Soziale Netzwerke sind in - wer das nicht glaubt, wird spätestens durch die Wahl zum Anglizismus des Jahres eines Besseren belehrt. Die Wahl fiel auf das nur schwer zu übersetzende Wort "Shitstorm". Das Wort beschreibt die schnell erregbare öffentliche Entrüstung im Netz, bei der sich sachliche Argumente oft mit weniger sachlichen Beleidigungen mischen.
Zuletzt kam Basketballstar Dirk Nowitzki als Testimonial für die ING-DiBa in den zweifelhaften Genuss eines Shitstorms, weil er mit einem Stück Wurst vom Metzger im Mund Reklame fürs Direktbanking machte. Das schmeckte den eingefleischten Vegetariern der Republik nicht, und so entstand, was Marketingabteilungen am meisten fürchten, weil es praktisch keine Gegenwehr dagegen gibt: ein Sturm der Entrüstung, der einer Marke nachhaltigen Schaden zufügen kann.
Probleme haben aktuellen Statistiken zufolge auch die bislang recht erfolgreichen deutschen Online-Netzwerke. "Studi-VZ, Wer-kennt-wen oder Lokalisten laufen die Nutzer davon", berichtet dpa. Besonders hart treffe das die zum Holtzbrinck-Konzern (u.a. Handelsblatt, Die Zeit) gehörenden VZ-Netzwerke: Im Dezember 2011 habe das Trio aus StudiVZ, SchülerVZ und FreundeVZ nur noch 77 Millionen Seitenaufrufe (Visits) erzielt, was einem Minus von fast 80 Prozent zum Vorjahr entspricht.
Pinterest, eine digitale Pinnwand
Gegen die erschlagende Macht von Facebook (im Dezember rund 175 Milliarden Visits) sind aber nicht nur die deutschen Netzwerke chancenlos. Auch Google+, seit einigen Monaten für den Suchmaschinenkonzern als Social Network auf Sendung, kommt nicht recht in die Gänge. Wiewohl für seine nutzerfreundlichen Datenschutzbestimmungen gelobt, landet Google+ in aktuellen Traffic-Analysen sogar hinter dem Startup Pinterest, eine Art digitaler Pinnwand fürs Internet.
War Facebook im Januar für satte 26,4 Prozent des gesamten Internet-Verkehrs verantwortlich, entfiel auf Pinterest immerhin 2,5 Prozent, während Google+ gerade einmal 0,24 Prozent des Webtraffics auf sich vereinen konnte. Ob Pinterest "das nächste große Ding im Web" wird, wie Focus-online mutmaßt, sei dahingestellt.
Aber selbst das Time Magazine zählt die Pinterest-Seite schon zu den 50 Webseiten des Jahres. Dabei ist Pinterest im Grunde nichts anderes als eine digitale Pinnwand, an der man Erlebnisse und Einkaufstipps austauschen kann. Für Unternehmen interessant dürfte Pinterest als Einkaufsführer werden; für das Networking mit Kunden eignet sich die Seite dagegen weniger.
Google fürs Business, Facebook für die Freizeit
Hier liegt nach wie vor die Chance für Google+, sich zu platzieren. Und so ist es sinnvoll, sich des schlechten Abschneidens bei Traffic-Analysen zum Trotz auch weiterhin mit dem Google-Netz zu beschäftigen. Schließlich sieht sich Google+ im Gegensatz zu Facebook selber als Business-Netzwerk an, was der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg zufolge durchaus auch in Deutschland goutiert wird.
Die GfK-Studie "Social Networks in Deutschland - Reichweiten und Profildaten für Dezember 2011" jedenfalls berichtet von einem Wachstum von 200 Prozent in den vier letzten Monaten des vergangenen Jahres.
Das mag damit zusammenhängen, dass Google+ vor kurzem explizit auch Firmen-Accounts mit entsprechenden Unternehmensseiten zugelassen hat (CIO.de berichtete). Für einen weiteren Aufschwung könnte das möglicherweise bevorstehende Release einer Developer-API sorgen, die das Entwickeln von speziellen Google+-Anwendungen ermöglicht. Zumindest, heißt es beim Computermagazin "OnlinePC", lässt die "neu vorgestellte Seite Google+ Developers ... darauf hoffen". Mehr ist offiziell jedoch nicht zu erfahren.
Zum Verbessern des Traffics - aber auch zum genauen Gegenteil - könnte eine weitere Maßnahme von Google führen, über die das Internetportal "Der Westen" jüngst berichtete. Demnach umgarnt Google derzeit "offensiv Prominente und Politiker". Das Nachrichtenprotal zitiert aus einem Rundschreiben mit dem Titel "Google+ für Politik und Regierung", das vor ein paar Tagen an Ministerien, Behörden und Verbände verschickt wurde.
Dort heißt es unter anderem: "Der amerikanische Präsident Barack Obama integriert Google + bereits in seine Wahlkampfaktivitäten." Der FDP-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist diesem Ruf bereits gefolgt, heißt es, Angela Merkel und ihr Mann fürs Grobe, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, aber ebenso wenig, wie die SPD-Parteispitze um Sigmar Gabriel und Andrea Nahles. All die Genannten setzen ganz populistisch auf den Marktführer Facebook.
Piraten und FDP bei Google+, SPD und CDU bei Facebook
Zustimmung zu Google+ gibt es dagegen von der Piratenpartei: "Ich bin auch dort unterwegs", zitiert Der Westen Aleks Lessmann, Pressesprecher der Partei im Bund und Geschäftsführer der Piraten in Bayern. Dem persönlichen Eindruck des Politikers zufolge hätten die Diskussionen bei Google ein besseres Niveau: "Sie sind fachlicher und nicht so stark von Gefühlen gesteuert wie bei Facebook".
Das könne, folgert Der Westen süffisant "aber auch einfach daran liegen, dass Google wesentlich weniger Nutzer hat". Das muss nicht unbedingt von Nachteil sein, wie spezielle Netzwerke mit Erfolg in Nischen zeigen. Das Business-Netzwerk Xing zum Beispiel konnte über die Jahre seine Umsätze und Mitarbeiterzahlen deutlich steigern: von 35,3 Millionen Euro Umsatz und 174 Mitarbeitern im Jahr 2008 auf 54,3 Millionen Euro Umsatz und 306 Mitarbeitern 2010. Deutlich kleiner als Facebook und wohl auch als Google+, aber in der Nische überlebensfähig.