Surfer, Wächter, Intellektuelle, Netzwerker und Skeptiker. Das gilt weltweit.
Die ersten Wächter kommen aus China
Eine Kurzcharakteristik zu den fünf Typen:
1. Surfer
Sie werden das Gros der "Generation AI" stellen. Sie wollen KI-Systeme nicht verstehen oder verbessern, sondern schlicht im Alltag nutzen.
2. Wächter
Was sich heute unter Begriffen wie "Shitstorm" abzeichnet, wird für "AI Watchers" Selbstverständlichkeit sein: das genaue Beobachten und Beurteilen von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in moralisch "gut" und "schlecht". Solche Wächter stammen aus allen Regionen, vor allem aber aus Ländern mit autoritären Regimen. Im Netz suchen sie "wahre" Informationen, arbeiten mit der Blockchain und halten sich aus Gründen der Anonymität gern im Dark Net auf.
Gartner erwartet, dass die ersten AI-Wächter in China heranwachsen, aus Protest gegen die autoritäre Staatsführung und deren Reglementierung des Internet-Zugangs. Junge Russen werden diesem Beispiel folgen.
3. Intellektuelle
Vor allem in gutsituierten Haushalten aus technologisch hochentwickelten Regionen wachsen AI-Intellektuelle heran. Ihre Eltern haben früh Smart Home-Technologien genutzt. Diese jungen Leute werden sich zu sehr kreativen Denken entwickeln, die flexibel arbeiten wollen - oder selbst gründen. Sie wollen vor allem einen Job, den sie persönlich interessant finden.
4. Netzwerker
Die heute benachteiligten Kinder aus wirtschaftlich armen Regionen in Afrika, Indien und China wachsen kaum mit AI-Technologien auf. Bekommen sie aber erst einmal Zugang zu Ressourcen und Communities, "blühen sie auf wie eine Wüstenblume nach dem Regen", schreibt Gartner. Sie werden sich insbesondere für Themen wie Bildung und Gesundheit einsetzen. Von "der Gesellschaft" oder "dem Staat" erwarten sie wenig.
5. Skeptiker
Skeptiker finden sich überall auf der Welt, auch in der Generation, die erst in zehn oder mehr Jahren reif für das Arbeitsleben ist. Sie misstrauen Unternehmen, befürchten Verletzungen des Datenschutzes und ihrer Privatsphäre und versuchen, die Nutzung von künstlicher Intelligenz zu vermeiden. Sie denken, dass KI-Systeme Arbeitsplätze vernichten.
Im Business wird es menscheln
Egal, zu welchem Cluster die jungen Leute gehören - sie alle werden als Mitarbeiter, Führungskräfte oder Gründer für das geschätzt werden, was Künstliche Intelligenz nicht kann. Gartner nennt Eigenschaften wie Kreativität, Einfühlungsvermögen, Neugier und moralisches Urteilsvermögen. Routine-Tätigkeiten wird diese Generation kaum noch ausführen.
Umgangssprachlich ausgedrückt: Es wird mehr menscheln im Business. Die Gen AI betrachtet jedes Gegenüber, ob Zulieferer, Kollege oder Partner, als Freund. In Sachen Hardware schwindet die Vorstellung von "toter Materie". Manchen KI-Systemen, zum Beispiel niedlichen Robotern, lässt die Gen AI menschliche Zuneigung angedeihen.
Auch KI-Systeme müssen auf die Couch
Jeff Kowalski, Chief Technology Officer beim Software-Anbieter Autodesk, fordert, die Anbieter von KI-Systemen in die Verantwortung zu nehmen. Weil diese Systeme zunehmend Entscheidungen treffen, schlägt er eine neue Berufsgruppe vor: Psychoanalytiker oder Forensiker, die erforschen, warum ein KI-System sich auf eine bestimmte Weise verhält. Die Analytiker ergründen, welche Berechnungen und Erfahrungen das System zu diesem oder jenem Ergebnis führen lassen.
Gartner zitiert in der Studie Garri Kasparow. Der Schachweltmeister betont: "Der Triumph jeder Maschine war immer der Triumph eines Menschen. Wir neigen dazu, dies zu vergessen, wenn unsere eigene Schöpfung uns überholt."