I/O 2015

Google liefert sich Kopf-an-Kopf-Rennen mit Apple um Zukunftsmärkte

29.05.2015
Dein Smartphone, dein Haus, deine Brieftasche, deine Fotos: Google hat auf seiner Entwicklerkonferenz in San Francisco Technologien und Produkte vorgestellt, die weit über die Internet-Suche hinausgehen. In fast jedem Segment trifft Google dabei auf seinen Rivalen Apple.

Die Widrigkeiten für Google in Europa sind von San Francisco aus gesehen unendlich weit entfernt. Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O wurden die Kartellbeschwerden auf dem alten Kontinent am Donnerstag mit keiner Silbe erwähnt. Hier dreht sich alles um die Visionen der Google-Führung - und wie Entwickler diese konkret in Software umsetzen können. Beim Vorstoß in neue Geschäftsfelder wird Google allerdings häufig auf seinen alten Widersacher Apple treffen - egal ob es um die Vernetzung im "Internet der Dinge" geht, die Autos der Zukunft oder neue Bezahldienste.

Google und Apple konkurrieren derzeit mit ihren Systemen Android und iOS bereits bei den Smartphones und Tablet-Computern. Und mit seinen preiswerten Chromebook-Laptops verzeichnet der Suchmaschinen-Gigant inzwischen auch einige Erfolge im Bildungsmarkt - oft zu Lasten der Macbooks von Apple. Auf der Google I/O eröffnete Produkt-Chef Sundar Pichai eine neue Front: "Wir führen die Computer in den Bereich jenseits der Mobil-Geräte", sagte der Top-Manager und kündigte im gleichen Atemzug mit "Brillo" ein neues Betriebssystem für das "Internet der Dinge" an.

Brillo ist eine abgespeckte Version von Android, das von Google und seinen Partnern auf Smartphones, Tablets und anderen Mobilgeräten eingesetzt wird. Künftig sollen sich nicht nur Heizungs-Thermostate oder Feuermelder online steuern lassen, die Google seit der Übernahme des Startup-Unternehmens Nest im Programm hat. Brillo und das dazugehörige Kommunikationsprotokoll Weaver sollen nach dem Plan von Google zu einer Art Universalsprache der neuen Netzwerke werden. Mit Brillo und Weaver sollen sich auch die unterschiedlichsten Geräte und Dienste untereinander verstehen können, ohne das sie kompliziert konfiguriert werden müssten.

Apple fährt mit seinem "Homekit" einen ähnlichen Ansatz, auch wenn der iPhone-Hersteller bislang nicht offen einen so universellen Anspruch formuliert hat, im "Internet der Dinge" die Maßstäbe zu setzen. In eineinhalb Wochen an gleicher Stelle können jedoch Apple-Chef Tim Cook und seine Mitstreiter auf der Entwicklerkonferenz WWDC die Präsentation von Google mit ihren Vorstellungen kontern.

Als Konkurrenten begegnen sich Google und Apple auch im Automarkt. Google zeigte im Moscone Center in San Francisco vier Fahrzeuge, darunter den E-Golf von VW sowie einen den neuen Q7 von Audi, die mit Android Auto ausgestattet sind. In den Verkaufsräumen in den USA steht bereits das Modell Sonata von Hyundai, das Android Auto mit an Bord hat. Mit dem System gelangen die Karten- und Navigationslösungen von Google Maps sowie andere Android-Apps auf den Bildschirm der Fahrzeuge. Apple hat mit Carplay ein ähnliches Produkt im Programm. VW und Audi fahren mehrgleisig: Neben Android Auto unterstützen sie auch die Apple-Lösung und halten eigene Lösungen für Navigation und Entertainment bereit.

Die Geschichte von Google
Der Investor
Mit einer Investition von 100.000 Dollar durch den Sun-Gründer Bechtolsheim beginnt die Geschichte von Google - der Investor verdient dadurch knapp zwei Milliarden.
Backrub
Die in Standford entwickelt Suchmaschine Back Rub ist Vorläufer von Googles Suche. Die Hand im Logo ist übrigens die von Larry Page - der das Foto mit einem Kopierer erstellte.
Hypermodern
Die heutigen Data Center sind weit moderner. Hier wurde eine finnische Papierfabrik an der Ostsee zum Rechenzentrum umgebaut, zur Kühlung kommt Meerwasser zum Einsatz.
Endloses Betastadium
Die erste Version der Google-Website bezeichnet Google noch als "Beta", was auch für viele weitere Projekte wie Google Mail übernommen wird. Die Suchmaschine ist aber bereits früh ein ausgereiftes Angebot.
Die Väter des Erfolgs
Serge Brin und Larry Page lernen sich in Standford kennen, sie gründen 1998 Google. Seit 4. April 2011 ist Page CEO von Google, ein Posten den er ab 2001 an Eric Schmidt abgegeben hatte.
Zwei weitere wichtige Köpfe: David Cheriton...
Der Stanford-Dozent David Cheriton vermittelt den beiden Firmengründern den Kon-takt zu Bechtolsheim und andern Investoren. Auch er ist durch die Investition in Google heute Milliardär.
... und Eric Schmidt
Der Infomatiker und Manager Eric Schmidt kommt 2001 zu Google. Nach Stationen bei Sun als CTO und Novell als CEO übernimmt er den Posten des CEO bei Google. Am vierten April 2011 wechselt er in den Verwaltungsrat von Google.
Ab an die Börse
Der Börsengang am 19. August 2004 ist für Google ein großer Erfolg. Ende 2013 er-reicht sie erstmals einen Stand von 1000 Dollar, was einem Firmenwert von 327 Milli-arden entspricht.
Es geht nur in eine Richtung...
Seit der Gründung von Google sind Umsatz und Gewinn kontinuierlich gestiegen. Auf-fällig sind die Umsatzsteigerungen der beiden letzten Jahre, obwohl hier durch den Kauf von Motorola hohe Verlusten entstanden.
Alle wollen zu Google
Bei der Frage nach dem beliebtesten Arbeitgeber ist Google auch in Deutschland im-mer auf einem der ersten Plätze. Grund dafür ist ein Ruf als innovativer Markführer, der sich gut um seine Mitarbeiter kümmert.
Männerdomäne
Die Anzahl der Frauen bei Google ist eher gering, 70 Prozent der knapp 48.000 Ange-stellten (und 83 Prozent der Entwickler) sind männlich. Auch Minderheiten sind nur schwach vertreten, was von Google als Problem angesehen wird.
Wettbewerber Facebook
Facebook ist zwar keine Suchmaschine, die Plattform von Mark Zuckerberg hat aber eine Nutzerzahl von 1,23 Milliarden und ist als Anbieter von Werbeplatz eine echte Bedrohung für Google - sinkt doch der Stückpreis für Werbung und ist das Mobilge-schäft noch im Aufbau.
Kreativer Freiraum
Google macht immer wieder mit coolen Büro-Fotos auf sich aufmerksam, hier etwa mit einem als Iglu gestalteten Besprechungsraum.
Venedig-Feeling
Wahlweise kann eine Besprechung in einer Gondel abgehalten werden.
Die alles beherrschende Suchmaschine
Google ist als Suchmaschine Marktführer, Konkurrenten wie Bing, Yahoo und DuckDuckGo haben da wenig Chancen. Vor allem bei der Suche nach deutschen Seiten ist ihnen Google klar überlegen.
Spielchen für Zwischendurch
Die Suchmaschine bietet viele versteckte Funktionen wie „zerg rush“: Gibt man den Befehl in der Suchleiste ein, zerschießen kleine Buchstabe alle Suchtreffer auf der Website.
Immer ausgefeiltere Angebote
Eine Neuerung bei der Google-Suche ist der so genannte Knowledge Graph - sucht man beispielsweise Informationen zu einem Film, sind diese im rechten Seitenbereich zu sehen. Dabei greift Google auf fremde und eigene Quellen zurück.
Google Plus
Google Plus ist eine direkte Antwort auf Facebook, Google soll etwa tausend Angestellte auf dieses Projekt angesetzt haben.
Google Maps
Seit 2005 gibt es den Dienst Google Maps, der immer mehr Funktionen erhält. Beein-druckend sind die hoch aufgelösten Satellitenfotos, das Schwesterprodukt Google E-arth ist mittlerweile in Google Maps integriert. Interessant für Android-Nutzer: In einigen Städten werden auf Android-Geräten bereits Daten öffentlicher Verkehrsmittel angezeigt.
Das eigene Tablet
Googles Tablet Nexus 7 ist eines der erfolgreichsten Android-Tablet. Vor allem in Deutschland ist Android sehr erfolgreich und erreicht bei Smartphones bereits einen Marktanteil von über 75 Prozent.
Der ewige Kampf ums Straßenbild
Nur dank einer ganzen Flotte an Kamera-Fahrzeugen konnte Google Streetview anbieten. Das Angebot stieß aber unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes bald auf Kritik. In Österreich ist Streetview seit kurzem sogar verboten.
Google Glass
Wenig Begeisterung bei Datenschützern löst Google neues Produkt Google Glass aus. Die in den so genannten Google-X-Labs entwickelte Brille kann Informationen im Sichtfeld des Benutzers einblenden, die integrierte Kamera wird aber zum Hauptthema und sorgt für einige Verbote - unter anderem in britischen Kinos.
Die Zukunft: Ab auf die Straße
Selbstfahrende Autos sind schon länger ein Thema für Google, im Mai 2014 präsentiert das Unternehmen einen ersten Prototyp. Dank Laser-Scanner und vieler Sensoren soll es äußerst sicher sein. Laut Brin sei es schließlich Verschwendung, wenn Autos ungenutzt herumstünden. Selbstfahrende Autos könnten einfach neue Passagiere aufnehmen.

Einen Schritt weiter als Apple geht Google bei seinem neuen Dienst Photos, auch weil der Suchmaschinen-Gigant in weiten Teilen auf eine Bezahlung verzichtet. Nutzer können bei Google unbegrenzt Bilder und Videos online speichern, sofern deren Auflösung 16 Megapixel oder 1080p nicht übersteigt. Nur wer noch höhere Auflösungen verwenden möchte, muss bei Google kostenpflichtig Speicherplatz anmieten.

Bei dem neuen Foto-Service spielt Google in faszinierender Art sein Know-how beim Erkennen und Organisieren von Informationen aus. Die Anwendung kann nicht nur wie per Zauberhand alle Fotos eines Nutzers nach den fotografierten Personen, Orten oder Anlässen sortieren. Der Service erkennt beispielsweise auch alle Bilder, auf denen ein Golden Retriever zu sehen ist. Selbst alte Fotos, die eingescannt oder ohne Geo-Informationen digital aufgenommen wurden, versucht der Dienst den richtigen Orten zuzuordnen. Dafür können die Google-Algorithmen Sehenswürdigkeit wie das Schloss in Versailles erkennen. Der Service wird auch für iOS von Apple und als Web-Anwendung bereitgestellt.

Google Photos und die Initiative für das "Internet der Dinge" stellten die Neuheiten für das Mobilsystem Android in den Schatten, auch weil die Ankündigungen am Donnerstag in weiten Teilen den vorab kursierenden Gerüchten entsprachen. Beim neuen Android "M" können Datenschutzeinstellungen jetzt auch für jede einzelne App individuell eingestellt werden, so wie es bei iOS schon seit längerer Zeit funktioniert. Das Google-System soll künftig weniger stromhungrig sein als die Vorgänger. Außerdem unterstützt Google mit Android "M" nun systemweit Fingerabdrücke als Identifizierungsmöglichkeit.

Bei einem beeindruckenden Feature von Android "M" nutzt Google seinen Technologie-Vorsprung, den sich der Konzern durch Forschung und die Verarbeitung von Milliarden von Webanfragen erarbeitet hat. Die mobile Suchfunktion Google Now kann nun auch stärker den jeweiligen Kontext einer Anfrage berücksichtigen. Auf der Bühne führten die Google-Manager dies an einem praktischen Beispiel vor: Ein Android-User, der sich via E-Mail mit einem Freund für einen Kino-Besuch verabreden will, erhält mit dem Druck auf den Home-Button ("Now On Tap") alle notwendigen Informationen zu den erwähnten Filmen. Damit kann er sich ohne eine größere Web-Recherche für einen Streifen entscheiden.

Nebenbei möchte Google dann auch noch die Filmproduktion revolutionieren. Zusammen mit dem Kamerahersteller GoPro stellte Google das System Jump vor, mit dem man Virtual-Reality-Filme drehen kann. Mit Hilfe von 16 kreisförmig angeordneten Kameras, die gleichzeitig filmen, entsteht das Rohmaterial für VR-Film. Eine Software von Google sorgt dann dafür, dass die Bilder zu einem Gesamtwerk zusammengesetzt werden. Und mit YouTube hat Google auch schon einen Kanal, auf dem die VR-Filme abgespielt werden können. Das System soll auch den Unterricht revolutionieren, weil damit virtuelle Schulausflüge etwa zur Großen Mauer in China möglich sind. (dpa/tc)