Mit über 9.00 Läden weltweit, von der City-Filiale bis zum Hypermarkt auf der grünen Wiese, ist Groupe Casino eine der führenden Lebensmittelketten in Frankreich - und eine der ältesten. Seit der Gründung im Jahr 1898 betreibt Casino heute mehrere Ketten, darunter Geant, Monoprix, Spar und Vital. Insgesamt erwirtschaftet das Unternehmen einen Umsatz von 22 Milliarden Euro, gut ein Fünftel davon im Ausland.
Doch die Vielfalt hat ihre Tücken: Im Bestell- und Rechnungswesen existierten überlappende, teils veraltete Kommunikationskanäle für über 7.000 Lieferanten und 213.000 Mitarbeiter. Einzelne IT-Komponenten stammten noch aus den 70er Jahren, und die Wartungskosten eines solchen Servers lagen bisweilen höher als der Zeitwert der Maschine.
Verbesserung der internen Geschäftsabläufe als Zielsetzung
Das Unternehmen stand daher vor der Aufgabe, die internen Abläufe näher an seine Kunden und Lieferanten heranzuführen. „Den meisten Erfolg versprach die Implementierung einer weiteren Applikations-Schicht, über die sich die Kommunikation mit den Zielgruppen anpassen ließ“, erläutert Bulent Ergin, CTO der Casino Information Technology (CIT). Weitere Vorgaben waren die Beschleunigung einzelner Prozesse, darunter die Preisfindung und Sortimentsgestaltung, sowie eine Verstärkung der Geschäftsbeziehungen mit den Lieferanten.
„Wir mussten unser Informationssystem öffnen, um einen Echtzeitzugriff auf die relevanten Daten zu erhalten“, so Bulent Ergin weiter. Der zentrale Ansatz war die Einrichtung mehrerer Web-Portale für die regional und soziodemografisch vielschichtige Ausrichtung der unterschiedlichen Ketten und Länder. „Casino war sich bezüglich seiner Modernisierungsstrategie und des Einsatzes eines Portals als Schlüsselelement sehr sicher. Die einzige noch betrachtete Alternative wäre der Aufbau einer Portallösung durch Casino-Lieferanten gewesen.“
Im Rahmen einer weltweiten Ausschreibung im Jahre 2003 bewarben sich IBM, BEA Systems und Plumtree, letztere wurden im Herbst 2005 von BEA übernommen. Mithilfe von Web-Technologien und zentralisierten Servern sollte eine Reihe von Portalen für heterogene Informationen und Applikationen sowie effizientere Betriebsabläufe aufgesetzt werden, mit denen sich die unterschiedlichen Anwendergruppen differenzieren und integrieren ließen.
Das erste Portal, basierend auf der Produktreihe BEA AquaLogic User Interaction, wurde wenige Monate nach Ende der Ausschreibung für die 7.000 Lieferanten der Gruppe implementiert. Danach entstanden vier weitere Portale, und zwar für die Hypermärkte, Supermärkte, die kleinen Läden in Innenstadtlage und die Franchise-Betriebe.
20 funktionale Portale in Betrieb
Durch die Erfahrungen und erneut verwendbare Komponenten des Pilotprojektes ließen sich spätere Umsetzungen deutlich schneller realisieren. Inzwischen sind über 20 voll funktionale Portale für die Supermärkte und Läden, die Logistik und das IT-Projektmanagement im Betrieb. Für die Neueinführung der Portale war eine Server-Farm mit insgesamt 17 Servern erforderlich, von denen zehn Server für die Produktion und sieben für die Testphase vorgesehen waren.
„Die Lösung hat sich durch die Integration von .NET und J2EE, hohe Stabilität und Skalierbarkeit sowie weite Anpassbarkeit im robustes Content-Management bewährt“, kommentiert Bulent Ergin. Mittels innovativer Echtzeit-Kommunikation und einem Collaboration-System ließen sich die vielfältigen Prozesse z.B. bei der Lagerauffüllung und Lebensmittelbestellung beschleunigen. Auch die Möglichkeit der Rückverfolgung von Aufträgen verhalf dem Unternehmen zu einer deutlichen Erleichterung.
Nach der Implementierung der Portale profitierte die interne IT von Casino von anwenderfreundlichen und leistungsfähigen Tools, mit der sich Reaktionszeit und Produktivität deutlich verbessern ließen. „Unsere Prozesse können nun in Echtzeit kommunizieren, was vom Wettbewerb nicht erreicht wird“, sagt Bulent Ergin. Mittelfristig ermöglicht das Portal die Implementierung neuer Applikationen und Software, darunter auch SAP For Finance.
Verbesserungen ergaben sich nicht nur im Backoffice, sondern auch an der „Front“: Hier wurden mehrere tägliche Routine-Aufgaben verbessert, darunter das Wiederbestücken von Regalen, die Etikettierung und der Zugriff auf Verkaufs-Forecasts. Diese Änderungen machen sich nun in der täglichen Routine deutlich bemerkbar: So berichteten die Leiter der kleinen Innenstadtfilialen von einer durchschnittlichen Zeitersparnis von einer Stunde pro Tag.
Einfache Portal-Bedienung als Vorgabe
Ein Nebeneffekt: Dem Endanwender bleibt die Komplexität des gesamten Informationssystems völlig verborgen. Dazu Bülent Ergin: „Um das Zusammenwachsen der Nutzer zu fördern, sollte das Portal so einfach zu bedienen sein wie das Internet in einem familiären Kontext.“ Auch können kleinere Lieferanten, die sich keine Implementierung eines EDI-Systems leisten können, die Bestellungen nun online oder nach einem Download von Word- oder Excel-Dateien bearbeiten.
In einem Geschäft, dessen Erfolg von der Performance seiner Logistik abhängt, kann Groupe Casino nun in Echtzeit auf Veränderungen im Markt reagieren. Doch Stillstand würde auch bei den Franzosen einen Rückschritt bedeuten. Aus diesem Grund wurden die Portale bereits in die Niederlande und USA übertragen, in Kürze gefolgt von weiteren Ländern. Doch Bulent Ergin hat weitere konkrete Vorstellungen: „Unsere nächste Herausforderung wird es sein, den Portal-Service noch stärker zu personalisieren.“
Bernhard Schoon, Fachjournalist in München