Mainframes

Großrechner - fit genug für das digitale Zeitalter?

26.09.2022 von Stan Gibson
Die altehrwürdige Mainframe-Plattform steht vor einer Zukunft mit Open Source, Cloud, Containern und KI – und braucht dringend neue Talente.
In vielen Unternehmen ist der Großrechner noch immer das Herzstück der IT. Seine Stärken spielt er vor allem bei transaktionsintensiven Anwendungen aus. Nach umfangreichen Modernisierungen eignen sich Mainframes aber längst auch für andere Bereiche, beispielsweise in Multi-Cloud-Szenarien.
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Sonny Sonnenstein ist kein Mainframe-Typ. "Ich bin Experte für Banken-Technologie", sagt der CIO für Retail, Business und Digital Banking bei der M&T Bank. Aber man kann mit Sicherheit behaupten, dass Sonnenstein etwas von Anlagerisiken versteht und weiß, wann es an der Zeit ist, auf ein starkes Blatt zu setzen. Genau das tut er mit den IBM Z-System-Mainframes, für die das Geldhaus im Laufe der Jahre rund zehn Millionen Codezeilen geschrieben hat. Sonnenstein sucht nach einer Rendite für diese Investition.

"Wir haben sehr viel Software auf dem Mainframe. Er ist ein Teil unseres Universums und immer noch das Herzstück", sagt der CIO. M&T ist ein Institut mit einem Bruttozinsertrag von 6,1 Milliarden Dollar, das seinen Hauptsitz im US-Bundesstaat New York hat und im Nordosten der USA aktiv ist. Das Unternehmen unterhält zwei räumlich weit getrennte Rechenzentren, die jeweils ein IBM z15-System beherbergen.

Die Bank setzt ihre Mainframes in zwei Bereichen ein: Zum einen laufen auf dem Großrechner transaktionsintensive Bankanwendungen, etwa für Kontoauszüge, Einzahlungen, mobiles Banking, Debitkarten und Kreditzahlungen. Zum anderen werden mobile Applikationen, Container sowie Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) gehostet. Kein Wunder, dass Sonnenstein den Mainframe als "ein vollwertiges Mitglied des modernen IT-Universums" bezeichnet.

Arbeitstier mit Potenzial für Modernisierungen

Laut IDC-Analyst Peter Rutten stimmt die Strategie der Bank mit der Art und Weise überein, wie viele Unternehmen ihre Mainframes heutzutage nutzen. "Der Hauptgrund für den Kauf eines IBM Z-Systems sind Arbeitslasten, die viele Transaktionen mit sehr hohen Geschwindigkeiten erfordern. Aber es geht auch darum, die Modernisierungen des Systems zu nutzen, um all die zusätzlichen, wertschöpfenden Aufgaben damit zu erledigen", sagt er.

Mainframes - die AMGs unter den Servern?

Laut IDC verkaufte IBM im Jahr 2020 mehr als 4.300 Z-Systeme für rund 3,5 Milliarden US-Dollar. Das entspricht zwar nur rund drei Prozent des weltweiten Server-Marktes, gemessen am Herstellerumsatz. Aber Größe ist nicht alles, wie Rutten betont. "IBM Z mit dem x86-Markt zu vergleichen ist so, als würde man einen Mercedes AMG GT mit dem gesamten Automobilmarkt vergleichen. Sein Anteil ist klein, aber das liegt daran, dass er einen einzigartigen Zweck erfüllt, der für die meisten anderen Autos nicht zählt", erklärt der Analyst.

IBMs Preismodell Tailor Fit Pricing

Beileibe nicht alle Anwenderunternehmen tummeln sich auf dem Markt für große Eisen. Schließlich liegen die Einstiegspreise für Mainframes der z15-Familie mit IBM Z-Betriebssystemen bei 250.000 US-Dollar. IBM LinuxONE III-Systeme laufen nur unter Linux zu Preisen ab 135.000 Dollar. Aber IBM mildert die Auswirkungen der Kapitalkosten beim Kauf eines Mainframes, dessen Leistung von 267 MIPS am unteren Ende bis zu 183.267 MIPS reicht, mit seinem "Tailored Fit Pricing" ab, einem Cloud-ähnlichen und verbrauchsbasierenden Preismodell. Das Programm ermöglicht es Kunden, nur das zu zahlen, was sie an Hardware und Software des Z-Systems nutzen.

Z-Upgrades und Open Source

Durch weitere Investitionen in das Z-System weist IBM seinen Kunden den Weg in die Zukunft. Im August 2021 kündigte der Konzern seinen Achtkern-Prozessor "Telum" an, der einen On-Chip-KI-Beschleuniger enthält. Die ersten Telum-basierenden Systeme sollen in der ersten Hälfte dieses Jahres auf den Markt kommen, der Hardware-Zeitplan von IBM sieht CPU-Upgrades etwa alle zweieinhalb Jahre vor. "Wir haben drei bis fünf zukünftige Generationen in der einen oder anderen F&E-Phase auf einer Roadmap von sieben bis zehn Jahren", berichtet Barry Baker, Vizepräsident des Produktmanagements für IBM Z und LinuxONE bei IBM.

System Z und Red Hat bilden die Achse

Doch die Hardware allein wird die Zukunft der Mainframe-Architektur nicht sichern. IBM setzt auch stark auf Synergien zwischen seiner Red Hat-Einheit und den Z-Systemen. "Wir haben das größte Wachstum dort gesehen, wo Kunden ihre Kernsysteme mit Open Source ergänzen - Red Hat Enterprise Linux und OpenShift", sagt Baker. Der Anstieg des Interesses an Linux spiegelt die Beliebtheit des Betriebssystems in der gesamten Branche wider. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von Z-Systemen lag zwischen 10 und 13 Prozent pro Jahr, während Linux in den vergangenen 15 Jahren jeweils im Schnitt um 24 Prozent gewachsen ist, so Baker.

Neu entwickeln statt konvertieren

Die Kunden von IBM würden keine älteren Anwendungen konvertieren, um sie unter Linux laufen zu lassen, sondern neue Linux-basierende Anwendungen als Ergänzung entwickeln, berichtet Baker aus der Praxis. Unternehmen seien in der Lage, eine neue mobile Anwendung auf Linux zu entwickeln, die einige öffentliche Cloud-Services sowie den direkten Zugriff auf Kerndienste der Z-Systeme beinhaltet. Eine ansprechende App, die durch Live-Mainframe-Daten unterstützt wird, könne laut Baker schnell erstellt werden.

Enterprise-Computing-Plattform Mainframe

Nach Angaben des IDC-Analysten Rutten hat sich IBM Z aufgrund der umfangreichen Investitionen von IBM bewährt - nicht nur durch regelmäßige Hardware-Upgrades, sondern auch durch das Hinzufügen von Funktionen für die Zusammenarbeit mit einem Ökosystem von Open-Source-Software sowie Anwendungen von Drittanbietern. "API-fähig, Web-fähig, mobil-fähig, Cloud-fähig, DevOps-fähig, Open-Source-fähig, KI-fähig, quantensicher verschlüsselt", zählt Rutten auf. Dies stelle sicher, dass IBM Z die modernen Anforderungen an eine Enterprise-Computing-Plattform erfüllen kann.

Moderne Use Cases für Mainframes

Bei der M&T Bank arbeitet CIO Sonnenstein daran, diese Fähigkeiten auch zu nutzen. So setzt die Bank beispielsweise den Z Digital Integration Hub von IBM ein, um Transaktionsdaten von Debitkarten in Echtzeit über Apache Kafka an eine Software für die Betrugserkennung zu übertragen. In einem anderen Case greift die Bank auf Mainframe-Bankdaten zu, um Warnhinweise umgehend an mobile Kunden-Apps zu senden.

Bestandteil der digitalen Transformation

Die Initiativen sind Teil der Fünf-Säulen-Strategie des Instituts zur digitalen Transformation, mit der Kernbank- und Mainframe-Umgebungen modernisiert werden sollen. Dies umfasst die Nutzung des SaaS-Angebots von Zafin auf der z15-Kernplattform, um Teams die Erstellung und Aktualisierung von Produkten und Funktionen zu ermöglichen. Zudem wird IBM Z/OS Connect zur Erstellung und Bereitstellung von APIs eingesetzt. M&T spiegelt zudem VSAM-Dateien mit SYSB-II, um die Auswirkungen der nächtlichen Batch-Verarbeitung zu minimieren und eine Verfügbarkeit von 24x7x365 zu ermöglichen.

Der IBM Z Digital Integration Hub wird darüber hinaus eingesetzt, um die On-Demand-Bewegung von Daten zwischen dem Mainframe und anderen Umgebungen, einschließlich der Cloud, zu vereinfachen. Und durch die Umstellung von der Nacht- auf die Echtzeitverarbeitung kann die Bank neue Echtzeitanwendungen für ihre Kunden entwickeln.

Auf dem Weg in hybride Multi-Clouds

All dies zielt darauf ab, M&T in die moderne Welt zu überführen - was ebenfalls bedeutet, dass man in hybriden Cloud-Umgebungen gut mitspielen kann. "Ein Großteil unserer Investitionen dreht sich darum, unseren Kunden die Nutzung der Plattform in einer hybriden Multi-Cloud-Strategie zu ermöglichen. Das ist die Zukunft", sagt IBM-Manager Baker. Der Konzern stellt Z-System-Hardware in seiner Cloud zur Verfügung und ist derzeit der einzige Cloud-basierende Service, der tatsächliche Z-System-Hardware betreibt. AWS bietet hingegen einen Z-System-Emulationsservice an.

Mainframe as a Service für Developer und Tester

Erst kürzlich stellte IBM eine Reihe von Erweiterungen und Services für die Z-Serie vor, darunter "IBM Z as-a-Service" in der IBM Cloud für Softwareentwicklung und -tests. "IBM Wazi as a Service" stellt Entwicklern einen geschützten Raum in der IBM-Cloud zur Verfügung, um z/OS-Anwendungen auf virtuellen z/OS-Servern zu entwickeln und zu testen. In der Ankündigung wurden auch Tools für die Entwicklung von Hybrid-Cloud-Anwendungen vorgestellt.

"Dies senkt die Einstiegshürde für die Einführung von DevOps auf dem Mainframe, da Developer die öffentliche Cloud für die Entwicklung von Betas und Minimum Viable Products nutzen können", erklärt Brent Ellis, Senior Analyst bei Forrester Research. Dennoch sagt Ellis, dass noch mehr nötig sei. "IBM braucht ein IBM Z-Cloud-Angebot, das in Bezug auf Nutzung und Akzeptanz mit AWS EC2, RDS und DynamoDB vergleichbar ist - API-gesteuert, leicht von Kunden bereitzustellen und skalierbar ohne Bezug auf die zugrunde liegende Hardware", fordert der Analyst. "Ein produktives IBM Z-Cloud-Angebot würde die Möglichkeit bieten, Unternehmen anzusprechen, die normalerweise zu klein sind, um eine Mainframe-Infrastruktur zu erwerben."

Seit Jahrzehnten kein altes Eisen

Das Bedürfnis von Kunden wie M&T, ihre Mainframes am Laufen zu halten, treibt IBMs Engagement an, sie dabei zu unterstützen. Dies erzeugt einen sich selbst verstärkenden Zyklus aus Nachfrage und Angebot. "Das Ende des Mainframes wurde seit Anfang der 1990er Jahre immer wieder vorhergesagt. Was die Schwarzmaler nicht wirklich verstehen, ist, wie modern die Plattform ist", sagt Rutten von IDC. Sonnenstein stimmt dem zu: "Sie hat in den 60er Jahren einen Mann auf den Mond gebracht und funktioniert immer noch". Mit den zahlreich verfügbaren Tools, um die Plattform fit für die Zukunft zu machen, "ist sie technisch nicht vergleichbar mit einem Oldtimer".

Mainframe-Kompetenzen zahlen sich aus

Mainframe-Zweifler haben ihren Pessimismus lange Zeit auf das allmähliche Verschwinden alternder Mainframe-Experten aus der Belegschaft und die Zurückhaltung von Informatikstudenten gestützt, sich mit dem Fokus auf die Plattform in eine vermeintliche technische Sackgasse zu bewegen. Eine realistische Einschätzung muss jedoch die lebenswichtige Nische berücksichtigen, die Mainframes besetzen, sowie den Bedarf an Programmierern und Spezialisten einkalkulieren, die diese Systeme wahrscheinlich noch jahrzehntelang managen werden.

Ausbildung für Mainframe-Experten

Dr. Cameron Seay, außerordentlicher Professor an der East Carolina University und der Tennessee State University sowie Vorstandsmitglied des Open Mainframe Project, ist auf die Ausbildung im Bereich Mainframe-Technologie spezialisiert. Laut Seay ist die Mainframe-Technologie ein besonders fruchtbares Studienfach an historisch afroamerikanischen Colleges und Hochschulen (HBCUs), wo viele Studenten Fähigkeiten erworben haben, die sie zu erfolgreichen Karrieren führten. "Es ist eine Goldmine und eine wunderbare Nische für die Studenten. Die Tennessee State University leistet hier wirklich gute Arbeit", sagt Seay. Seiner Einschätzung zufolge hätten die Mainframe-Ausbildungsprogramme der HBCUs "mindestens 300" Studenten in technologische Schlüsselpositionen bei Banken, Versicherungen, großen Einzelhändlern sowie Landes- und Bundesbehörden gebracht.

Schulungen für Admins und Entwickler

Weiter nördlich hat die M&T Bank im November 2020 ihr Z Development Program Mainframe Apprenticeship ins Leben gerufen, ein Schulungs- und Praktikumsprogramm, das sich insbesondere an Schwarze und Latinos sowie an Frauen und Veteranen aus dem Raum Buffalo wendet. Ziel ist, Anwendungsentwickler und Systemadministratoren auf Einstiegsebene auszubilden, die über die nötigen Fähigkeiten für die Arbeit mit IBM Z-Systemen verfügen. Das Programm ist eine gemeinsame Initiative, die von IBM, den Franklin Apprenticeships und dem Urban Institute unterstützt wird.

Im April 2021 gab M&T bekannt, dass die erste Gruppe von Absolventen des ZDP eingestellt wurde, um die zentralen Mainframe-Anwendungen der Bank zu unterstützen. Die neuen Kollegen werden als nächstes eine zwölfmonatige formale Ausbildung sowie kontinuierliches Lernen und berufliche Entwicklung durch Training on the Job absolvieren.

"Die Weltwirtschaft läuft auf dem Mainframe. Das ist einfach eine Tatsache", sagt Professor Seay. "Wir müssen das Bewusstsein in der Öffentlichkeit stärker entwickeln als bisher und neue Leute auf die Plattform bringen. Diese Technologie wird in absehbarer Zeit nicht aussterben."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com