Automatisierung, Optimierung und Industrialisierung sind Schlagworte, die seit geraumer Zeit den Anspruch an IT-Organisationen und interne Dienstleister kennzeichnen. Gefordert ist die Orientierung an den professionellen Anbietern im Markt, wobei nur selten Rücksicht auf spezifische Erblasten bei Technik und Struktur genommen wird.
Seit 2006 setzt sich auch die Wuppertaler gkv Informatik dem Druck aus, zu den klassischen IT-Lieferanten aufzuschließen. Dabei geht es weniger um die Qualität der erbrachten Services, sondern vielmehr um die notwendigen internen Strukturen, die rund um die Leistungen angesiedelt sind - in diesem Fall um die Abrechnung.
"Eine professionelle Methodik zur Kostenverrechnung wird immer wichtiger für interne und ausgelagerte IT-Dienstleister", sagt Stephan Bühring, Sprecher der Geschäftsführung der gkv Informatik. Wobei "professionell" hier bedeutet, den goldenen Mittelweg zu finden: Einerseits müsse er den Kunden eine hohe Transparenz und umfassende Steuerungsmöglichkeiten der Kosten geben, andererseits dürfe das System nicht über Gebühr komplex werden: "Wir wollen nicht mehr Ressourcen in die Abrechnung als in die Erbringung der Services stecken."
Diskussionen um gerechte Kostenverteilung
Hintergrund ist auch der Druck der Kunden auf ihren IT-Dienstleister (siehe Kasten: "Die gkv Informatik"), alle Synergien zu realisieren, deren angenommenes Potenzial schließlich mit zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens geführt hatte. "Es gibt häufig Diskussionen, ob die IT-Kosten angemessen sind und gerecht auf die Schultern der Gesellschafter verteilt werden", berichtet Bühring.
Das ist nicht einfach, denn die Größe der Gesellschafter weicht deutlich voneinander ab: Während die Barmer GEK rund 15.000 Mitarbeiter hat, ist die HEK ein vergleichsweise kleines Unternehmen mit etwa 700 Mitarbeitern. Dass Gesellschafter untereinander im Wettbewerb stehen, macht die Verständigung nicht leichter.
Zum anderen erforderten technische Gründe eine neue Kostenverrechnung, erläutert der Geschäftsführer: "Bei der Gründung der gkv Informatik ließ sich jedes System einem unserer Gesellschafter zuordnen, doch inzwischen werden die Anwendungen auf konsolidierten Systemen betrieben." Eine "triviale bottom-up Zuordnung" allein nach CPU-Sekunden oder GB sei dadurch nicht mehr möglich - "und die über 400 Abrechnungseinheiten konnten wir und unsere Kunden ohnehin nur noch schwer überblicken".
Bühring zufolge hatten die Gesellschafter keine echte Möglichkeit, ihre Dienstleistungsabnahme und somit ihre Kosten über das Modell zu steuern.
Leistungen nach Geschäftsprozessen strukturiert
Daraufhin hat die gkv Informatik " den Spieß umgedreht" und ihre Leistungen aus der Sicht der unterstützten Geschäftsprozesse strukturiert - von oben nach unten. Dabei orientierte sich das Unternehmen an den marktüblichen Modellen und Produktgruppen für IT-Benchmarks, die zusammen mit der Münchener Beratungsgesellschaft Maturity erhoben wurden.
Analog zur Maturity Service Library (MSL), die auf der Auswertung von Serviceverträgen basiert und die aktuellen Ausprägungen und Schnitte von IT-Dienstleistungen zeigt, wurde das Dienstleistungsportfolio der gkv Informatik strukturiert. "Ergebnis war ein Servicekatalog für die gkv Informatik mit 45 Produkten und ihren verschiedenen technischen Komponenten", sagt Bühring. Schließlich wurden die internen Kostenstrukturen der Bausteine erhoben und den Produktkosten zugeordnet.
Zu den 45 IT-Produkten zählen etwa verschiedene Arbeitsplatzausprägungen (Desktop, Notebook, Terminal) mit ihrer kompletten Infrastruktur, der Betrieb von SAP- und Non-SAP-Systemen, ein Remote-Zugang sowie der Umzugsdienst. Laut Bühring sind die Produkte im Volumen für die Kunden unterschiedlich, jedoch in der Fachlichkeit sehr ähnlich: "Insofern können unsere Gesellschafter die finanziellen Größenordnungen leichter nachvollziehen."
Zwei Benchmarkrunden
Nach der Zuordnung der Kosten absolvierte die gkv Informatik zuerst einen Overview-Benchmark mit Maturity, um ihre Produkte mit den Marktpreisen und der marktüblichen Qualität zu vergleichen. In einer zweiten Bewertungsrunde werden derzeit IT-Services genauer unter die Lupe genommen, bei denen die Unterschiede erheblich ausgefallen sind - egal in welche Richtung. "Wenn ich zu niedrig im Preis bin, stimmt vermutlich die Vergleichbarkeit nicht", vermutet Bühring.
Die enge Orientierung am Marktniveau erfolge aus Gründen der Transparenz und des effizienten Vergleichs - "wir wollen keine Einheitskasse über die IT-Leistungen schaffen". Und auch mit standardisierten IT-Einzelkomponenten könnten sich Unternehmen durch die individuelle Zusammenstellung abgrenzen. "Ich differenziere mich auch nicht mit dem Desktop-Arbeitsplatz, sondern nur mit der Arbeit, die dort geleistet wird."
Produkt-Manager steuern Leistungen
Unterstützt wird der Wandel in der gkv Informatik durch Produkt-Manager, die die Leistungserbringung im Sinne einer Matrix-Organisation gegenüber den Kunden steuern. Jeder Produkt-Manager sei nah an den Geschäftsprozessen für mehrere Services vom Design über die Erbringung bis zur Verrechnung verantwortlich, was den Dienstleistungsgedanken fördern soll, erklärt Bühring.
Dies System werde nun erweitert: "Im Moment sind wir dabei, den Produkt-Managern einen technischen Gegenpart zur Seite zu stellen, der die notwendigen Prozesse und Werkzeuge aus der IT effektiv einsetzen kann." Zwischen diesen Positionen soll der Brückenschlag von den Geschäftsprozessen und Anforderungen der Kunden in die IT gelingen.
Ab 2015 Marktpreise für IT-Services
Seit 2013 rechnet die gkv Informatik ihre IT-Dienste auf Basis der neuen Servicestruktur und nach Stückpreisen ab - allerdings noch mit den tatsächlichen Selbstkosten einzelner Produkte. Ziel sei es, so Bühring, ab 2015 die IT-Services mit aktuellen Marktpreisen in Rechnung zu stellen. Der Geschäftsführer würde dann seinen Kunden gerne sagen können: "Unser Preis ist marktkonform, das gibt es woanders nicht günstiger."
Derzeit laufen Diskussionen über Mengenvereinbarungen und die Konsequenzen von Abnahmeverpflichtungen und eventuellen Abweichungen. Bei der gkv Informatik finden derartige Gespräche neben der Gesellschafterversammlung im Kundenbeirat statt, in dem die IT-Verantwortlichen der Kassen vertreten sind.
Zweifel der Kunden ausräumen
Die Vorteile der Marktpreistransparenz liegen Bühring zufolge in sinkenden IT-Kosten, weil die Benchmark-Vergleiche an einigen Stellen Einsparpotenzial gezeigt hätten. Primär gehe es bei der Initiative aber darum, die Detaildiskussionen und die Erläuterungen abzukürzen, warum bestimmte Komponenten zu welchen Preisen für welche Aufgabe gewählt wurden. "Auf dieser Detailebene kommt es oft zu grundlegenden Zweifeln der Kunden, die sich jedoch kaum hinreichend ausräumen lassen", sagt Bühring - auch weil das technische Detailwissen nach dem Betriebsübergang bei den Gesellschaftern nur mehr lückenhaft vorhanden ist.
"Meine Vision ist, dass unsere Kunden in Zukunft die Wirtschaftlichkeit der IT-Services daran entscheiden, ob wir uns im Bereich des aktuellen Marktpreises bewegen", sagt Bühring. Die Vorbereitungen hierfür hätten aber auch einen Sinn, falls eines Tages der "Bestandsschutz" der gkv Informatik im Sozialgesetzbuch kippen und die Krankenkassen in ihrer Wahl der IT-Dienstleister frei wären. "Für die darauf folgenden Diskussionen wären wir besser gerüstet, weil wir zweifelsfrei nachweisen können, dass unsere Preise marktgerecht und wir ein guter Partner sind."
Die gkv Informatik
"Ich arbeite daran, dass wir uns nicht mehr als IT-Abteilung, sondern als professionellen Dienstleister verstehen", sagt Stephan Bühring, Geschäftsführer der gkv Informatik GbR. Das Unternehmen mit Sitz in Wuppertal ist IT-Dienstleister mehrerer Krankenkassen wie der Barmer GEK, der Hanseatischen Krankenkasse (HEK) sowie von vier AOKs und betreut in Summe etwa 41.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Kunden. Anfang 2008 war der Betriebsübergang erfolgt. In den vergangenen Jahren haben die Gesellschafter eine gemeinsame Standardsoftware auf SAP-Basis implementiert; das Vorhaben soll 2015 abgeschlossen sein. Laut Lünendonk-Liste setzte das Unternehmen 2012 mit rund 800 Beschäftigten 226 Millionen Euro um. Dabei agiert die gkv Informatik nicht auf dem freien Markt, sondern erbringt IT-Dienstleistungen ausschließlich für ihre Gesellschafter - was vor allem an rechtlichen Vorgaben zur Datenverarbeitung sowie steuerlichen Gründen liegt. Ein klassisches Outsourcing war damals keine Alternative gewesen: Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB X) muss der überwiegende Teil der Sozialdaten in der Hoheit der Krankenkasse verbleiben. |
Projekte der gkv Informatik
Projektart |
IT-Services: Katalog und Verrechnung |
Branche |
IT-Dienstleister gesetzlicher Krankenversicherungen |
Zeitrahmen |
01/2012 - 07/2013 |
Mitarbeiter (intern / extern) |
8 extern, 15 intern |
Dienstleister |
Maturity, Ernst & Young |
Einsatz |
IT-Services an marktüblichen Strukturen ausrichten und eine Verrechnung nach Marktpreisen ermöglichen |
Internet |