Der Arbeitsmarkt hat sich auf gravierende Veränderungen einzustellen - daran besteht kein Zweifel. Schuld daran ist die Generation Z: Denn im Gegensatz zu älteren Generationen müssen die Z-ler nicht erst den Umgang mit Hard- und Software erlernen.
Vertreter der Generation Z sind digital aufgewachsen, sie kennen nichts anderes als eine vernetzte Welt mit Smartphone, Social Web und mehr oder weniger vernetztem Haushalt. Für diese Berufseinsteiger ist der Umgang mit Hard- und Software selbstverständlich. Für potenzielle Arbeitgeber heißt das, dass sie bestimmten Anforderungen und Maßstäben genügen müssen, um von dieser umworbenen Generation überhaupt wahrgenommen zu werden.
Ein Roundtable-Gespräch, zu dem sich Personalverantwortliche verschiedener Unternehmen und Branchen im IDG-Medienhaus trafen, zeigte, dass die Arbeitgeber bereit sind, sich auf die Lebensgewohnheiten dieser Generation einzulassen. Diskutiert wurde aber, wie es Unternehmen gelingt, für Digital Natives als attraktive Arbeitgeber zu erscheinen.
Wie Unternehmen letztendlich für die "Digital Natives" auch in Zukunft als attraktiver Arbeitgeber in Erscheinung treten können, diskutierten
Lena Gramlich (HR Specialist: Fujitsu TDS)
Harald Huber (Geschäftsführer: Retencon)
Uwe Kloos (Personalchef NTT Data)
Frank Rechsteiner (Inhaber: Hype Group)
Carsten Sievers (Staff Development Manager: metafinanz)
Lesen Sie die Ergebnisse des Roundtables ...
Fujitsus Erfolgsrezept: Ein Mix aus klassischem und modernem Recruiting
Bei fast 200 Bewerbungsgesprächen mit Auszubildenen im Jahr muss Fujitsu etwas richtigmachen. Lena Gramlich, HR-Specialist bei Fujitsu TDS, verriet in der Diskussionsrunde: "Das persönliche Gespräch spielt für die meisten unserer Bewerber eine sehr wichtige Rolle." Aus diesem Grund versuche das Unternehmen, das Interesse junger Menschen auf Messen, Ständen und Tagen der offenen Tür zu wecken.
"Wir haben Schulen und Universitäten angeschrieben, mit denen wir eng zusammenarbeiten und somit auf die Angebote von Fujitsu aufmerksam machen", so Gramlich.
An der klassischen Bewerbung führt allerdings kein Weg vorbei. In einem zweistufigen Vorauswahlprozess müssten die Interessenten zunächst ihre Unterlagen zunächst einreichen, besonders wichtig sei dabei der Notendurchschnitt. Vor der Einladung zu einem persönlichen Gespräch durchlaufen die Bewerber im Rahmen eines Assessment Centers einen Online-Test.
Fujitsu TDS lädt perspektivreiche Kandidaten zudem in ein "Assessment-Center" - wohl wissend, dass dieser Begriff negativ besetzt ist. Es sei wichtig, dass Image dieses Recruiting-Verfahrens zu verbessern, meint Gramlich:
"Wir müssen die Furcht davor nehmen. Ich bekomme zum Beispiel häufig die Rückmeldung von Bewerbern, dass sie sich letztendlich für Fujitsu entschieden haben, weil sie einen ersten Einblick in das Unternehmen erhalten konnten."
In den Vorstellungsgeprächen setze das Unternehmen darauf, dass der Bewerber sieht, "wie es sich bei Fujitsu lebt". An so einem Einstellungstag stehen den jungen Jobinteressenten bis zu zehn Mitarbeiter des Unternehmens zur Verfügung, darunter auch aktuelle Azubis, die einen Einblick in ihren beruflichen Alltag geben. Die entscheidende Frage unter den jungen Bewerbern laute: "Warum genau soll ich mich ausgerechnet für diese eine Firma entscheiden?" Die Antwort darauf sei bei Fujitsu: ein überzeugendes und gut durchdachtes Ausbildungskonzept.
"Es ist utopisch zu glauben, dass wir als Arbeitgeber immer die Bewerbungen der besten Kandidaten erhalten. Wir müssen uns stark anstrengen, diese Zielgruppe auf uns aufmerksam zu machen", so Gramlichs Fazit.
Kontaktaufnahme innerhalb von 24 Stunden
"Diese Zeit haben wir doch gar nicht", kommentiert Carsten Sievers vom Münchner IT-Dienstleister Metafinanz die Methodik von Fujitsu. "Bei uns läuft das anders. Wir telefonieren sehr viel. Und aus Compliance-Gründen müssen sich die Bewerber über unser Portral anmelden. Danach ist das aber eine Sache von einem Tag."
Bei metafinanz setzt man auf schnellstmögliche Kontaktaufnahme: Innerhalb von 24 Stunden sollen die Bewerber eine erste Rückmeldung erhalten. Beim Recruiting schauen demnach die Mitarbeiter auf sachlicher Ebene sehr genau hin und testen die fachliche Kompetenz der Kandidaten.
Während eines ein- bis zweistündigen persönlichen Gesprächs achten die Kollegen aus verschiedenen Abteilungen vor allem auch auf das Menschliche. Laut Sievers werden beim Recruiting vor allem dann falsche Entscheidungen getroffen, "wenn der Entscheider weit weg ist". Aus diesem Grund trifft der Bewerber auf eine gemischte Gruppe von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters.
"Ich habe den Eindruck, dass für die Bewerber der Altersunterschied keine wichtige Rolle spielt. Die Gen Z hat offensichtlich weniger Berührungsängste als ältere Generationen."
Das Vorurteil, dass die Generation Z eine klare Abgrenzung von Arbeit und Privatleben will, konnte der Staff Development Manager bisher in ersten Zügen beobachten: "Trotzdem bleiben die Mitarbeiter im Vergleich zu früher mehr in Kontakt - dank WhatsApp und Co. Auch nach der Arbeit. Hier wird berufliches eingeflochten, aber im Wesentlichen geht es darum, sich auch persönlich auszutauschen."
Negative Erfahrungen hat Sievers hingegen mit Video-Gesprächen gemacht: "In der Vergangenheit haben wir bei metafinanz versucht, das Recruiting auf Video-Konferenzen zu beschränken. Wir dachten, wir treffen damit den Zeitgeist. Das war eine herbe Enttäuschung." Einen großen Vorteil sieht Carsten Sievers dahingegen in Bewerbungsgesprächen, die als Karriere-Beratung angeboten werden.
Die Frage ist nur, wie lange sich die Arbeitnehmer in Zukunft noch beim Arbeitgeber bewerben werden...
"Was passiert, wenn sich keiner mehr bewirbt?"
Der klassische Bewerbungsweg, wie ihn Unternehmen wie Fujitsu praktizieren, hat nach Meinung von Frank Rechsteiner, Geschäftsführer der Hype Group, keine Zukunft: "Das wird so nicht mehr funktionieren", lautete seine Antwort an Lena Gramlich.
Man bewege sich heute in einem Arbeitnehmermarkt - also in einer Situation, in der sich Arbeitgeber bei Kandidaten bewerben müssten. "Was passiert, wenn sich keiner mehr bewirbt?", fragte Rechsteiner in die Runde. Junge Bewerber von heute wüssten schließlich nicht mehr, ob sie sich bei einem guten oder schlechten Unternehmen bewerben.
"Sie müssen die Blackbox auflösen und den Bewerbern auf Augenhöhe begegnen", beantworte Rechsteiner die Frage gleich selbst. In diesem Punkt stimmte er Sievers zu. Der Schlüssel zum Erfolg lautet seiner Meinung nach, die Bewerber "mit den Menschen in Kontakt zu bringen, mit denen sie später arbeiten werden. Um die Blackbox aufzulösen, müssen Sie das Daily Business ehrlich vermitteln können, ganz egal, welcher Typ Generation sich bei Ihnen bewirbt." Dem schloss sich auch Harald Huber, Geschäftsführer von Retencon, an.
Laut Rechsteiner befinde sich allerdings auch metafinanz auf einem gefährlichen Kurs, noch auf das Recruiting über Portale zu setzen: "In den nächsten fünf Jahren wird sich dort kein Mensch mehr anmelden", lautet seine Prognose.
Für Bewerber werde es erst dann interessant, wenn ein gutes Angebot von Seite der Unternehmen kommt. Dabei kann es helfen, sich mit den Bewerbern auf einem neutralen Horizont zu treffen: "Beim Mittagessen, zum Beispiel", schlägt Rechsteiner vor. "Das nimmt oftmals die Angst und den Stress."
Flexiblere Arbeitszeiten? Davon will die Generation Z laut einer neuen Studie angeblich nichts wissen. Stattdessen wünscht sie sich einen klassischen Acht-Stunden-Tag. "Ich glaube, dass es solche und solche Mitarbeiter gibt - egal wie alt sie sind. Wenn Sie sich von der Arbeit begeistern lassen, nehmen sie auch variable Arbeitszeiten in Kauf", so Rechsteiner. "Ein Pauschalisieren einer ganzen Generation ist meiner Meinung nach aber nicht klug."
"Marketing allein reicht nicht aus"
Dass dieses Vorgehen allein nicht ausreichen wird, um das Interesse der Generation Z zu wecken, dessen ist sich Uwe Kloos, Personalchef von NTT Data, sicher. Der Anziehungskraft starker Marken müssten kleinere Wettbewerber Glaubwürdigkeit entgegensetzen. Daher müsse man unbedingt einhalten, was man vor einer Einstellung zugesagt hat.
Davon ist auch Harald Huber, Geschäftsführer von Retencon, einem auf Personalentwicklungsthemen spezialisierten Münchner Beratungshaus, überzeugt. Seiner Meinung nach sollten die Unternehmen ein ureigenes Interesse daran haben, ihre Versprechen einzuhalten, denn: "Am teuersten sind im Recruiting-Prozess die Kandidaten, die das Unternehmen nach drei Monaten wieder verlassen."
Auch wenn NTT DATA auf Assessment-Center im Bewerbungsverfahren verzichtet, habe man selbstverständlich den Anspruch, qualitativ gute Kandidaten einzustellen. Gleichzeitig aber dürfe man nicht vernachlässigen, eine gewisse Nähe zum Bewerber aufzubauen: "Die Eingangstür ist eine ganz sanfte. Erst im Nachgang wird über Verträge gesprochen."
Der Personalchef hat die Erfahrung gemacht, dass Bewerber zunächst darauf achten, wie authentisch eine Firma ist und wie sie mit Menschen umgeht. Entsprechend gestalte NTT DATA auch die Bewerbungsgespräche. Dabei sei es wichtig, dass die Jobinteressenten mit den richtigen Leuten im Unternehmen in Kontakt kommen: "Am Ende sitzen die Leute am Tisch, die mit der Person arbeiten werden", sagt Kloos. "Und das, was wir versprechen, müssen wir auch einhalten." Eine für beide Seiten optimale Möglichkeit hierzu, sei das Programm "Consultants for a Day". "Der Tag wird von unseren Beratern durchgeführt, so gelingt es einerseits Nähe aufzubauen, andererseits einen guten Einblick in unsere Beraterkultur zu gewinnen", so Kloos.
Die Bewerber lernen in einem Workshop neue Methoden kennen und erhalten im Anschluss ein Zertifikat. Nach diesem Tag fällt die Entscheidung leichter, sich für eine Beraterkarriere zu entscheiden. Damit hat der Tag auch die Funktion einer Karriereberatung für die Kandidaten. "Für uns ein extrem wichtiger Kanal, potentielle neue Mitarbeiter gut kennenlernen zu können, die Bedeutung der Rolle des Personalberaters rückt für uns an eine untergeordnete Stelle."
Retencon-Geschäftsführer Huber sieht ein Problem darin, dass vor allem manche Mittelständler das Recruiting-Verfahren am liebsten zum Nulltarif hätten: "Es gibt zwei Arten von Unternehmen, diejenigen, die das notwendige Kapital zur Verfügung stellen, und die, die es nicht ausgeben." Viele mittelständische Unternehmen haben seiner Meinung nach schon vor 15 Jahren den Zeitpunkt verpasst, entsprechende Recruiting-Maßnahmen einzuleiten. Die Schere zwischen den Firmen, die in Personal investierten und denen, die nichts tun, werde immer größer: "Wenig Licht, viel Schatten."
Und natürlich spricht sich dank Social Media und Bewertungsportalen schnell herum, wie die Stimmung in einem Unternehmen bestellt ist. Feedback sei ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur, Kritik werde selbstverständlich aufgenommen. Bei NTT DATA wird genau drauf geachtet, was im Netz gepostet wird; und auch sofort reagiert. Man wolle nichts im Raum stehen lassen und reagiere sofort auf Kritik. Laut Kloos handle es sich dabei zwar nur um Einzelfälle, aber um die müsse man sich umso intensiver kümmern, um eine authentische und stringente "Candidate Experience" zu garantieren.
Laut Kloos sei das für junge Menschen heutzutage der direkte und persönliche Austausch enorm wichtig. Da das Wort "Recruiting" aber viele Bewerber abschrecke, wird laut Kloos zukünftig vor allem das indirekte, smarteRecruiting für Unternehmen interessant.
Generation Z
Klassische Arbeitgeber und Digital Natives - wie geht das zusammen? Wer talentierte Nachwuchskräfte auf sich aufmerksam machen will, muss sich als attraktiver Arbeitgeber aktiv ins Gespräch bringen. Die COMPUTERWOCHE lud Personalexperten in München und Düsseldorf zu Diskussionsrunden ein, um über das Thema "Generation Z - Herausforderung Employer Branding und neue Wege des Recruiting" zu diskutieren.
Wie wollen die jungen Digitals arbeiten?
Was erwarten sie von Unternehmen?
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