Als das Konsortium Electronic Toll Collect (ETC) im vergangenen Jahr auf der A3 bei Idstein testweise die erste von 300 Kontrolleinrichtungen auf einer Brücke installierte, mit dem die Betreibergesellschaft die Verkehrsdaten der LKW-Fahrer erfasst, kam es innerhalb weniger Stunden zu vier schweren Verkehrsunfällen. Die Autofahrer hielten die neue Technik für eine Radarfalle und bremsten abrupt.
Die Technik, die Toll Collect einsetzen will, ist höchst kompliziert, denn das System soll ohne bemannte Kontrollstellen auskommen. Die LKWs bekommen eine On-Board-Unit (OBU) eingebaut. Die Kreuzung aus GPS-, Mobilfunkgerät, Infrarotsender und Datenspeicher errechnet die befahrenen Autobahnkilometer und meldet sie während der Fahrt per GSM-Funk an einen Buchungscomputer. Wer nur selten in Deutschland unterwegs ist, kann sich auch über das Internet oder manuell an Terminals einbuchen. An den 300 Brücken prüft Toll Collect per Infrarot, ob die OBUs auch eingeschaltet sind. Per Schrifterkennung werden die Kennzeichen von Schwarzfahrern ausgelesen und an die Zentrale gemeldet.
Wenn die Technik nicht crasht und das System zum 31. August, 0.00 Uhr, pünktlich steht, will der Bund für Lastwagen über zwölf Tonnen Gewicht zwischen 10 und 17 Cent Autobahngebühr pro Kilometer kassieren. "Sie können sich vorstellen dass der geplante Starttermin bei einigen Beteiligten zu schlaflosen Nächten führt", sagte Klaus März, Leiter Hosting & ASP bei T-Systems auf den Hamburger Strategietagen.
Toll-Collect Sprecher Hans-Christian Maaß versichert selbstbewusst und offiziell, das alles im Zeitplan ist. Doch inoffiziell war zu lesen, dass sich bei T-Systems wöchentlich ein Krisenstab trifft, um die Software rechtzeitig fertig zu bekommen. Vor dem Pilotbetrieb am 1. Mai sei ungewiss, ob die einzelnen Teile auch wirklich zusammen passen würden.
Die knappe Zeit kommt nicht von ungefähr. Zu Beginn stritten sich Telekom- und das Wettbewerber-Konsortium um Vodafone (Ages) so heftig und vor Gericht um den Millionenauftrag, dass sich der Zuschlag um viele Monate verzögerte. Erst als die Konkurrenz im September vergangenen Jahres mit Dienstleistungsaufträgen gnädig gestimmt wurde, zog Ages seine Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf zurück.
Die meisten Menschen erfuhren erstmals in der vergangenen Woche durch den Kabinettsbeschluss der Bundesregierung, dass die LKW-Maut kommt. "Es wurde nur wenig kommuniziert gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber Brüssel", meint Fela-Geschäftsführer Jörg Uhlmann. Sein Unternehmen ist Betreiber des schweizerischen LKW-Maut-Systems, schied jedoch in Deutschland schon in der Vorrunde des Bieterverfahrens aus.
Die Heimlichtuerei rächt sich jetzt. Denn die zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio ist aufgewacht und stellt unangenehme Fragen. Die Kommission glaubt, dass die Mautgebühr zu hoch sei und Spediteure aus anderen Mitgliedstaaten unzulässig belaste. Sollte sich der Verdacht erhärten, will die Kommission noch vor dem geplanten Start ein Verfahren einleiten.
Ab 1. April will Toll Collect, so verspricht Maaß, mit einem neuen Internetauftritt (www.tollcollect.de) offensiv die Speditionsbetriebe informieren. Mit Besichtigungen der Technik will er skeptische Journalisten überzeugen.
Doch die letzten Kritiker werden wahrscheinlich erst verstummen, wenn beim Bund Ende September die erste Rate eingegangen ist. Die Summe, so hofft das Verkehrsministerium, beläuft sich auf bis zu 300 Millionen Euro im Monat. 20 Prozent davon sollen die Betreiber bekommen.