Eingeschneite Tannenbäume sind schön anzusehen, aber schwer zu ernten. Dabei hat die Hochsaison für Weihnachtsbäume gerade begonnen. Der Branchenverband VNWB bat am ersten Adventswochenende "um Verständnis, wenn manche Verkaufsstelle wetterbedingt etwas verspätet öffnet" oder die volle Auswahl erst ein paar Tage später verfügbar ist.
Auch Helmut Stoll muss umplanen. Der Betrieb in Neresheim auf der schwäbischen Ostalb, den er mit seinem Bruder Fritz in vierter Generation führt, gehört zu den großen in Deutschland. Auf mehr als 200 Hektar bauen die Stolls Christbäume an und verkaufen sie nicht nur bundesweit, sondern auch nach Österreich, Frankreich, Belgien und in die Niederlande. Gartencenter oder Verkaufsstände vor großen Supermärkten gehören zu ihren Kunden.
Weil die Anbaufläche nicht reicht, kaufen sie auch Bäume zu, "im Sauerland, in Norddeutschland und Dänemark", sagt Helmut Stoll. Und da hakt es gerade wetterbedingt etwas: "Die Sauerländer haben Engpässe." Diese Region ist das größte Anbaugebiet in Deutschland.
Absatz von bis zu 25 Millionen Weihnachtsbäumen pro Jahr
Zwischen 23 Millionen und 25 Millionen Weihnachtsbäume kaufen die Deutschen jedes Jahr, sagt Eberhard Hennecke, Vorsitzender des Bundesverbands der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger. Davon stammen an die 19 Millionen aus Deutschland. Der Rest wird aus Dänemark und anderen Ländern importiert. Mehr als 30.000 Hektar umfasst das Anbaugebiet in Deutschland - der größte Teil davon im Sauerland, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg.
In den Steilhängen des Sauerlands haben in diesem Jahr zuerst Regen und Matsch, dann Schnee und Eis die Ernte stark behindert. Termintreue und Verlässlichkeit seien jedoch die Basis des Geschäfts, sagt Hennecke. Er hat in Sundern im Hochsauerland einen 200 Hektar großen Betrieb mit 35 Mitarbeitern.
Stoll verlässt sich auf zuverlässige Belieferung, auch aus dem Sauerland. "Es gibt natürlich ein paar Tage Verzögerung, auch wegen der Straßen." Aber: "Wir haben rechtzeitig geordert und sind gute Kunden", sagt er. "Es wird alles zu uns transportiert. Wir haben eine Riesenbetriebsfläche - hier wird die Ware dann so zusammengestellt und palettiert, wie's der Kunde haben will."
Die Ernte der selbstangebauten Christbäume hat sein Betrieb vor dem ersten Advent größtenteils abgeschlossen. Dass so viel Schnee schon Anfang Dezember komme, sei eine Ausnahme. "Aber in Oberbayern hatten wir es auch schon mal, dass wir wegen der Schneemengen ein paar Tage lang keinen Baum verkaufen konnte. Oder Eisregen, da kamen die Kunden nicht, und die Bäume sind zusammengefroren." Aus langer Erfahrung könne er sagen: "Das holen wir wieder auf, auf jeden Fall."
Sauerland profitiert von Ruhrgebiet
Warum ausgerechnet im Sauerland so viele Weihnachtsbäume wachsen, habe historische Gründe, sagt Henneke. In Dortmund, Essen und Bochum sei die Nachfrage traditionell sehr hoch. Mit dem Wandel der Agrarstruktur habe es da, wo früher Pferde und Kühe gestanden hätten, genug Flächen gegeben. Der Boden und das Wetter seien für die Bäume gut geeignet. "Das Geschäft wurde dann immer mehr ausgebaut."
Bis in die 70er Jahre standen vor allem duftende Blaufichten in deutschen Wohnzimmern. Inzwischen dominiert die Nordmanntanne - mit weichen Nadeln, buschigem Wuchs und sehr langer Haltbarkeit. Die Samen stammen aus Georgien, werden in Baumschulen gezogen und wachsen für mehrere Jahre in den Christbaumkulturen heran.
Rund 800 Millionen Euro Umsatz dürften mit dem Verkauf jährlich eingenommen werden, schätzt der VNBW. Gut 2.000 Weihnachtsbaum-Anbauer gibt es in Deutschland, darunter sehr viele Familienbetriebe - oft neben der Landwirtschaft her, im Nebenerwerb, "als zweites oder drittes Standbein", sagt Henneke.
Anspruchslose Bäume
Die deutsche Weihnachtsbaumkönigin Sophia Adlberger kommt von so einem Betrieb in Aying südlich von München. Ihr Großvater verkaufte in den 50er Jahren Fichten aus dem Wald als Christbäume und fing schon mit dem Anbau an. Ihr Vater Hans war bei der Berufsfeuerwehr, führte das Geschäft nebenher fort und betreibt es seit seiner Pensionierung im Haupterwerb. Inzwischen verkauft er jedes Jahr "ein paar Tausend" Nordmanntannen. Sein Hof umfasst 25 Hektar. Einige Zehntausend Christbäume wachsen darauf für die kommenden Jahre heran.
Etwa 80 Stunden Arbeit pro Hektar und Jahr veranschlagen die Verbände. Die Bäume sind anspruchslos: Etwas Dünger und Pflanzschutzmittel gegen Läuse und Fichtentriebzünsler reichen. Ab dem sechsten Jahr beginnt der Formschnitt. Das Spitzenwachstum wird mit einer Saftzange gebremst. Die äußersten Triebe werden herausgezwickt, um den Baum schmaler zu machen. Für die Vögel wird oben am Baum eine Sitzstange angebracht, damit sie sich nicht auf die knickempfindliche Spitze setzen.
Unterm Jahr beschäftigt Adlberger zwei Mitarbeiter, in der Hochsaison sechs. "Wir verkaufen alles nur am Hof", sagt er. Zwei Drittel seiner Kunden seien Stammkunden. "Darunter sind Leut', die schon 45 Jahre herkommen." Das Interesse, selber zu sägen, sei in den vergangenen Jahren enorm gestiegen: "Das ist so eine Art Familien-Event geworden." 25 Euro verlangt er für einen Meter Nordmanntanne in Standardqualität und liegt damit im Schnitt der bundesweiten Preise. Sie sind nur moderat gestiegen - weniger als die Inflationsrate. (dpa/rs)