Halbleiter-Industrie in Dresden: Wachstum vs. Jobs?

Globalfoundries: Bis zu 1300 Stellen in Gefahr

13.12.2015
Eine neue Chiptechnologie soll dem Dresdner Halbleiterproduzenten Globalfoundries die Zukunft sichern. Doch das angepeilte Wachstum kostet Jobs. Und angeblich will der Investor verkaufen. Unsichere Zeiten für die Beschäftigten.

22FDX lautet die Formel, auf die der Dresdner Chiphersteller Globalfoundries setzt. Auch Ulf Brinkmann, Vertrauensmann der Gewerkschaft IG BCE, hofft auf diese neue Technologie. Damit will sein Arbeitgeber künftig kostengünstigere, leistungsfähige und energieeffiziente Chips für die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge herstellen und so das Dresdner Werk, die Fab1, gegen die Konkurrenz aus Asien sichern. Doch ganz sicher ist Brinkmann nicht, denn schon jetzt ist klar: Viele seiner Kollegen werden ihren Arbeitsplatz verlieren - trotz 22FDX.

Der Dresdner Chiphersteller Globalfoundries will kostengünstigere, leistungsfähige und energieeffiziente Chips für die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge produzieren.
Foto: GLOBALFOUNDRIES Inc.

Hinzu kommen Gerüchte, dass der Investor, das Golf-Emirat Abu Dhabi, das Globalfoundries 2009 über seinen Staatsfonds Mubadala übernommen hat, verkaufen will - angeblich an chinesische Investoren. In Dresden gibt es dazu bislang keinen Kommentar. Aber: Es wird deutlich wie sehr die gesamte Branche in Bewegung ist und wie sehr Globalfoundries unter Druck steht. Dass der Wettbewerb intensiv sei, sagt auch Rutger Wijburg, Geschäftsführer von Globalfoundries Dresden. Der Niederländer, der seit 2012 auch das Werk in Malta im US-Bundesstaat New York managt, ist aber überzeugt, die Fab1 mit der neuen Technologie auch die nächsten 20 Jahre am Laufen zu halten.

Halbleiter-Produktion in Sachsen vor Umbruch

Vor genau 20 Jahren, am 14. Dezember 1995, fiel im fernen Kalifornien die Entscheidung, in Dresdens Norden eine weitere Halbleiterproduktion aufzubauen. In Sunnyvale verkündete damals der US-Hersteller Advanced Micro Devices Inc. (AMD), 1,9 Milliarden Dollar in "Silicon Saxony" zu investieren. Ein Jahr zuvor hatte Siemens in Dresden den Grundstein für die bis dato größte Chipfabrik Europas gelegt. Seitdem ist viel passiert: Was früher Siemens war, ist heute Infineon. Aus der Dresdner AMD-Chipproduktion wurde 2009 die Fab1 des Auftragsfertigers Globalfoundries. Derzeit sind dort rund 3700 Mitarbeiter beschäftigt - noch.

In der Umgebung haben sich zahlreiche mittelständische und kleine Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie angesiedelt. Insgesamt sichern hier laut sächsischem Wirtschaftsministerium 2200 Unternehmen die Arbeitsplätze von etwa 57.000 Menschen. "Allein im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Cluster 13 Milliarden Euro Umsatz, was rund 13 Prozent am gesamten verarbeitenden Gewerbe in Sachsen entspricht", sagt Minister Martin Dulig (SPD).

"Die erste Halbzeit im Internetzeitalter haben wir an Amerikaner und Asiaten verloren - die Technologiefirmen und Softwareriesen des Internets stammen alle nicht aus Europa", konstatiert er. "Nun geht es in die zweite Halbzeit: Wir müssen bei der Umsetzung des Internets der Dinge, Industrie 4.0, Mobilität 4.0, Mobilfunknetz der Zukunft dabei sein, die Führung verteidigen - uns nicht abhängen lassen."

Bitkom Arbeitsmarktreport 2015
Informatiker gesucht
Der Report "Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte", den der Verband Bitkom vorgestellt hat, basiert auf Angaben von insgesamt 1.500 Personalern und Geschäftsführern, davon 700 aus ITK-Unternehmen.
43.000 offene Stellen
Aktuell sind in Deutschland 43.000 IT-Stellen offen.
ITK-Branche
Auffällig in der ITK-Branche ist der stark wachsende Bedarf an Projektmanagern. Im Gegenzug ist die Nachfrage nach Anwendungsbetreuern/Administratoren gesunken.
ITK-Branche (2)
Cloud, Big Data und Mobile prägen die Arbeit in der ITK-Branche.
Anwenderunternehmen
Fragt man die Anwenderunternehmen, stellt sich das Bild wie folgt dar: An erster Stelle stehen Anwendungsbetreuer/Administratoren. Verstärkt brauchen die Anwenderfirmen nun auch Software-Entwickler.
Quereinsteiger
Trotz des Fachkräftemangels räumen Unternehmen Quereinsteigern immer weniger Chancen ein. Bitkom-Präsident Thorsten Dirks appelliert an Entscheider, mehr auf das faktische Können zu setzen als auf die formale Qualifikation.

Globalfoundries: 1300 Jobs für neue Chip-Technologie?

All das kann 22FDX, glaubt man Wijburg. Die Chips sollen mit extrem niedrigem Energieverbrauch, geringerer Wärmebelastung und kleineren Gehäuseabmessungen ungeahnte Möglichkeiten für Endprodukte eröffnen. In der Vergangenheit sei es erst darum gegangen, Computer über das Internet miteinander zu verbinden, dann die Menschen über Smartphones. "Und jetzt kommt die Vernetzung aller Dinge - sei es Auto mit Auto oder Auto mit Verkehrsinfrastruktur oder sei es entlang von Logistikketten", meint Wijburg. Die Zahl der möglichen Anwendungen sei unendlich. "Aber alle verlangen preiswerte, leistungsstarke und höchst energieeffiziente Chips. Die wollen wir in Dresden bauen." Doch dafür müssen die Kosten sinken. Um profitabel zu sein, müssen 20 Prozent bei den Mitarbeitern eingespart werden. Bis zu 800 Stellen sind hiervon betroffen - Ende Januar soll feststehen wer gehen muss.

In der Belegschaft gebe es natürlich "große Verunsicherung", sagt Betriebsrats-Vorsitzender Ralf Adam. Sein Betriebsratskollege Brinkmann rechnet vor, dass - inklusive Leiharbeitern und befristet Beschäftigten am - Ende bis zu 1300 Kollegen ohne Job dastehen könnten. Zum aktuellen Stand der Verhandlungen wollen sich weder Betriebsrat noch Firmenleitung äußern. Die Einführung der neuen 22FDX-Technologie ist auch für den Gewerkschafter spannend. "Aber das Risiko halten wir bei einem Abbau von bis zu 1300 Leuten einfach für zu hoch." (dpa/rs/fm)

IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player.
Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten.
Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit.
Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert.
Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird.
IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können.
Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann.
Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit.
SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing".
Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren.
PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.