Doch, einen Herrn im korrekten Anzug gibt es. Den Kontrolleur an der Einlasstüre nämlich. Ansonsten zeigt sich die Münchner Residenz an diesem Mittwochvormittag tierisch bunt: große, farbige Affengesichter prangen an den Wänden. Jeans-und-Turnschuhträger, die sich "Investment-Punk" oder "Visual Artist" nennen, schlendern mit quietschgrünen Smoothies in der Hand durch das Foyer des vormaligen Stadtschlosses bayerischer Könige. "Royal Jungle" nennt sich denn auch das Event, das deutsche und amerikanische Start-Ups zusammenbringen soll.
Und so wird im Max-Joseph-Saal, durch dessen hohe, stuckverzierte Wände sonst mozartsche Kammerkonzerte schallen, über Startup-Accelerators und Business-Building zwischen College und Company gefachsimpelt. Überwiegend in kalifornischem Englisch, versteht sich.
Markenbildung gehört dazu
Vertraute Klänge für Uschi Joshua. Die gebürtige Münchnerin trommelt im "Royal Jungle" für GABA, die German American Business Association. Joshua lebt in Kalifornien und Bayern und sähe gerne mehr amerikanischen Gründergeist in Deutschland. Pragmatismus, Spaß am Wettbewerb, solche Qualitäten vermisst sie. "Die Amerikaner präsentieren sich schon ganz anders", beobachtet sie, "dort hat Selbstvermarktung einen höheren Stellenwert." Im Silicon Valley mit seinen Protagonisten von Apple bis Yahoo gehöre der Aufbau einer klar positionierten Marke selbstverständlich dazu.
Wobei die GABA-Geschäftsführerin einräumt, dass junge kalifornische Start-Ups in der gründerfreundlichen Fehlerkultur besser gedeihen: "In den USA ist Scheitern keine Schande, so wie leider oft in Deutschland", erklärt sie. "Insofern tun sich die amerikanischen Stehaufmännchen leichter."
Es den jungen Gründern zu erleichtern, Zugang zu etablierten Unternehmen zu bekommen, ist das Ziel von Acceleratoren, erklärt Lorenz Hartung, Managing Director von Techfounders, dem Accelerator von UnternehmerTUM. Hartung schätzt, dass sich in den USA rund jeder dritte Absolvent vorstellen kann, zu gründen - in Deutschland dürften es weniger als fünf Prozent sein. "Wir haben hier viele talentierte junge Leute", sagt Hartung, "aber die entscheiden sich noch immer gerne für eine Karriere in der Industrie."
UnternehmerTUM will Gründergeist bei den Studierenden und Wissenschaftlern der TU München wecken und begleitet sie nach eigener Darstellung von der ersten Idee bis zum Markteintritt. "Das neue Accelerator-Programm bringt junge Technologieunternehmen gezielt mit Partnern aus der Industrie zusammen", sagt Hartung. "Beide Seiten profitieren: Die Start-Ups erhalten den Zugang zu Entwicklungspartnern und Pilotkunden, die Unternehmen den frühzeitigen Zugang zu neuen Technologien."
Denn die Konzerne brauchen Start-Ups, ist Helmut Schönenberger überzeugt. Der CEO von UnternehmerTUM sagt: "Die Unternehmen haben die Kundenbasis und die etablierten Prozesse. Die Start-Ups haben disruptive Produkte." Als Vermittler zwischen den traditionellen Konzernen und den agilen, schnellen Start-Ups bieten sich Acceleratoren an, so Schönenbergers Credo. Er weiß aus Erfahrung, dass die Kooperation schon an ganz Banalem scheitern kann: "Start-Ups bekommen keine Einkaufsnummer beim Großkunden", sagt er, "die kommen nicht auf die Lieferantenliste." Fazit: es braucht Schnittstellen.
Dennoch zeigen sich sowohl Hartung als auch Schönenberger optimistisch. "In den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren hat sich in der deutschen Start-Up-Szene einiges getan", erklärt Hartung, "und diese Entwicklung wird sich fortsetzen." Schönenberger fügt an, dass zunehmend auch die Entscheider in den Unternehmen erkennen, dass sie die kreativen jungen Wilden brauchen, vor allem die IT-Entscheider. "Wir stehen da noch am Anfang", räumt er ein, "aber am Anfang einer Revolution." Laut GABA-Präsidentin Joshua sollten CIOs, die mit Start-Ups zusammenarbeiten wollen, zwei Skills mitbringen: Konzentration auf das, was ihrem Unternehmen im Wettbewerb nützt, und Durchhaltevermögen.
"Welche Rolle spielt Unternehmertum in den nächsten 50 Jahren eures Lebens?"
Durchhaltevermögen sieht Andy Goldstein, Geschäftsführer vom LMU Entrepreneurship Center, auch bei den jungen Gründern gefordert. Seine erste Frage an diese lautet: "What role has entrepreneurship for the next fifty years in your life?".
Dass sie durchhalten wollen, zeigen die Founder am Drumherum der Veranstaltung: Müsli mit frischen Beeren wird gereicht, dazu gibt es kühles Nass, das vor zehntausend Jahren als reinstes Gletscherwasser in die Münchner Schotterebene sickerte und als "allerbestes Mineralwasser" wieder herauskam, wie zumindest Anbieter Aqua Monaco verspricht. Wobei ein ortskundiger Wollmützenträger seinem amerikanischen Freund zuraunt, das Wasser stamme ja eigentlich aus Markt Schwaben. Schimpf local, sozusagen.
Damit auch der American Way of Fun nicht zu kurz kommt, stehen Pizza und Red Bull auf dem Tisch. Und nach Veranstaltungsende darf sich jeder eine Give-Away-Tasche mitnehmen - darin sind Kekse und ein Kondom. Letzteres gesponsert vom Anbieter Shäre.com. Ein ziemlich analoger Weg, sich zur digitalen Marke aufzubauen.
Doch man kann ja nicht den ganzen Tag in der noblen Münchener Residenz herumstehen und so wird abends noch Party gemacht. Registratur nennt sich der Club im hippen Gärtnerplatz-Viertel. Etwas reifere Besucher mutmaßen zunächst, das Lokal werde gerade renoviert oder sei noch nicht fertig. Erst langsam dämmert es, dass das weniger als schummrige Licht, die kahlen schwarzen Wände und die vermutlich "puristische" Einrichtung die fertige Lösung sind.
Nachdem also eine gewisse Diskrepanz zwischen Nutzer-Adressierung (des Clubs) und eigener Nutzer-Identität registriert ist, lässt man sich gegen Mitternacht den Mantel wiedergeben. "Wieso gehst Du schon, gefällt es Dir bei uns nicht", erkundigt sich der wackere Garderoben-Boy. Auf die eilige Versicherung, doch doch, aber die Party überlasse man lieber den jungen Leuten, weiß er zu berichten: "Aber wieso - wir haben hier doch ein ganz breites Spektrum. Von 18 bis 31!"