Vor der Pandemie waren Großraumbüros überall auf dem Vormarsch. Facebook rühmte seinen neuen Hauptsitz in Menlo Park gar als den "größten offenen Grundriss der Welt".
Die Faszination von Großraumbüros, die wahrscheinlich vor etwa zehn Jahren ihren Höhepunkt erreichte, beruhte auf dem, was ich als "Collaboration Bias" bezeichne: die nicht ausreichend untersuchte Annahme, dass soziale Ad-hoc-Begegnungen für Business, Kreativität und Produktivität wertvoller seien als ein ungestörtes Sich-Vertiefen in Aufgaben. Tatsächlich sind es die konzentrierten Höchstleistungen einzelner Personen, die Teams erst erfolgreich machen. Eine Twitter-Nutzerin bringt es auf den Punkt:
Abturn-Faktor Großraumbüro
Eine Reihe neuerer Erhebungen wirft ein ungünstiges Licht auf Großraumbüros und betont stattdessen die Bedeutung von Einzelbüros - egal ob zu Hause oder in einem Firmengebäude.
Ein Forschungsbericht mit dem Titel "Remote and Hybrid Working" der Myers-Briggs Company kommt zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter in Großraumbüros am wenigsten glücklich sind. Dagegen seien Beschäftigte, die ihren eigen Raum haben, viel zufriedener. Die Studie stellt zudem fest, dass sich die verordnete Rückkehr in die meist offenen Bürolandschaften der Firmen negativ auswirke. Die Mitarbeiterfluktuation könne sich beschleunigen, wenn die Diskrepanz zwischen der realen und der gewünschten Arbeitswelt zu groß werde.
Eine Umfrage des Personalvermittlers Robert Half kommt zu dem Schluss, dass mehr als ein Drittel der Befragten (35 Prozent) zu Hause, wo sich die Unterbrechungen durch Kollegen in Grenzen halten, mehr arbeitet. Immerhin 43 Prozent der Beschäftigten, die täglich ins Firmen-Office gehen, geben an, ihre Aufgaben in einem Einzelbüro am besten erledigen zu können.
Eine weitere Umfrage von Framery deutet an, dass die Abneigung gegen Großraumbüros heute größer ist als vor der Pandemie. Etwa 41 Prozent der Befragten sagen, ihre Konzentrationsfähigkeit im Großraumbüro habe sich nach der Pandemie verschlechtert.
Offenbar haben Beschäftigte, die aus dem Home-Office arbeiten, und Büroangestellte mit einem eigenen Büro drei Dinge gemeinsam:
Sie haben ein eigenes Büro.
Sie sind glücklicher.
Sie schaffen mehr.
Ein Königreich für Mitarbeiter
Diese Erkenntnisse geben mir zu denken: Hängen viele Mitarbeiter deswegen so stark am Home-Office, weil sie dort - anders als im Firmen-Office - einen eigenen Raum haben und weniger häufig unterbrochen werden? Die Arbeit von zu Hause spart Zeit und Geld, erhöht die Flexibilität, steigert die Autonomie und bietet andere messbare Vorteile. Aber sie reduziert auch die sozialen Kontakte, bietet nicht immer die besten Arbeitsmittel und auch weniger gute Möglichkeiten für technischen Support.
Fakt ist: Es gibt nicht die eine Lösung für alle Mitarbeitenden. Manche Menschen lieben ortsunabhängiges Arbeiten, egal ob zu Hause oder am Strand. Andere brauchen die sozialen Kontakte, sie kommen allein schlecht zurecht. Wieder andere liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.
Mitten in der 'Great Resignation', in deren Zuge Unternehmen darum kämpfen, IT-Mitarbeiter zu finden und zu halten, scheint mir, dass eine Möglichkeit zu wenig beachtet wird: Großraumbüros könnten ganz oder teilweise in Privatbüros umgebaut werden. Unternehmen würden so Privatsphäre für ihre besten Talente schaffen - was diese mit intensiverer und besserer Arbeit vergelten dürften.
Natürlich gibt es in den Unternehmen viele Zwänge, nicht zuletzt budgetärer Art. Hinzu kommt, dass sich die Aufgaben, Arbeits- und Managementansätze unterscheiden. Pauschalantworten verbieten sich also. Dennoch ist die beste Strategie für Mitarbeiterzufriedenheit und -produktivität ziemlich simpel: Wer remote arbeiten kann, sollte sich aussuchen können, wann und wo er oder sie das tut - im Büro, Vollzeit, Teilzeit oder gar nicht. Diejenigen, die sich für die Arbeit im Büro entscheiden, sollten dort die Chance auf ein eigenes Büro bekommen.
Ein solches Vorgehen würde für zufriedenere und produktivere Mitarbeiter sorgen und sicher auch dafür, dass sich wieder mehr Menchen für die Arbeit im Office entscheiden. Fazit: Es ist Zeit, die Idee vom kollaborativen Großraumbüro ein für alle mal zu beerdigen. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.