Ein Bild über ein Unternehmen entsteht auf ganz unterschiedlichen Wegen. Die einen informieren sich bei Bekannten, andere in den Medien. Anneke Rietzel, 35, ist schlichtweg von Googles Produkten fasziniert. „Ohne Google-Maps gehe ich nicht aus dem Haus.“ Aufbau, Inhalte, Bedienbarkeit findet sie gelungen. Sie kann das beurteilen, weil sie vom Fach ist. Zuerst hat sie Multimedia-Design studiert, anschließend Informatik, „als perfekte Ergänzung zum Design, weil Multimedia rein digital ist“. 2006 war sie mit ihrem zweiten Studium fertig, hat dann in zwei Agenturen gearbeitet. Dort entwickelte sie E-Learning-Systeme und Web-Applikationen.
Seit August 2013 ist sie User Experience Designerin bei Google in München. User Experience Designer arbeiten beispielsweise daran, wie Nutzer aus 200 eingegangen Mails, ohne sie lesen zu müssen, erkennen können, welche wichtig sind. „Wir überlegen uns Lösungen und testen mit Anwendern. Sind die Ideen gut, werden sie im System implementiert.“ So entstanden Infobox-Typen für E-Mails: das System priorisiert Mails, die direkt an den Empfänger gerichtet wurden.
„Es ist schon der Wahnsinn, an Produkten zu arbeiten, die Milliarden Menschen nutzen.“ Rietzel ist sehr zufrieden mit ihrem Arbeitgeber. „Die Hierarchien sind flach. Geht nicht gibts nicht und es geht alles verdammt schnell.“ Bei Google sind die Entwicklungszyklen kurz, weil das Unternehmen nach dem Prinzip agiler Methoden arbeitet. Und das in einer Kultur, die einem Startup gleicht. Rietzel vergleicht die Atmosphäre mit der Kreativität an einer Uni.
Rund zwei Millionen Bewerbungen bekommt Google jährlich. „Die Faszination für Google zu arbeiten, zieht sich durch alle Altersklassen“, sagt Frank Kohl-Boas, Personalchef für mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland. Ähnliches sagt auch Christine Keiner, Director Recruiting bei SAP in Walldorf, dem Zweiplatzierten im Trendence-Ranking: „Das Interesse an SAP als Arbeitgeber ist nicht abhängig vom Alter der Bewerber.“ Etwa 33.000 Bewerbungen hat SAP 2013 in Deutschland erhalten. "Die Anzahl eigehender Bewerbungen verhält sich analog zu den Ausschreibungen. Das Gros sind Professionals, von dieser Gruppe erhalten wir deshalb auch die meisten Bewerbungen.“
340 Absolventen hat SAP im vergangenen Jahr eingestellt und 1800 Professionals. Absolventen legen Wert auf innovative Produkte, sie wollen in einem global tätigen Unternehmen arbeiten und etwas bewegen können, so Keiners Erfahrungen aus vielen Vorstellungsgesprächen. „Im Laufe der Zeit ändern sich dann Wünsche und Ansprüche an den Arbeitgeber.“ Professionals sind sinnstiftende Arbeit, Entwicklungsmöglichkeiten und räumliche sowie zeitliche Flexibilität bei der Arbeit wichtig. „Entscheidend aber ist die Antwort auf die Frage eines Bewerbers, die er sich selbst stellen muss: Pass ich in diese Unternehmenskultur?“, so Keiner.
Darauf gibt es keine Standardantwort, denn die kann nur subjektiv sein. Keiner hatte schon 15 Jahre bei anderen Unternehmen als Personalerin gearbeitet, als sie vor sechs Jahren zu SAP ging. „Mich hat die Vielfalt der Kollegen gereizt: andere Kulturen, tausende unterschiedlich ausgebildete Kollegen, mit unterschiedlichen Perspektiven.“
Große und internationale Unternehmen mit bekannten Produkten ziehen junge Leute an. Deshalb führt Google seit Jahren im Trendence-Ranking der beliebtesten Arbeitgeber von IT-Absolventen. Trendence ist ein Berliner Forschungsinstitut, dort arbeitet Manja Ledderhos. Sie berät Arbeitgeber, wie sie am besten in Kontakt mit IT-Studierenden kommen. Aber wie ist es mit den erfahrenen IT-Spezialisten? Hoffen auch die auf einen Job bei Google? Trendence befragt neben Absolventen auch Young Professionals nach ihren bevorzugten Arbeitgebern, weiß daher auch eine Antwort. „Auch bei Berufserfahrenen IT-lern bleibt Google vorn.
Allerdings verlieren in dieser Gruppe die klassischen IT-Unternehmen in der Beliebtheit und die auf den ersten Blick IT-fremden Unternehmen gewinnen an Bedeutung“, sagt Ledderhos. Beispielsweise die Automobilindustrie.„Ich bin Motorsportfan und von Audi begeistert“, sagt Bernhard Schultes. Sein Bild über Audi entstand durch den Erfolg der Ingolstädter im Motorsport und dem Unternehmens-Slogan ‚Vorsprung durch Technik‘. Später interessierte ihn Audi auch als Arbeitgeber.
So war es klar, dass er gegen Ende seines Studiums der Wirtschaftsinformatik sich über das Unternehmen genauer informierte. Auf der Bewertungsplattform Kununu und in unterschiedlichen Studien über die beliebtesten Arbeitgeber zum Beispiel. „Überall hat Audi gut abgeschnitten.“ Schultes hat sich beworben und wurde genommen. Seit September 2013 ist er IT-Architekt für Handelssysteme. Sein Bild über das Unternehmen hat sich bestätigt.
Es scheint sich unter Informatikern herumgesprochen zu haben, dass die Automobilbranche interessiert an ihrem Wissen ist. Bei Absolventen wie Erfahrenen. Von den rund 100.000 Bewerbungen, die Audi im vergangenen Jahr erhalten hat, stammte jede Zehnte von einem Informatiker. „Nicht nur jüngere Berufseinsteiger interessieren sich für Audi. Auch von berufserfahrenen Informatikern erhalten wir eine hohe Anzahl an Bewerbungen, und zwar für alle Entwicklungsstufen“, sagt Mattias Ulbrich, Leiter IT und Organisation.
Audi hat in Deutschland rund 700 Mitarbeiter in der IT. „Die Faszination für die Marke entsteht durch die Qualität unserer Autos. Es geht um das besondere Fahrerlebnis, den hohen Komfort und die zahlreichen Sicherheitskomponenten“, sagt Ulbrich. Dies alles unterstütze die IT von der ersten Konstruktionszeichnung bis hin zur Technologie im Auto und darüber hinaus. Diese Kombination scheint viele IT-Spezialisten zu reizen. Völlig unabhängig vom ihrem Alter.
Gute Zeiten für Wechselwillige
Der aktuelle Arbeitsmarkt-Report der DEKRA Akademie untersuchte, welche Berufe derzeit besonders gefragt sind. Das sind vor allem Mitarbeiter für den Vertrieb und IT. Nahezu jedes zehnte Stellenangebot richtet sich an Bewerber mit IT-Hintergrund. Software-Entwickler liegen an siebter Stelle der Top-Ten-Berufe. Mit der zunehmenden Digitalisierung steigt auch der Beratungsbedarf, weshalb der Stellenanteil von IT-Beratern kräftig zugenommen hat. Auf Anwenderseite fehlen vor allem IT-Fachleute wie Systemadministratoren.