EIN SERVICETECHNIKER steht vor einer Maschine, die er reparieren soll. Die Wartungsdaten hat er auf seinem Handheld-Computer. Doch wie bringt er sie in Verbindung mit dem Energieverbrauch, der Temperatur der Anlage oder dem Wasserfüllstand? Und wie lange ist die Maschine gelaufen, welche Stückzahlen hat sie produziert? In Zukunft wird ein kleines Stückchen autonome Software diese Informationen von Sensordaten und einem kurzen Besuch beim Produktionsplanungssystem einsammeln.
Dieses Szenario für den Einsatz eines mobilen Softwareagenten stammt von Norbert Wabnitz, dem Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Goydo AG in Jena. Sein Unternehmen arbeitet gemeinsam mit der Universität Jena und den Softwareentwicklern der Uni- Ausgründung The Agent Factory an einer mobilen Agentenplattform. Wabnitz ist ein Mann mit Phantasie, aber kein Phantast: „Die Systeme bei den Kunden werden immer komplexer. Und die relevanten Daten kommen nicht nur aus dem Unternehmen selbst, sondern auch von Externen wie etwa den Energieversorgern.“
Mit dem Gemeinschaftsprojekt von Uni und Unternehmen erweitern die Thüringer das Einsatzgebiet elektronischer Agenten. Bislang arbeiteten die autonomen Codes in der Regel von einem festen Rechner aus. Der digitale Assistent „Mobisoft“, an dem in Jena getüftelt wird, kommt ohne feste Rechnerbasis aus und kann von jedem Mobiltelefon oder elektronischen Notizbuch aus aktiv werden. Die Daten werden über die Telefonleitung, das Mobilnetz oder WLAN ausgetauscht.
„Das Dumme ist, dass sich Netze verändern”
Basis für die Mobilagenten ist die in den vergangenen vier Jahren am Institut entwickelte Software „Tracy 2“. „Das Problem ist weniger, den Agenten selbst zu programmieren“, sagt der Jenaer Informatikprofessor Wilhelm Rossak. „Wenn das Netzwerk, in dem er arbeiten soll, bekannt ist und ich ihm einen Reiseplan mitgeben kann, gibt es keine Probleme. Das Dumme ist nur, dass die meisten Netze sich heutzutage dynamisch verändern, weil mobile Endgeräte zugeschaltet oder abgemeldet werden.“ Die Thüringer tricksen, damit die Mobilagenten auch in Netzwerken arbeiten können, die sie noch nicht kennen: Sobald ein Gerät mit einem Agenten sich zum Beispiel in einem WLAN anmeldet, kartografiert eine winzige Anwendung das Netzwerk.
Zum einen hat sich Java als geeignet erwiesen, Anwendungen zu entwerfen, die gleichermaßen auf PCs, Laptops oder Handys arbeiten können. Zum anderen akzeptieren Agentenentwickler rund um die Welt nach langen Jahren endlich die Standards der Foundation for Intelligent Physical Agents (FIPA) als gemeinsame Basis ihrer Arbeit.
Mit „Semoa“ hat das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt außerdem eine Agentenplattform entwickelt, die Verschlüsselungstechnologie und elektronische Signaturen beinhaltet. So wird verhindert, dass unberechtigte Dritte einen Agenten benutzen, auslesen oder manipulieren. „Bei sensiblen Operationen muss man sich auf die Integrität und Vertraulichkeit seines Agenten voll verlassen können“, erklärt Fraunhofer-Wissenschaftler Ulrich Pinsdorf. Das Open-Source-System schafft so eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz stationärer wie mobiler Agenten in geschäftskritischen Bereichen und ermöglicht rechtsverbindliche Transaktionen.
Größter Bedarf in Intranets
Dazu kommt, dass der Bedarf an spezialisierten Informationswerkzeugen, die auf Handys, PDAs oder Laptops arbeiten, wächst. „Nicht alles, was die Nutzer von mobilen Endgeräten brauchen, lässt sich über eine Internetsuchmaschine finden“, sagt Harry Santamäki, Multimedia-Experte beim Mobiltelefonhersteller Nokia. Nokia hat gerade eine autonome Suchanwendung für Smartphones vorgestellt, die unterschiedliche Datenquellen anzapft. Je nach Bedarf ruft sie Inhalte von Internetsuchportalen wie Yahoo, aber auch Wetterdienste, Landkarten, oder internationale Branchenverzeichnissen ab, um zum Beispiel Vielfliegern das Leben zu erleichtern.
Die technischen Voraussetzungen für den Einsatz mobiler Agenten sind also da. Nutzen werden sie allerdings nicht die privaten Mobilsurfer, die eine Pizzeria, eine Flugreise oder ein eBay-Schnäppchen suchen. „Den größten Bedarf an solchen Helfern scheint es nicht von Einzelpersonen zu geben, sondern im Bereich der Intranets“, sagt Professor Rossak.