Am 2. September brachte Google die Betaversion seines eigenen Internetzugangs-Programms namens Google Chrome auf den Markt. Damit betritt der Suchmaschinen-Anbieter den hart umkämpften Markt für Programme zur Navigation im Internet.
Diesen Markt beherrscht derzeit noch Microsofts Internet Explorer (IE) mit einem Marktanteil von rund 70 Prozent, gefolgt von der Open-Source-Anwendung Firefox mit rund 20 Prozent. Zum einen will Google damit die Vormachtstellung des IE brechen und konkurriert gleichzeitig mit Firefox, dessen Entwicklung der Konzern immerhin mit rund 60 Millionen Dollar pro Jahr unterstützt.
Integrationsplattform für webbasierte Anwendungen
Doch es geht um weit mehr als einen „Browserkrieg“, denn Google will Fuß im Software-Markt der Zukunft fassen. Laut einer Einschätzung der auf Dokumenten- und Content-Management spezialisierten Hamburger Unternehmensberatung Project Consult ist Google Chrome „die neue Speerspitze für das SaaS-Angebot von Google. Es geht nicht nur um die Vorherrschaft des Browsers, sondern auch um den Wettstreit zwischen lokal installierten Geschäftsanwendungen und über das Web als Software as a Service (SaaS) angebotene Software.“
Laurent Lachal, Analyst bei der Beraterfirma Ovum, sieht den Browser als Integrations-Plattform für unterschiedlichste Google-Anwendungen.
Mit Google Chrome als Plattform können Nutzer bei Bedarf nicht nur E-Mail- sowie Office-Programme über das Internet aufrufen und nutzen, sondern auch ERP- oder CRM-Anwendungen. Gartner Analyst Ray Valdes bewertet Google Chrome deshalb als strategisches Element im Technologie-Portfolio des Konzerns.
Der SaaS-Markt lockt
Die Nutzung von Geschäfts-Software im SaaS-Modell erfreut sich insbesondere im Mittelstand immer größerer Beliebtheit. Laut Untersuchungen der Marktforscher Experton Group und von IDC soll der SaaS-Markt in den nächsten Jahren stark wachsen. Technisch gesehen wird Geschäfts-Software dabei zentral in einem Rechenzentrum betrieben sowie gewartet und Kunden zur Verfügung gestellt.
Die einzelnen Funktionen, etwa für das Finanz-, Kundenbeziehungs- oder Mitarbeiter-Management, werden als Services bereitgestellt, und lassen sich nach Bedarf (On Demand) nutzen. Das hat den Vorteil, dass Lizenzkosten entfallen, denn die Abrechnung erfolgt nutzungsbedingt. Zudem muss keinerlei Programmcode auf den PC oder Desktop von Anwendern geladen und ausgeführt werden.
Neben dem SaaS-Pionier Salesforce.com, der seine Kundenbindungssoftware auf diese Weise bereits seit Jahren erfolgreich vermarktet, haben inzwischen auch Anbieter wie Microsoft oder SAP entsprechende On-Demand-Angebote auf den Markt gebracht. Zumindest SAP hat damit bisher nur mäßigen Erfolg, denn Business ByDesign kämpft mit erheblichen Performance-Problemen.
Gute Performance beschleunigt Prozesse
Und genau deshalb könnte sich Google künftig als Anbieter von On-Demand-Lösungen positionieren. Zum einen ist bei webbasierten Anwendungen die Performance ein zentraler Aspekt. Je schneller sich die Anwendungen aufrufen lassen, desto zügiger lassen sich auch Geschäftsprozesse, etwa mit Kunden und Partnern abwickeln. Darüber hinaus steigt die Zufriedenheit der Anwender.
Und hier hat Google Chrome gute Karten. Der Browser ist mit einer Javascript-Engine V8 ausgestattet und schneidet in Benchmark-Tests mit dem IE sowie Firefox hervorragend ab. Chrome arbeitet zudem mit eigenen Prozessen für jede Registerkarte und jedes Fenster. Dadurch ist das Programm sehr stabil. Stürzt eine Anwendung ab, reißt das nicht gleich den ganzen Browser mit.
Als Komplettpaket vermarkten
Zum anderen lassen sich die Google-eigenen On-Demand-Anwendungen mit dem Browser verknüpfen und als Paket vermarkten. Speziell für Unternehmen bietet Google derzeit mit der Google Apps Professional Edition ein Komplettpaket.
Dieses kombiniert Anwendungen für E-Mail, Kalender und Instant-Messaging mit einem Bürosoftwarepaket für die Textverarbeitung sowie Tabellenkalkulation. Kunden wie beispielsweise das Beratungsunternehmen Capgemini, der Mischkonzern General Electric sowie den Kosmetika-Hersteller L'Oreal nutzen das Komplettpaket.
Zukäufe planen
Darüber hinaus könnte Google durch Zukäufe von Unternehmen wie Zoho oder Socialtext seine Palette an Software-Produkten erheblich erweitern. Zoho beispielsweise bietet neben webbasierten E-Mail-, Kalender- oder Office-Anwendungen mit seiner Business Suite eine webbasierte und modular aufgebaute Geschäftslösung.
Die Software umfasst unter anderem Lösungen für das Kundenbindungs-Management, Projekt-Management, elektronische Rechnungs- und Zahlungsvorgänge sowie den Aufbau von Unternehmens-Wikis und richtet sich an kleine, mittlere und große Unternehmen.
Seit Juli 2008 setzt beispielsweise der Schweizer Telekommunikationsanbieter Swisscom die Business Suite ein. In einem Pilotprojekt stellt der Konzern über das Geschäftskundenportal Teamnet seinen 300 Kunden die Anwendungen zur Verfügung – von der einfachen Applikation zur Unterstützung der Zusammenarbeit bis hin zur CRM-Lösung.
Mit der auf Web-2.0-Technologien basierenden Software von Socialtext wiederum lassen sich Unternehmens-Wikis aufbauen und betreiben. Zu den Kunden gehören unter anderem Nokia, die Investment Bank Dresdner Kleinwort Wasserstein (DrKW) sowie Kraft Foods und Ikea.
ERP on Demand von Google
Im Rahmen einer langfristigen Strategie könnte sich Google dadurch künftig als Anbieter von On-Demand-Software im ERP- und CRM-Bereich positionieren. Dadurch würden insbesondere kleinere von ERP- und CRM- Anbieter ins Visier von Google geraten und zu Übernahmekandidaten werden. Zudem träte der Suchmaschinenanbieter damit in direkte Konkurrenz zu Anbietern von Unternehmens-Software, wie etwa SAP oder Oracle oder Sage.
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