Die vergangenen Jahre haben eindrucksvoll gezeigt, dass sich auch in Europa namhafte Konzerne immer öfter für ein umfassendes Outsourcing ihres IT-Betriebs entscheiden. Dabei spielen nicht nur Kostenvorteile eine wesentliche Rolle. Denn mit einer Fremdvergabe ihrer IT streben Unternehmen meist auch qualitative Verbesserungen an - zum Beispiel durch industrialisierte IT-Prozesse und Service-Innovationen.
Während des Ausschreibungsprozesses demonstrieren die Anbieter von IT-Outsourcing-Dienstleistungen, wie der Kunde zukünftig seine IT-Services kosteneffizient beziehen kann. Die Auslagerung des IT-Betriebs soll dem Kunden ermöglichen, sich wieder verstärkt auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, um wettbewerbsfähig am Markt zu bleiben. Soweit die Theorie. Die Praxis zeigt jedoch ein viel komplexeres Bild.
Und dies nicht nur für die Unternehmen, die ihre IT auslagern wollen. Sie müssen sich etwa mit dem Aufbau einer professionellen Providersteuerung oder mit langwierigen Verhandlungen im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung auseinandersetzen.
Auch die Anbieter von IT-Outsourcing-Dienstleistungen sehen sich enormen Herausforderungen ausgesetzt, sollten sie die Ausschreibung gewinnen. Denn um erfolgreich bei ihrer Akquise zu sein, müssen Vertriebe vor allem bei reputationsträchtigen Aufträgen zu umfangreichen Zugeständnissen bereit sein. Die Fabrikchefs arbeiten hart daran, die Versprechen ihrer Vertriebskollegen einzulösen.
Sie haben bereits vor Jahren damit begonnen, zukunftsorientierte Ziel-Betriebsmodelle ("Target Mode of Operation", TMO) zu etablieren. Solche Betriebsmodelle ermöglichen dem Unternehmen, kundenübergreifende Skaleneffekte durch Standardisierung und durch Standortkonsolidierung zu realisieren. Außerdem helfen Automatisierung und Niedriglohnkonzepte, Personalkosten erheblich zu reduzieren.
Komplexe Übergangsprozesse
Doch diese Konzepte in die Praxis umzusetzen bleibt weiterhin schwierig. Besonders problematisch stellt sich die Überführung eines vom Kunden übernommenen Betriebsmodells ("Current Mode of Operation", CMO) in ein Ziel-Betriebsmodell. Aufgrund der zahlreichen technischen Abhängigkeiten ist dieser Transformationsprozess extrem komplex.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Kunde im Rahmen des Betriebsübergangs oft verschiedene IT-Betriebsmodelle übergibt. Diese haben sich im Unternehmen meist historisch gebildet. Wurden zum Beispiel Verantwortungen in der IT dezentral gelebt, so können im Unternehmen unterschiedliche Betriebsmodelle jahrelang nebeneinander existieren. Da jedes übergebene Betriebsmodell (CMO) eine eigene Transformationsplanung und -durchführung erfordert, erhöht sich die Komplexität für den Dienstleister beträchtlich.
Transformationsschritte können zudem Auswirkungen auf die Nutzer eines IT-Services haben, etwa wenn Desktop-Systeme umgestellt oder Anwendungen im Rechenzentrum migriert werden. Veränderungen dieser Art setzen die Zustimmung des Kunden voraus. Bleibt die Zustimmung aus, so hat dies unmittelbar Auswirkungen auf den Transformationsprozess.
Auch die immer kürzer werdenden Laufzeiten von Outsourcing-Verträgen erschweren die Transformation. Waren früher Laufzeiten von sieben bis zehn Jahren üblich, so haben heutige Verträge häufig eine Laufzeit von gerade mal fünf bis sieben Jahren. Die nach der Transformation verbleibende TMO-Phase ist damit für die Anbieter zu kurz, um die Einmalaufwendungen für die Transformation zu rechtfertigen.
Doch damit nicht genug. Denn zeitlich befristete Bestandsgarantien für das Personal erschweren zusätzlich das Problem. Reichen die Bestandsgarantien über die Transformationsphase hinaus, so kann der Anbieter die Nutzeneffekte aus der Transformation nicht rechtzeitig realisieren. Und last but not least: die "Cloud". Die öffentliche Diskussion über Cloud-Services erzeugt bei den Kunden die Erwartungshaltung, dass Anbieter Volumenveränderungen im Unternehmen flexibel in ihren Produktions- und Kostenstrukturen adaptieren können.
IT-Outsourcing: ein unrentables Geschäft für Anbieter?
Vor dem Hintergrund dieser Faktoren wundert es kaum, dass sich mehr als 50 Prozent der IT-Outsourcing-Abschlüsse für die Anbieter als unprofitabel herausstellen. So haben erfolgreiche Anbieter von Outsourcing-Dienstleistungen ihre Lehre daraus gezogen und - oft unter Anleitung der Fabrikchefs - eine Reihe von Maßnahmen vor Vertragsabschluss ergriffen. Ihr Ziel: das Risiko eines unprofitablen Geschäfts zu minimieren.
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Durchführung einer technischen Due Diligence
Zusätzlich zur kommerziellen Due Diligence, sollten Outsourcing-Anbieter auch eine umfassende technische Due Diligence durchführen, um die unterschiedlichen CMOs mit ihren technischen und kommerziellen Besonderheiten zu erfassen. Dabei werden für jeden Service die zum Einsatz kommenden Lieferprozesse inklusive des Automatisierungsgrads, die Lieferstandorte und die Liefersysteme analysiert.
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Festlegung des Ziel-Betriebsmodells je Service
Basierend auf der technischen Due Diligence muss der Anbieter bei jedem Service festlegen, bis zu welchem Grad das Ziel-Betriebsmodell während der Vertragslaufzeit angestrebt wird. Maßgeblich für die "Sprungweite" sind neben der Heterogenität des Ausgangsbildes auch der bisherige Professionalisierungsgrad, technische Abhängigkeiten und Lebenszyklusüberlegungen (z.B. bei Hardware-Investitionen), Länge der Vertragslaufzeit sowie kommerzielle Rahmenbedingungen der Transaktion.
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Erstellung einer abgestimmten Transitions- und Transformationsplanung
Die Definition und vertragliche Fixierung der Transition- und Transformation-Roadmap stellt sicher, dass Anbieter und Kunde über gesicherte Planungsparameter verfügen. Dabei legen die Anbieter besonders viel Wert auf die genaue Beschreibung der Mitwirkungspflichten des Kunden während der Transitions- und Transformationsphase sowie auf mögliche Implikationen, falls Beistellleistungen nicht vereinbarungsgemäß erbracht werden.
Vergütungsregeln und Volumenmatrix
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Festlegung der Vergütungsregeln für die Transformation des Betriebs
Die Überführung verschiedener Ist-Betriebsmodelle in ein zukunftsorientiertes Ziel-Betriebsmodell schafft für den Kunden einen Wert, der über das Ende der Vertragslaufzeit hinausgeht. Für Anbieter erfordert die Transformation hingegen einen hohen Einmalaufwand. In der Vergangenheit enthielten die meisten Outsourcing-Verträge keine explizite Regelung für die Vergütung dieses Aufwands.Begründet wurde dies damit, dass der Outsourcing-Anbieter selbst den Nutzen der Transformation über einen langen Zeitraum hat. Mit den immer kürzeren Vertragslaufzeiten sind Anbieter jedoch mittlerweile gut beraten, explizite Vergütungsregeln als Gegenleistung für die Wertsteigerung mit ihren Kunden zu vereinbaren.
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Festlegung einer abgestimmten Volumen-/Preismatrix
Um in Zeiten der "Cloud" dem Wunsch der Kunden nach flexiblen, volumenabhängigen Kostenstrukturen gerecht zu werden, bieten sich Volumen-/Preismatrizen an. Diese definieren die Volumenbereiche, innerhalb derer die Stückpreise eines Services konstant gehalten werden können. Werden die Mengen eines Volumenbereichs unterschritten, so ist der Kunde verpflichtet, entweder höhere Stückpreise oder eine Einmalentschädigung zu zahlen.
Vor Vertragsabschluss wichtige Voraussetzungen erfüllen
Um diese wichtigen Maßnahmen vor Vertragsabschluss ergreifen zu können, müssen IT-Outsourcing-Anbieter eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen.
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Der IT-Dienstleister sollte genau wissen, welche kundenspezifischen Abweichungen vom Standard-TMO akzeptabel sind. Wichtige Aspekte sind dabei: Wie wirken sich diese Abweichungen auf die kundenübergreifende Realisierung von Skaleneffekten? Welche Folgen haben sie für den Automatisierungsgrad der Lieferprozesse?
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Der IT-Outsourcing-Anbieter sollte eine standardisierte Transformations-Roadmap mit der typischen Abfolge von Transformationsschritten entwickeln. Diese dient als Blaupause für den jeweiligen Kunden und reflektiert alle technischen Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Services.
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Um ein optimales, kundenübergreifendes Kapazitätsmanagement zu betreiben, sollte die Fabrik Liefer- und Sourcing-Ansätze definieren, die bei der bestehenden Kundenbasis Kapazitätsschwankungen von ±20 Prozent verkraften können. Nur so ist es möglich, Volumen- und Preismatrizen real abzubilden.
Erfolgreiche Fabrikchefs haben erkannt, dass all diese Maßnahmen und Voraussetzungen eine sehr wichtige Rolle spielen - sowohl für die Organisation des Anbieters als auch für sie selbst. Denn nur so ist eine erfolgreiche Auslagerung des IT-Betriebs möglich.
Andreas Dietze ist Partner von Roland Berger Strategy Consultants.