In der Wüste mal eben kurz die Mails checken, im Dschungel die neusten Nachrichten lesen? An mobiles Internet haben sich die meisten Menschen gewöhnt. Aber es gibt Orte, da würden wohl die wenigsten mit Internetempfang rechnen. Ganz zu schweigen von nervigen Funklöchern. Neue Projekte versprechen nun, die gesamte Welt mit günstigem Internetzugang zu versorgen - mithilfe von Satelliten im Weltraum. Kann das funktionieren?
OneWeb Satellites heißt ein Vorhaben. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus und dem US-Telekommunikationsunternehmen OneWeb, hinter dem Internetpionier Greg Wyler steht.
Airbus ist für die Entwicklung der Satelliten zuständig. Am 26. Februar sollen die ersten von ihnen an Bord einer Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ins All geschossen werden. Hunderte weitere sollen in den kommenden Jahren folgen - mit dem Raketenbauer Arianespace sind aktuell 21 Raketenstarts vereinbart. "Die Konstellation ist auf 900 Satelliten ausgerichtet", erklärt Nicolas Chamussy, Leiter der Raumfahrtsparte von Airbus.
Satelliten in Massenproduktion
Das Neue an dem Projekt ist, dass die Satelliten auf eine niedrige Erdumlaufbahn von 1200 Kilometern gebracht werden sollen. Aktuell gibt es Satelliten-basiertes Internet in der Regel von sogenannten geostationären Satelliten, die die Erde in mehr als 35 000 Kilometer Entfernung umrunden. Ebenfalls besonders ist, dass die Satelliten in Massenproduktion gefertigt werden - mehrere täglich werden gebaut. Sie sind kleiner und leichter als gewöhnliche Satelliten, daher können mit einem Raketenstart gleich eine Reihe von ihnen ins All befördert werden.
Auf der Erde kommunizieren Benutzerterminals mit den Satelliten im Weltraum. Im Fall von OneWeb funktioniert das über kleine Satellitenschüsseln, die auf dem Dach montiert sind und mit Solarstrom versorgt werden. Sie können 3G-, LTE- oder 5G- Internet sowie Wlan in die Umgebung bringen, verspricht OneWeb.Wie gut die Qualität des Internets sein wird, lasse sich vorher nicht exakt sagen, erklärt Roland Bless vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Weil die Satelliten eine relativ niedrige Umlaufbahn haben, ist davon auszugehen, dass die Verzögerung im Vergleich zu herkömmlichen geostationären Satellitenverbindungen recht kurz sein dürfte." Eine möglichst geringe Verzögerung ist ein wesentlicher Faktor für schnelles Internet. Allerdings sieht der Experte auch einen Nachteil in der Nähe zur Erde. "Die Funkfrequenzen dürften relativ hoch sein. Das heißt, Wetterbedingungen wie Nebel oder Wolken können die Empfangsbedingungen beeinflussen."
Außerdem müssen die Satelliten regelmäßig ausgetauscht werden, denn ihre Lebenszeit ist begrenzt. Dadurch, so Kritiker, entsteht eine Menge Weltraumschrott. Chamussy von Airbus verweist auf ein französisches Gesetz, wonach ein Satellit, der von Frankreich aus startet oder dort entwickelt wurde, auch wieder aus dem Orbit geholt werden muss. Zwar könne er das nicht für jeden einzelnen der Satelliten garantieren, prinzipiell aber bestehe die Verpflichtung, schon am Anfang der Mission sicherzustellen, dass kein Weltraummüll entsteht.
Konkurrenz steht in den Startlöchern
Nicht nur OneWeb Satellites tüftelt an derartigem Internet aus dem All. Das kanadische Unternehmen Telesat will mit seinem Projekt "Telesat-Leo" ab 2022 weltweiten Service anbieten, ebenfalls mithilfe von Airbus. Auch das amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX von Tesla-Gründer Elon Musk arbeitet an einem ähnlichen Vorhaben und will mit "Starlink" deutlich mehr Satelliten ins All bringen als OneWeb: Tausende sollen es werden. Erste Satelliten wurden Anfang 2018 mit einer Falcon-9-Rakete ins All gebracht. Wenn die Tests damit erfolgreich sind, soll auch "Starlink" bald starten.
Facebook hatte ein ähnliches, seit 2014 entwickeltes Projekt - die Internet-Drohne "Aquila" - im vergangenen Jahr aufgegeben. Die Fluggeräte hätten monatelang autonom in großer Höhe fliegen sollen. Ein erster Testflug im Jahr 2016 hatte mit einer Bruchlandung geendet. Ein konkurrierendes Projekt mit großen Drohnen war von der Google-Mutter Alphabet schon zuvor aufgegeben worden. Ganz aus dem Rennen ist Alphabet damit aber nicht: An einer Internet-Versorgung mit Ballons wird weiter getüftelt. Die "Loon"-Ballons sollen in rund 18 Kilometern Höhe unterwegs sein, am Boden sind zumeist spezielle Antennen für den Netzempfang nötig.
"Es ist entscheidend, der erste zu sein, der den Service anbietet", sagt Chamussy von Airbus. "Tempo ist der Schlüssel." Ziel sei es, in den nächsten Jahren so schnell wie möglich sehr viele Satelliten ins All zu bringen. Solange nur ein Bruchteil von ihnen im All ist, funktioniert das Weltraum-Internet nicht richtig. "Das frisst dann nur die Lebenszeit der Satelliten", so Chamussy. Geplant ist dem Unternehmen zufolge, die digitale Kluft weltweit bis spätestens 2027 zu überwinden. An den Start soll das Projekt aber schon viel eher gehen.
Gibt es also in wenigen Jahren überall auf der Welt Internet? "Nun ja, vieles ist auch noch unklar", gibt Bless vom KIT in Karlsruhe zu bedenken. Prinzipiell sei es schon denkbar, den Großteil der Erde auszuleuchten. Auch Orte ohne schnelles Internet in Deutschland könnten vom Weltraum-Netz profitieren. Allerdings brauche es eine Vielzahl von Benutzerterminals auf der Erde, die das Signal der Satelliten umwandeln. "Denn mit dem Smartphone allein kann man das Signal noch nicht empfangen", so Bless. Das aber könnte teuer und aufwendig werden.
Auch die genaue Zusammenarbeit mit Telekommunikationsunternehmen ist noch nicht im Detail geklärt. Müssen Nutzer mit "OneWeb", "Starlink" oder anderen Anbietern einen eigenen Vertrag abschließen? "Das wäre natürlich eher unpraktisch", so Bless. Oder kooperieren bestehende Unternehmen mit den Weltraum-Dienstleistern und zahlen Roaming-Gebühren? Dann würde der Kunde wohl gar nicht mitbekommen, wenn er das Weltraum-Internet nutzt. Offen ist zudem auch die Frage, ob das Netz wirklich für Menschen in allen Regionen der Welt erschwinglich sein wird. (dpa/ad)