Statistiken haben ergeben, dass der IT-Projektmarkt zurückgeht. Besonders IT-Freiberufler sind von dieser Situation betroffen. Doch ist die Marktlage differenziert: Während manche Freiberufler seit Monaten auf Projekte warten, haben andere IT-Experten bis ins nächste Jahr volle Auftragsbücher und müssen bis zur Erschöpfung arbeiten. Wie stark die einzelnen IT-Freelancer in Anspruch genommen werden, ist hauptsächlich von ihren Skills abhängig. Zum Beispiel sind Hosties und Oracle-Spezialisten von der Krise kaum betroffen, während SAP-Berater und Java-Freiberufler Abstriche zum Teil Abstriche an den Honoraren hinnehmen müssen.
Die verschiedenen SAP-Modulen werden verschieden stark nachgefragt. "Der Markt im Umfeld von SAP Business Warehouse, Business Objects, den klassischen Finanzmodulen und der SAP Basis ist nur bedingt rückläufig", sagt Dieter Brencher, Leiter des SAP-Arbeitskreises (DSAK) im Berufsverband für Selbständige in der Informatik (BVSI). Und es gäbe einen wagen Grund zur Hoffnung: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre würden Projekte häufig erst nach Ostern vergeben, so der Berater.
Firmen frieren IT-Budgets ein
Peter M. verfügt über tiefgründige Kenntnisse in den SAP-Logistik-Modulen und war daher in den vergangenen Jahren im Prinzip pausenlos im Einsatz. Jetzt bekommt der SAP-Freiberufler die Krise ebenfalls zu spüren. Der letzte Auftrag wurde vor einem Monat fertig gestellt und ein nachfolgendes Projekt ist derzeit nicht absehbar. Das Profil des erfahrenen SAP-Beraters wird derzeit bei sechs Projektanfragen angeboten. Zwar kommt es nach vielen Bewerbungen auch zu Vorstellungsgesprächen, dennoch ergibt sich letzten Endes kein neuer Auftrag. Die Gespräche beim Kunden seien gut verlaufen, sagt Peter M. Noch 2008 hätte er den Zuschlag für das Projekt bekommen. In der Zwischenzeit sieht M. pessimistischer in die Zukunft.
"Möglicherweise werden weder ich noch ein Kollege das Projekt übernehmen", vermutet er. Weil das IT-Budget gedeckelt sei, könnten Firmen die Projekte derzeit oft gar nicht vergeben. Durch den Zwang zu Sparmaßnahmen müssten manche Unternehmen Projekte auf Eis legen. Dennoch halten die IT-Leiter weiter Kontakt mit möglichen Projektmitarbeitern, um bei Bedarf rechtzeitig auf sie zurückgreifen zu können.
Die Akquise wird schwieriger
Sie erhalten kontinuierlich Einladungen zu Bewerbungsgesprächen, bestätigen andere IT-Freiberufler. Während sie jedoch 2008 nach zwei Vorstellungsgesprächen ein Folgeprojekt an der Hand hatten, müssen die freiberuflichen IT-Experten seit der Jahreswende einen ungewohnten Bewerbungsmarathon absolvieren, bis es denn klappt - oder auch nicht. Sechsmal sei er zu Vorstellungsgesprächen eingeladen gewesen, erzählt ein IT-Freiberufler. Ein Projektauftrag sei aber nicht erfolgt.
Peter M. zählt nicht zu den Pessimisten, er nutzt die freie Zeit für die Qualifizierung und weiß aus Erfahrung, dass sich seine Situation von Tag zu Tag drehen kann. Doch ob er kurzfristig ein neues Projekt akquirieren wird, bezweifelt er jetzt manchmal. Als langjähriger aktiver Xing-Nutzer schaute er kürzlich bei der IT-Freelancer-Gruppe hinein und fand ein einziges SAP-Projekt: "Ein Null-Acht-Fünfzehn-Projekt, mit standardmäßigen Anforderungen." Der SAP-Experte schickte der Vermittlerin sein Profil. Am nächsten Morgen rief er an - und staunte: 184 SAP-Freiberufler hätten sich über das Wochenende auf die Anfrage hin gemeldet, erzählte die Vermittlerin.
Oracle-Profis haben gute Karten
Anders sieht es im Oracle-Projektmarkt aus. Legt man den Marktmonitor der Projektwerk-Börse zugrunde, ist die Zahl der eingetragenen Oracle-Projekte gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008 sogar gestiegen. Entgegen den Trends liegt der Marktindex für Oracle-Projekte fast 30 Prozent höher als vor einem Jahr.
Die positive Situation kann Xenofon Grigoriadis, Oracle-Experte aus Bonn und Verantwortlicher für den Oracle-Arbeitskreis im BVSI bestätigen. "Die Lage ist überraschend gut", allerdings sei sie branchenabhängig. So würden derzeit in der Automobilindustrie die Projekte zusammengestrichen. Doch Sorgen mache er sich derzeit nicht. "Unabhängig von den Schreckensmeldungen gibt es weiterhin neue Projektausschreibungen im Oracle-Bereich - vor allem im Großkundenbereich wie bei Banken, TK-Unternehmen und großen Hotelketten, in dem die Oracle-Berater überwiegend tätig sind."
Mainframe-Experten sind sehr gefragt
Auch im Großrechnerbereich sieht die Marktsituation nach wie vor sehr gut aus. Der erfahrene Großrechner-Spezialist Alfons Warschburger ist zurzeit in zwei Projekten tätig. Er arbeitet in einem Third-Level-Projekt bei der IBM in München und betreut ein Rechenzentrum in Hannover. Mit beiden Kunden hat der Jahresverträge unterzeichnet. "Die Lage für Systemtechniker ist im Moment ausgezeichnet. Wir können uns vor Aufträgen kaum retten. Von Krise keine Spur", sagt Alfons Warschburger, Co-Leiter des BVSI-Mainframe-Arbeitskreises.
Der Nachwuchs fehlt
Dass der Markt für Großrechner-Spezialisten so leergefegt ist, liegt nach Meinung von Warschburger daran, dass kaum junge Cobol-Spezialisten nachkommen. Es fehle einfach der Nachwuchs. Anwendungsentwickler haben es nach Einschätzung von Warschburger etwas schwerer. "Sie sollten mehr können als Cobol, viele Anwendungsentwickler nehmen auch Java mit hinzu".
Java-Profis verdienen weniger
Im Java-Bereich ist die Zahl der Projektanfragen zurückgegangen: "Java-Experten mit Erfahrung erhalten weiterhin Projektangebote, aber sie erzielen niedrigere Honorar", sagt Frank Dolibois, Java-Experte und akkreditierter Prüfer aus Köln. Dies gelte insbesondere für alle Java-Freiberufler, die mit Agenturen und Vermittlern zusammenarbeiten und die für Großkunden, Banken, Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen tätig sind. Am eigenen Leib verspürt Frank Dolibois, der auch Leiter des Java-Arbeitskreises im BVSI ist, die Krise noch nicht. "Wer als Java Experte im Mittelstand unterwegs ist, spürt diese Entwicklung so nicht. Die Honorare bei den mittelständischen Unternehmen sind noch relativ stabil."
Der Java-Experte betreut seit 15 Jahren mittelständische Unternehmen im Kölner Raum und hat sich über die Jahre ein dichtes Netzwerk aufgebaut. Er arbeitet nur für Direktkunden. Ungewöhnlich in Zeiten, wo sicherlich 80 Prozent der IT-Projekte über Vermittler und Agenturen vergeben wird. Die Netzwerkpflege sei zeitintensiv, so Frank Dolibois. "Zu meinen Terminen gehören auch Geschäftsessen am Abend, Einladungen zu Firmenterminen, doch gerade in Krisenzeiten zahlen die Kontakte sich aus".
Der Markt ändert sich
Insgesamt zeichnet sich ein differenziertes Bild vom IT-Freiberuflermarkt. Eine Krise, die auf den gesamten Projektmarkt durchschlägt, existiert so nicht. Aber die Signale für eine Veränderung des Marktes sind für IT-Freiberufler unübersehbar:
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Sie müssen sich öfter als früher für ein neues Projekt bewerben.
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Sie müssen längere Wartezeiten zwischen zwei Projekten in Kauf nehmen.
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Sie werden mit niedrigeren Honorarangeboten und kürzeren Projektlaufzeiten konfrontiert.
"Die Zeiten, die Preise für Berater nach oben zu schrauben, sind momentan nicht gegeben", sagt Dieter Brencher, Leiter des SAP-Arbeitskreises im BVSI. Aber trotzdem sollte der Freiberufler Preisverhandlungen führen. Manche Vermittlungsagenturen jammerten heftig über die Finanzkrise, um gute Margen zu bekommen, verdienen eigentlich jedoch noch gut. Der international tätige SAP-Spezialist Dieter Brencher rät dazu: "Daher lohnt es sich für den IT-Freiberufler, auch noch um den letzten Euro hart zu verhandeln".
Der Artikel erschien bei unserer Schwesterpublikation Computerwoche.