Business-Simulationen mit Serious Games

Geschäftsprozesse spielerisch verändern

19.05.2015 von Gabriele Müller
Geschäftsprozesse wirksam umsetzen - welches Unternehmen strebt das nicht an? Aber wie? Business-Simulationen mit Hilfe von Serious Games sind ein neuer Trend. Dahinter steckt eine spielerische Lernmethode im Brettspiel.
  • Spielerische Elemente in der Weiterbildung sind im Kommen.
  • Simulationen im Brettspiel erzeugen Aha-Effekte und mehr Verständnis.
  • Im Spiel entwickelte Lösungen finden höhere Akzeptanz.

Laut einer aktuellen Studie der American Society of Training und Development (ASTD), die erstmals die Verbreitung von "Serious Games" in den USA untersucht hat, setzen bisher nur 20 Prozent der Unternehmen auf "ernsthafte Spiele". Lediglich ein Viertel der Unternehmen verwenden überhaupt spielerische Elemente in ihrer betrieblichen Weiterbildung. In Deutschland dürfte der Anteil noch viel geringer sein. Dabei sehen die Autoren der Studie in dieser Form des Lernens die Zukunft.

Die Zeit für spielerische Lernmethoden ist reif

"Mehr als die Hälfte der Firmen, die Serious Games bereits nutzen, bescheinigen ihnen eine sehr hohe oder hohe Effizienz", schreiben sie in ihrer Untersuchung "Playing to Win". Weitere 38 Prozent konstatieren immerhin bessere Lernerfolge im Vergleich zu klassischen Lehrmethoden. Lediglich neun Prozent der Umfrageteilnehmer konnten "wenig" oder "keinen" Nutzen erkennen. "Diese Ergebnisse belegen eindrucksvoll, dass die Zeit jetzt für Business-Simulationen und andere spielerische Formen der Wissensvermittlung in den Unternehmen reif ist", zieht die ASTD-Studie als Fazit.

Im "Planspiel" können geplante Geschäftsprozesse besser geprobt und nachvollzogen werden.
Foto: Rawpixel-shutterstock.com

Genauso sieht das die Münchner Canmas GmbH, die sich auf Business-Simulationen für mittelständische Unternehmen spezialisiert hat. Firmengründer Wolfgang Karrlein zählt die Vorteile einer solchen Simulation auf: "Das Risiko des Scheiterns von Veränderungsprozessen wird reduziert. Neue Ideen dürfen ausprobiert und Fehler bewusst gemacht werden, um daraus zu lernen." Zudem, so Karrlein, werde die Akzeptanz von Maßnahmen und die Umsetzung in der Firma beschleunigt. Das Vorantreiben von erwünschten Veränderungen erfolge durch die Mitarbeiter selbst. Und, last, but not least: "Die gewünschten Veränderungen passen zum Unternehmen und seiner Kultur und sind nicht von außen herangetragen."

Brettsimulation besser als Computersimulation

Bei den Planspielen der Münchner können bis zu 24 Mitarbeiter ein bis zwei Arbeitstage in einem Workshop zusammen an einem Simulationsboard arbeiten, verschieben Figuren oder ziehen Karten. Vor allem aber diskutieren sie über ihre getroffenen Entscheidungen und können sofort deren Auswirkungen sehen. Hier sieht Karrlein auch den großen Unterschied zu Computersimulationen: "Die genauen Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Überlegungen, Entscheidungen und deren Auswirkungen bleiben den Teilnehmern dort weitgehend verborgen."

Der Grund: In der Regel werden in diese Anwendungen sehr komplexe Zusammenhänge hineinprogrammiert. Dazu komme, so der Simulationsexperten, dass die räumlich getrennten Teilnehmerteams oft nur über Rechner kommunizieren würden, wodurch der intensive Austausch im direkten Miteinander nicht möglich sei.

Schnelleres und besseres Verständnis für Veränderungen

Die Münchner setzen deshalb auf klassische brettbasierende Simulationen, die sie auf Aufgabe und Ziel ausrichten. Die praktische Erfahrung aus zahlreichen Projekten hätten laut Canmas-Geschäftsführer Martin Steinleitner gezeigt, dass durch Business-Simulationen und Unterstützung bei der Implementierung der gemeinsam erarbeiteten Lösungen das Verständnis gesteigert wird.

Ein großer Vorteil der eingesetzten Methode: Die Wissensvermittlung erfolgt nicht nur durch spielerisches Erleben sowie im kommunikativen Diskurs mit integrierter Übertragung auf das eigene Unternehmen. Vielmehr werden die Zusammenhänge durch das Layout des Simulationsboards auch besonders anschaulich dargestellt. Da die Teilnehmer verschiedene Dinge auf dem Spielbrett bewegen oder manipulieren müssen, kommt neben dem Sehen auch noch das wortwörtliche "Begreifen" dazu. Durch die Nutzung verschiedener Lernkanäle wie Diskussion, Anschauung, Begreifen und Erleben wird der Erfolg beim deutlich verstärkt und wirkt nachhaltiger als klassischer Frontalunterricht. "Veränderungen brauchen Akzeptanz und Verständnis, dazu sind Aha-Erlebnisse wichtig - wie die Simulationen sie erzeugen", weiß Karrlein.

Lernen von den Weltmeistern
Berater Hans-Peter Machwürth,...
.... Geschäftsführer der Unternehmensberatung Machwürth Team International, zieht einige Schlüsse aus der Teamleistung der deutschen Nationalmannschaft während der WM 2014 in Brasilien.
Hunger und Gier nach Erfolg.
Wer Herausragendes leisten möchte, muss hungrig auf den Erfolg sein – denn der erfordert meist auch, zuweilen an die Schmerzgrenze zu gehen. Das war bei der deutschen Mannschaft der Fall. Anders war dies beim spanischen Team, das weitgehend aus Spielern bestand, die schon einmal die Welt- und die Euromeisterschaft gewonnen hatten. Es war satt. Entsprechend statisch und lethargisch war seine Spielweise.
Zufriedene Ergänzungsspieler
Es war bei der WM immer wieder begeisternd zu sehen, wie gutgelaunt auch solche Spieler wie Roman Weidenfeller und Lukas Podolski waren, obwohl sie bei den Spielen entweder die ganze oder meiste Zeit auf der Ersatzbank saßen. Von Missgunst oder Neid keine Spur. Vielmehr hatte man nach dem Filiale den Eindruck: Sie freuen sich ebenso über den WM-Titel wie die Spieler, die die Hauptprotagonisten des Erfolgs waren. Auch das war ein zentraler Erfolgsfaktor. Und das war vielleicht die größte Leistung der Führungskraft Jogi Löw, da Grabenkämpfe das Team schnell hätten auseinander brechen lassen.

Spielerisch in Entscheidungsprozesse hineinversetzen

Da sich alle Teilnehmer gleichzeitig über etliche Stunden in einem Raum befinden, werden sie intensiv in die Diskussion eingebunden und können gegenseitig vom Austausch der Argumente und dem Wissen der anderer profitieren. Dies verbessere, so die Camnas-Geschäftsführer, nachweislich die Verbindung mit der Situation im Unternehmen und mit dem Geschehen in der Simulation.

In der Simulation selbst stehen die Teilnehmer vor dem Spagat zwischen Stabilität, Größe und auf der einen Seite und Flexibilität, Geschwindigkeit und Skalierbarkeit auf der anderen. "Irgendwie müssen sie einen Weg finden, wie sie beiden Seiten gleichzeitig gerecht werden können", erläutert Steinleitner. Zunächst vorhandene ließen sich mit Hilfe der Simulationen ausräumen. Eine höhere Akzeptanz führe zu mehr und Bereitschaft, aktiv am zukünftigen Erfolg des Unternehmens mitzuwirken.

Mit diesem Ansatz unterscheidet sich Canmas sowohl von reinen Weiterbildungsanbietern als auch von Beratungsunternehmen. "Während betriebliche Weiterbildung auf das Erlernen von neuen Inhalten oder das Trainieren von Führungsverhalten abzielt, verfolgen wir ein anderes Ziel", erklärt Karrlein. Man strebe keine reinen Beratungsprojekte an, sondern wolle mit den Simulationen Veränderungsprozesse direkt im Unternehmen begleiten. Diese können aus Consulting-Projekten entstanden sein oder wiederum in diese münden. Die Münchner verstehen sich dabei als "Enabler" und Umsetzungs- oder auch Implementierungsunterstützer.

Die beiden Canmas-Gründer waren über 20 Jahre in leitenden Funktionen in der Industrie tätig und haben dabei die Business-Simulations-Methode aus eigener Erfahrung kennen und schätzen und gelernt. Ihre These: Echter Wandel umfasst folgende wesentliche Aspekte:

"Wenn einer dieser Punkte ungenügend im Veränderungsprozess berücksichtigt oder ganz vernachlässigt wird, führt der Wandel zu ungewollten Effekten", warnt Steinleitner. Mit den verschiedenen Simulationen und integrierten Transferaktionen zu den festgelegten Unternehmensthemen werden deshalb alle aufgezählten Veränderungsdimensionen parallel berücksichtigt.

Bewusstsein für Veränderungsziele schaffen

Das Durchspielen der Simulationen - verknüpft mit den Kernbotschaften der gewünschten Veränderungsziele - macht den Teilnehmern bewusst, warum das Unternehmen diese Aktionen initiiert und was die aktuellen Herausforderungen dabei sind. In den Business-Simulationen treten vergleichbare oder ähnliche Schwierigkeiten auf. Diese werden von den Teilnehmern diskutiert, entsprechende Entscheidungen gefällt und umgesetzt. Durch verschiedene Transfermaßnahmen, etwa Debriefings in der Simulation oder Transfer-Breakouts wird der Rückschluss in die eigene Realität des Unternehmens gewährleistet.

Diese Form des Lernens kommt bei vielen Unternehmen, die diese Business-Simulation schon angewendet haben, gut an. Laura Gugelfuß, Projekt-Managerin für Methoden & Prozesse bei der D+D+M Daten- und Dokumentations-Management GmbH & Co. KG in Stuttgart, sagt dazu: "Vor allem die Gruppenatmosphäre ist angenehm und ermöglicht eine Diskussion auf hohem Niveau." Trotzdem sei der spielerische Rahmen gegeben, was Spaß mache und einen objektiven Blick von außen auf das eigene Verhalten ermögliche. Durch die enge Verbindung zur realen Umgebung der Teilnehmer könnten außerdem die diskutierten Ergebnisse gut auf das eigene Unternehmen übertragen und schneller in der Praxis umgesetzt werden. (pg)