Es ist ein Meilenstein für künstliche Intelligenz: In einem mit Spannung erwarteten Kräftevergleich zwischen Mensch und Computer hat eine Google-Software einen Top-Spieler im Brettspiel Go besiegt. Der 33-jährige Koreaner Lee Sedol gab am Mittwoch nach rund dreieinhalb Stunden auf. Es war das erste von fünf Spielen in einem Match zwischen Lee und dem Programm AlphaGo in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Das mehr als 2500 Jahre alte asiatische Strategiespiel Go mit seinen vielen möglichen Spielzügen galt bis zur Entwicklung von AlphaGo als zu kompliziert für Computer.
Lee, der schon mit zwölf Jahren Profi wurde, zeigte sich im Vorfeld überzeugt, dass er den Gesamtsieg erringen werde. Er räumte zwar ein, dass Menschen eher Fehler machten als Maschinen. Zugleich erklärte Lee aber, auch nur ein Spiel zu gewinnen, wäre schon ein Sieg für den Computer. Software fühle nicht die Schönheit des Spiels.
Nach der verlorenen ersten Partie zeigte sich Lee "überrascht" davon, wie perfekt AlphaGo gespielt habe. "Ich habe nicht erwartet, zu verlieren, selbst als ich zu Beginn Mühe hatte." Er hoffe, mit einem stärkeren Eröffnungsspiel in den kommenden Partien besser abzuschneiden.
Chris Garlock vom amerikanischen Go-Verband nannte den Ausgang eine "große Überraschung", sein Verbandskollege Andrew Jackson sprach gar von einem Schock-Erlebnis. "Wir haben gesagt, der Tag wird kommen." Doch habe man nicht geglaubt, dass dieser Moment schon so schnell eintreffen werde. "Wir sind vollkommen im Schockzustand."
Lange Zeit hatten die kommentierenden Go-Experten auf der Google-Videoplattform YouTube von einem "engen Spiel" zwischen AlphaGo und Lee gesprochen. Nach einem konventionellen Anfang fiel schon der vierte Zug von Lee ungewöhnlich aus. "Er versucht, den Computer über die Datenbanken hinauszubringen", sagte Go-Profi Michael Redmond, der das Spiel in der YouTube-Übertragung kommentierte.
In die Software wurden Millionen Spielzüge der besten Spieler eingespeist. Sie greift darauf zurück, um die wahrscheinlichen nächsten Züge des Gegners vorherzusagen und gezielt nach Antworten darauf zu suchen. Auf einem Spielbrett mit 361 Feldern wäre sonst die Vielzahl der möglichen Varianten auch für einen modernen Computer nicht schnell genug zu berechnen. Die Spieler haben in dem Match jeweils zwei Stunden Zeit pro Partie für ihre Züge.
AlphaGo ließ sich von Lee ungewöhnlichem Vorgehen nicht überrumpeln und spielte ungewöhnlich offensiv für einen Computer, wie Experten erklärten. Die Kontrahenten gerieten in einen zähen Positionskampf, der sich von der oberen Hälfte des Bretts in die Mitte ausbreitete. Nach zweieinhalb Stunden zeigte der zuvor weitgehend emotionslose Lee erste Anzeichen von Unruhe.
Zunächst verbrauchten AlphaGo und Lee ihre Zeit weitgehend gleichmäßig - bis jeweils 45 Minuten übrig blieben. Danach machte Lee seine Züge viel schneller, zum Teil binnen weniger Sekunden. Als er aufgab, hatte er noch 28 Minuten und 28 Sekunden auf der Uhr übrig und AlphaGo 5 Minuten und 30 Sekunden.
Bis zum 15. März werden die fünf Spiele des Wettkampf bei YouTube übertragen. Es geht dabei auch um ein Preisgeld von einer Million Dollar - im Falle eines Gesamtsiegs des Computers wird das Geld gespendet. Die nächste Partie ist am Donnerstag.
Das Spiel galt für Computer lange als zu komplex. Im vergangenen Herbst schlug die Google-Software aber erstmals einen Profi-Spieler, den Europameister Fan Hui in allen fünf Partien. Da Lee Sedol als weitaus stärkerer Spieler gilt - sogar als einer der besten unserer Zeit - wurden ihm dennoch sehr gute Chancen gegen das Programm bescheinigt.
AlphaGo wurde von Programmierern des britischen Unternehmens DeepMind entwickelt, das Google vor rund zwei Jahren gekauft hatte. Laut Medienberichten betrug der Preis über 500 Millionen Dollar.
Die Regeln des ursprünglich aus China stammenden Go sind im Prinzip einfach: Zwei Spieler versuchen, auf einem Spielbrett - ein Gitter von 19 vertikalen und 19 horizontalen Linien - Gebiete zu erobern. Dafür setzen sie abwechselnd schwarze und weiße Steine. Komplett eingekreiste Steine des Gegners werden vom Brett genommen. (dpa/rs)