Joachim Dütz hat einen langen Atem: Nicht vor 2015 werde das Projekt in allen Gesellschaften von MAN Nutzfahrzeuge abgeschlossen sein, schätzt der Leiter der Personalinformatik des Münchener Konzerns. Der Abschluss des Roll-outs in Deutschlands beendete die erste Etappe des Vorhabens. Mitte dieses Jahres gingen die letzten Funktionen live, damit findet ein Großteil der Personaladministration der deutschen Gesellschaften in SAP HR statt.
Was hier im Personalwesen geschieht, ist beispielhaft für die ITStrategie des Lkw-Herstellers. "Wenn die Internationalisierung funktionieren soll, dann nur über Standards", erklärt Gottfried Egger, CIO des größten Teilkonzerns der MAN AG. Und Internationalisierung ist ein wichtiges Thema in dem bayerischen Traditionshaus, das europaweit einen Marktanteil von knapp 17 Prozent für sich behauptet, weltweit allerdings nur annähernd vier Prozent beherrscht. Und das soll sich ändern.
In der IT, aber auch in den Fachbereichen liegt der Schlüssel zum internationalen Erfolg in Standards, sagt
Egger und ergänzt den Gedanken mit einem vermeintlichen Widerspruch: "Wer sich in das Korsett eines
Standards presst, wird flexibler." Er kann sich innerhalb des festgesteckten Rahmens freier bewegen, kann ausund vertauschen oder ergänzen beziehungsweise reduzieren - eben so, wie es vonnöten ist.
Sorgfalt ist erfolgsentscheidend
Und Egger spricht nicht von IT, wenn er von Standards redet. Im Gegenteil. IT ist nicht das Wesentliche, nicht das Entscheidende. Federführend bei der Internationalisierung sind die einzelnen Fachbereiche. An ihnen ist es, die Standards zu formulieren, zu diskutieren und umzusetzen. Die IT unterstützt sie dabei. Mit Technik, aber auch mit dem Überblick über Prozessketten, der hier nun mal vorhanden ist.
Zurück ins Personalwesen, wo sich Joachim Dütz um die weltweite Einführung von SAP kümmert. Erfolgsentscheidend für den Roll-out war für ihn zunächst die sorgfältige Erstellung des Templates. In das Papierwerk fließen sämtliche Vorgaben für die spätere Ausprägung des Systems ein.
"Wir legen die Parameter für globale HR-Prozesse zentral fest", erklärt Dütz. Einmal installiert, lassen sich dann Änderungen am globalen Template nur noch über einen formalisierten, streng definierten Weg einspielen, und der führt über die Zentrale in München. Nur so lässt sich gewährleisten - und das ist das Ziel -, dass in Zukunft alle Gesellschaften in einheitlichen Prozessen arbeiten, von einer gemeinsamen, einheitlichen Datenbasis ausgehen und man so letztlich klare Kennzahlen an den Personalvorstand vermittelt.
Gebaut wird die Anwendung auf der jüngsten Version von SAP, ECC 6.0, der Hersteller hat hier konzernweit
ein Ein-Mandanten-System im Einsatz. Dieses tritt nun sukzessive an die Stelle der einzelnen Anwendungen vor Ort, die historisch bedingt völlig unterschiedlicher Natur sind. In der Vergangenheit verfolgte MAN Nutzfahrzeuge die Strategie, die einzelnen Gesellschaften weitgehend autark arbeiten zu lassen. Entsprechend setzten sie unterschiedliche IT-Systeme in den einzelnen Geschäftseinheiten und Ländern ein.
In Österreich und Polen, wo nun der Roll-out für das Template angelaufen ist, verabschiedet sich das Unternehmen beispielsweise von den Systemen "Salzburger Lohn" und "Koma HR". In beiden Ländern wird das globale Template bis 2011 an insgesamt acht Standorten installiert und den lokalen Anforderungen angepasst.
Keine technische Herausforderung
Das Vorhaben setzt ein externer Dienstleister um, in diesem Fall S&T DACH, der die lokalen Parameter in
Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort erarbeitet und installiert. Mittelfristig sollen die eigenen Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, selbstständig die lokale Parametrisierung vornehmen zu können.
Aus technischer Sicht ist das Ausrollen des globalen Templates nur bedingt komplex, konstatiert Dütz. Entscheidend für das Gelingen ist jedoch nicht nur die klare Ausarbeitung der einheitlichen Prozesse, sondern auch das, was Dütz als "Umgebungsvariablen" des Projektes bezeichnet. Dazu rechnet er den starken Rückhalt seitens des HR-Executive-Managements und nicht zuletzt die Rücksichtnahme auf die Kollegen in den einzelnen Gesellschaften. Wer hier das Gefühl hinterlasse, es werde alles von oben aufgezwungen, werde nicht weit kommen. Auch das ist übrigens ein Grund, warum sich MAN für die Unterstützung eines externen Dienstleisters entschied: S&T setzt polnisch sprechende Berater ein.
Ein weiterer Aspekt hängt eng damit zusammen. Bei der Festlegung, welche Prozesse in Zukunft wie abzulaufen haben, sollte genug Spielraum bleiben. "Man darf die Grenzen nicht zu eng setzen", warnt Dütz. Für lokale, länderspezifische Funktionen beschreibt das Template lediglich die Regeln der erforderlichen Länder-Parametrisierung. Es macht wenig Sinn, jeden einzelnen Schritt bis ins Kleinste in die globale Prozess-Schablone zu pressen. Hier sind die Verantwortlichen gefragt, abzuwägen zwischen dem, was sein muss, und dem, was variabel bleiben kann.
Schließlich geht es nicht nur darum, dem Vorstand verlässliche Zahlen liefern zu können, sondern auch die
Abläufe zu verbessern und zu standardisieren - für beides braucht der Konzern die Mitarbeit der Kollegen: "Wir starten in eine moderne HR-Prozess-Welt, die Self-Services und einen hohen Grad an Automatisierung anbietet", beschreibt es Dütz. Am Ende soll den Mitarbeitern von MAN Nutzfahrzeuge eine höhere Selbstständigkeit in der Abwicklung sämtlicher ITgestützter HR-Prozesse möglich sein.
Kein Hauruck-Vorhaben
"Alle Prozesse sollen schlanker werden", hebt CIO Gottfried Egger diesen Aspekt auf die Ebene des gesamten Unternehmens. Das spart nicht nur Zeit und Kosten für den Hersteller, auch die Geschäftspartner profitieren letztlich davon. Daher beschränkt sich das Thema Templates auch nicht auf das Personalwesen, sondern betrifft sämtliche Bereiche der Münchener. Einkauf, Entwicklung, Produktion, Vertrieb und After-Sales sind in gleichem Maße eingebunden, jeder Bereich mit seinen speziellen Anforderungen.
Während der Vertrieb bereits Endes nächsten Jahres die Umstellung geschafft haben soll, stehen für die Personalinformatik noch Roll-outs an anderen Standorten bevor. Großbritannien, Südafrika oder die Türkei und weitere Funktionen sind bereits in der Planungsphase.
Insgesamt hat MAN Nutzfahrzeuge rund 40 Gesellschaften weltweit, circa 36 000 Beschäftigte arbeiten für den Konzern. Kein Hauruck-Vorhaben also, aber wie gesagt: Joachim Dütz hat einen langen Atem.